Traunstein/Waldkraiburg – Im zweiten Prozess vor der Traunsteiner Jugendkammer gegen einen inzwischen 57 Jahre alten Ex-Busfahrer aus Waldkraiburg, dem vielfacher sexueller Missbrauch von drei Männern, darunter seinem leiblichen Sohn vor rund 30 Jahren zur Last gelegt wird, ging es gestern vorwiegend noch einmal um schon vergangenes Jahr abgeurteilte Taten an weiteren Buben in der Zeit von 2020 bis 2021. Mit einem Urteil zu den aktuellen Vorwürfen ist frühestens im Herbst zu rechnen.
Den Gang der Ermittlungen im ersten Verfahren gegen den bis dahin nie straffällig gewordenen Angeklagten schilderten die Sachbearbeiterin der Kripo Mühldorf und die damals zuständige Staatsanwältin vor Gericht. In Gang gekommen war alles laut der Kriminalbeamtin durch eine Vermisstenanzeige von Eltern, deren Sohn im Juli 2021 verschwunden war. Der Verdacht fiel auf einen Unbekannten, der den Jungen Stunden vorher schon hatte abholen wollen – was der Vater des Kindes verboten hatte. Dieser hatte geistesgegenwärtig das Autokennzeichen notiert.
Über eine Halterabfrage der Polizeiinspektion Waldkraiburg geriet der Busfahrer in Verdacht. Kollegen fuhren zu dessen Wohnung. Die Ehefrau öffnete, verneinte aber die Anwesenheit eines Jungen in den Räumen. Einer der Polizisten sah in einem Spiegel im Schlafzimmer einen Buben, nur bekleidet mit Unterhosen. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis der Busfahrer zu den Polizisten herauskam. Dabei hantierte er ständig an seinem Handy herum. Der befragte Junge erklärte, er sei freiwillig in der Wohnung. In der Wache rekapitulierte die Streife das Geschehen und schöpfte Verdacht. Deshalb hakten die Beamten bei den Eltern nach. Irgendwann begann der Bub zu weinen und erzählte von sexuellen Übergriffen – seit längerer Zeit.
Bei dem Angeklagten später sichergestellte Datenträger enthielten keinerlei inkriminierte Inhalte, wie die Kriposachbearbeiterin betonte. Der Busfahrer habe zumeist sein Diensthandy benutzt – „das mehrfach zurückgesetzt sein musste und auffallend wenig Daten beinhaltete“. Der Junge und andere Geschädigte hätten über schlimme Bedrohungen gesprochen. Unter anderem sei den Opfern gesagt worden, die Maffia würde sie oder deren Angehörige umbringen. Die Kriminalbeamtin erinnerte sich: „Die Kinder hatten große Angst. Allen Opfern fiel die Aussage sehr schwer. Die Kinder standen unter enormem psychischen Druck und haben großes Leid erfahren.“
Zu diesem Thema verlas Vorsitzende Richterin Heike Will ein Attest von Landgerichtsarzt Fredi Watzlawik. Der Medizinaldirektor warnte „dringend“, einen der Jungen aus dem ersten Verfahren nochmals zu vernehmen: „Der Zeuge leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eine Retraumatisierung ist zu befürchten.“
In dem ersten Prozess hatte die Jugendkammer neun Jahre Haft gegen den Ex-Busfahrer verhängt. Das Urteil, gegen das der 57-Jährige Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hat, ist bis heute nicht rechtskräftig. Im jetzigen Verfahren mit den neuen Vorwürfen der Staatsanwältinnen Theresa Finsterwalder und Helena Neumeier hängt über den Angeklagten, dem als Verteidiger Axel Reiter aus Mühldorf und Dr. Markus Frank aus Rosenheim beistehen, neben einer weiteren hohen Freiheitsstrafe das Damoklesschwert einer zeitlich unbegrenzten Sicherungsverwahrung. kd