Prien/Herrenchiemsee – Trüb startete der Tag, als sich zahlreiche Journalisten am Hafen in Prien sammelten, um die Ankunft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsident Markus Söder und Landtagspräsidentin Ilse Aigner zu erwarten. Trüb zu Beginn, sonnig im weiteren Verlauf, als wollte das Wetter dem Anlass entsprechen. Nicht nur die drei Präsidenten, auch das Who‘s who der bayerischen Politik kam auf die Herreninsel, um den Festakt anlässlich des 75. Jahrestages des Verfassungskonvents zu begehen. „Herrenchiemsee ist angesichts der historischen Leistungen für die Konstituierung Deutschlands eine große und würdige Kulisse“, sagte Aigner in ihrer Rede beim Festakt.
Maßgeblich für das
spätere Grundgesetz
Der Verfassungskonvent tagte vom 10. bis zum 23. August 1948 auf Herrenchiemsee. Einberufen von den Ministerpräsidenten der Länder in den westlichen Besatzungszonen, kamen dort 30 Juristen und Politiker zusammen, um innerhalb dieser zwei Wochen eine Grundlagenarbeit für eine neue deutsche Verfassung auszuarbeiten. Dieser Entwurf war maßgeblich für die Verabschiedung des späteren Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
„Es ist erstaunlich, in wie kurzer Zeit man dort zu einem Ergebnis kam“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im prunkvollen Spiegelsaal des Schlosses auf Herrenchiemsee. So kurze Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, eine Zeit, in der die Zerstörung und der Schrecken des Dritten Reiches noch überall sichtbar gewesen seien, sei der Entwurf für die neue Verfassung zutiefst geprägt gewesen von einem Wunsch nach einem Staat um der Menschen willen. „Nie wieder!”
Ein Satz, der auch nach 75 Jahren noch immer seine Gültigkeit innehat. „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“ So lautete Artikel 1 in dem damaligen Verfassungsvorschlag. Der nächste Satz „Die Würde der menschlichen Persönlichkeit ist unantastbar“ unterscheidet sich kaum vom späteren ersten Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Der Konvent sei „möglicherweise einer der bedeutendsten, aber auch unbekanntesten Momente der Verfassungsgeschichte”, sagte Bundespräsident Steinmeier. Denn große Teile des auf Herrenchiemsee erarbeiteten Verfassungsentwurfs finden sich auch im Grundgesetz wieder.
„Mag der Konvent damals auch in der Kargheit des altes Schlosses getagt haben, aber mit seiner zentralen Hervorhebung der Menschenwürde als Maxime allen staatlichen Handelns strahlt der damals entstandene Verfassungsentwurf heller in die Gegenwart als aller Prunk und Glanz dieses Saales.“ Auch Markus Söder würdigte die Arbeit des Konvents als „großartige Leistung” und sieht die Verfassung als „Liebesbrief an das Land“ an.
Die Gründe für die neue Verfassung haben auch in der heutigen Zeit nicht an Bedeutung verloren. Ilse Aigner sieht aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung Angriffe auf die demokratische Kultur in Deutschland.
„In einer ernsten Lage, in der alle aufgerufen sind, das Land zusammenzuhalten, ist das Schüren von Wut brandgefährlich.“ Zumal sich diese Wut oft gegen Minderheiten richte. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe festgestellt, dass die Menschenwürde ganzer Personenkreise vermehrt durch Vertreter einer Partei verletzt würde, so Aigner. „Ich glaube fest an unsere Demokratie, weil sie von Gewaltenteilung, von Vielfalt und Zusammenhalt lebt.”
Passend zum Jahrestag des Verfassungskonvents öffnet im Augustiner-Chorherrenstift auf Herrenchiemsee eine neue Dauerausstellung. Sie trägt den Titel „Der Wille zu Freiheit und Demokratie. Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee 1948“. Umgesetzt von der Bayerischen Schlösserverwaltung, die eng mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit zusammenarbeitete. Dort wird nicht nur der schwierige Weg zum Verfassungsausschuss geschildert, den Besuchern werden auch interaktive Mitmachstationen angeboten, in denen sie sich weiter in die Themen vertiefen können.
Kein Bezug zum
Konvent
Bereits im Vorfeld hatte sich die „Letzte Generation“ für eine Pressekonferenz zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls auf der Herreninsel eingeladen. „Die Örtlichkeit wurde zwar mit Bezug auf das 75. Jubiläums des Verfassungskonvents gewählt“, heißt es auf Anfrage des OVB.