„Wir hätten tot sein können“

von Redaktion

Unfall an Bahnübergang: Verletzte Beifahrerin beschuldigt Bahn

Feldkirchen-Westerham – „Das kann zum Tode führen“, verdeutlicht Annette Luckner den Ernst der Lage. In ganz Deutschland, erklärt die Pressereferentin der Bayerischen Regiobahn auf OVB-Anfrage, gehöre es mittlerweile zum Alltag: Bahnübergänge werden zum Schauplatz von Unfällen, bei denen fahrende Züge mit Autos, Fahrrädern oder Fußgängern kollidieren. So geschehen auch am vergangenen Sonntag, 13. August, als ein Mann mit seinem Pkw die Ortsverbindungsstraße von Altenburg in Richtung Niederaltenburg in Feldkirchen-Westerham befuhr. Diese Straße quert die Bahnverbindung zwischen Holzkirchen und Rosenheim mit einem unbeschrankten Bahnübergang.

Fehlfunktion
ausgeschlossen

Aus bislang ungeklärter Ursache fuhr der 75-Jährige über den Bahnübergang, obwohl sich ein Zug der Bayerischen Regiobahn näherte. Da die 28-jährige Zugführerin schnell handelte und eine Notbremsung initiierte, konnte Schlimmeres verhindert werden. Der Zug touchierte lediglich das rechte Heck des Pkw. Der Autofahrer blieb, wie die etwa 40 Passagiere der Bahn, unverletzt, die 71-jährige Ehefrau des Pkw-Fahrers kam mit leichten Verletzungen davon. Nach bisherigem Erkenntnisstand schließt die Polizei eine Fehlfunktion der Lichtzeichenanlage, die den Autofahrer hätten warnen müssen, aus. Gegen den Fahrer wurde eine Anzeige wegen Gefährdung des Bahnverkehrs sowie fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet. Die Gleise waren durch den Vorfall über zwei Stunden gesperrt.

Auf OVB-Nachfrage teilte ein Sprecher der Polizeiinspektion Bad Aibling am Montag (14. August) mit, dass die Ermittlungen hierzu noch andauern. Dass es am Bahnübergang in Feldkirchen-Westerham generell zu vergleichbaren Problemen oder Vorfällen kommt, sei nicht bekannt. „Es ist auf jeden Fall kein Unfallschwerpunkt“, so der Polizei-Sprecher. Gerade an unbeschrankten Übergängen sei die Rücksicht der Verkehrsteilnehmer auf den Zugverkehr unverzichtbar. Selbst ohne die blinkenden Lichtsignale müsste alleine das Andreaskreuz vor dem Bahnübergang zur Vorsicht mahnen. Eine Fehlfunktion der Lichtzeichenanlage könne bislang nach wie vor ausgeschlossen werden. Hierfür hat die Polizei eine einfache Erklärung: „Wenn das Lichtsignal nicht funktioniert hätte, dann hätte ein Sicherheitssystem im Zug gegriffen, sodass dieser automatisch gebremst hätte und gar nicht durchgefahren wäre“, erklärt die Polizei.

Dieser Aussage widerspricht nun aber die verletzte Beifahrerin gegenüber dem OVB. Anders als berichtet hätten die Warnsignale eben nicht geblinkt, wie Alexandra von Luttitz-Forget behauptet. „Sonst wären wir ja nicht drüber gefahren“, sagt die momentan in Paris wohnhafte Frau, die nach eigenen Angaben jedoch hier aufgewachsen sei und den Übergang schon „hundert Millionen Mal“ überquert habe. Hinzu komme, dass den Autofahrern die Sicht nach rechts von einem nahe an den Gleisen stehenden Lastwagen verdeckt worden sei. „So konnten wir überhaupt nicht sehen, ob ein Zug kommt“, betont Luttitz-Forget, die deshalb die Schuld bei der Bahn sieht.

Dass sie und ihr Ehemann den Aufprall des Zuges überlebten, sei großes Glück gewesen: „Wir hätten tot sein können!“ Dass ihr Mann nun auch noch eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals habe, versteht sie überhaupt nicht. Sie ist sicher, dass die Lichtsignale nicht aufgeleuchtet haben. Darauf und auf den vermeintlichen Lkw in Gleisnähe angesprochen, konnte die Polizeiinspektion Bad Aibling keine weitere Auskunft erteilen, da dies „Bestandteil der Ermittlung“ sei. Dass es aber nicht an den Lichtsignalen gelegen haben kann, betonte auch die Bayerische Regiobahn. Laut Pressereferentin Annette Luckner hätte es demnach bei einer technischen Störung gar nicht zu einem Zusammenprall kommen können. „Sicherheit ist hier natürlich das oberste Gebot“, sagt Luckner und verweist auf etliche Sicherheitssysteme. Darüber hinaus würden die Lokführer Bahnübergänge ohnehin mit besonderer Vorsicht und mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit passieren. Dass es an Bahnübergängen dennoch immer wieder zu Unfällen kommt, liegt laut Luckner meist am „leichtsinnigen Verhalten“ von Verkehrsteilnehmern, die mit dem Auto, dem Fahrrad oder auch zu Fuß unterwegs sind.

So würden Blinksignale immer wieder einfach nicht beachtet. „Selbst bei sogenannten Halbschranken erleben wir es, dass Autofahrer im Schlingerkurs noch drum herum fahren.“ Dabei sei es essenziell, dass sich die Menschen an die Verkehrsregeln halten und stehen bleiben. Luckner stellt klar: „Diese roten Blinksignale sind eigentlich nichts anderes, wie eine rote Ampel, über die ich vor einer befahrenen Kreuzung ja auch nicht einfach drüberfahre.“

Der beschriebene Fall aus Feldkirchen-Westerham ist glimpflich ausgegangen. Doch auch wenn Lokführer Notbremsungen einleiten, sei dies noch lange keine Garantie dafür, dass nichts Schlimmeres passiere.

Denn: „Züge haben einen brutal langen Bremsweg“, der überhaupt nicht mit bremsenden Autos verglichen werden könne, so Luckner. Das immense Gewicht, gepaart mit der extrem kleinen Auflagefläche der Zugräder auf den Gleisen, führe dazu, dass ein Zug lange braucht, bis er bei einer Notbremsung zum Stehen kommt.

Züge haben
langen Bremsweg

Dabei spielten natürlich Geschwindigkeit und Witterungsverhältnisse eine entscheidende Rolle, so Luckner. Stellt sich unweigerlich die Frage, warum es überhaupt Bahnübergänge ohne Schranken gibt. Laut der Regiobahn seien hierbei etwa Platzverhältnisse entscheidend, auch die Kommunen spielten eine Rolle.

Verantwortlich für die entsprechende Infrastruktur und letztlich die Frage, wo ein Bahnübergang mit oder ohne Schranken errichtet wird, ist die DB Netz AG. Auf OVB-Anfrage liegt hierzu bislang jedoch noch keine Stellungnahme vor.

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