„Minister Wissing tut seine Arbeit“

von Redaktion

Interview Christian Lindner über Heizgesetz, Ampel und Brenner-Nordzulauf

Aschau – Am Rande des Finanzminister-Gipfels in Aschau im Chiemgau äußerte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Exklusiv-Interview mit den OVB-Heimatzeitungen zur Zusammenarbeit innerhalb der Ampel, zum Streit mit Koalitionspartnern, zu Verkehrsminister Wissing und dem Brenner-Nordzulauf sowie zur Landtagswahl in Bayern. Und er erklärt, warum er sich für den Mann auf dem einsamsten Posten hält.

Servus Zukunft, so lautet der Slogan der FDP in Bayern. Nun ist das in Bayern ein sozusagen zweischneidiger Gruß, der Pfiad di oder Griaß di bedeuten kann. Hat die bayerische FDP die Zukunft verabschiedet oder andersrum?

Den Freien Demokraten geht es natürlich darum, dass mehr Zukunftsweisendes möglich wird: generationengerechte Staatsfinanzen, Investitionen in innovative Technologie, Stärkung von Bildung und eine Infrastruktur, die Familien unterstützt. Ein weltoffenes Bayern, das zugleich Migration intelligent steuert.

Was die Weichenstellungen betrifft, scheinen Sie und ihre Kollegen in der Ampel-Koalition in Berlin oft unterschiedlicher Meinung zu sein. Nervt es Sie, dass solche Diskussionen ständig an die Öffentlichkeit gelangen?

Das ist Demokratie. Und Demokratie lebt von politischen Unterschieden. Wenn unterschiedliche Parteien zusammenkommen, dann gibt es auch Geräusche. Wer wüsste das besser als die Menschen in Bayern, die das über Jahre zwischen CSU und Freien Wählern ebenfalls haben beobachten können. Entscheidend ist die Richtung der Politik, und tatsächlich investiert Deutschland auf Rekordniveau in klimafreundliche Technologien, in Verkehrsinfrastruktur und Digitalisierung. Meine Hauptsorge ist, dass die Rahmenbedingungen für die privaten Investitionen bei Handwerk, Mittelstand und Industrie nicht stimmen. Deswegen lehne ich die auch von der Union ins Gespräch gebrachten Steuererhöhungen ab.

Bei Spitzensteuersatz und Erbschaftssteuer?

Zum Beispiel da. Deutschland ist bereits ein Hochsteuerland und die Einkommensteuer ist zum Beispiel für viele Mittelständler auch die betriebliche Steuer. Noch höhere Steuersätze würden sicherlich nicht zu mehr Wachstum führen. Wir wollen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren als in der Vergangenheit, und wir setzen uns für eine andere Einwanderungspolitik ein. Deutschland hat es über Jahrzehnten denjenigen zu schwer gemacht, die wir auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Umgekehrt haben wir es viel zu lange denjenigen leicht gemacht, die regulär nur in unseren Sozialstaat eingewandert sind.

Die Sie indirekt für Kinderarmut mit verantwortlich machen. Siehe Ihr Tweet kürzlich.

Das war nicht ganz mein Zitat. Richtig ist aber, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen Zuwanderung nach Deutschland und Kinderarmut gibt. Kinderarmut ist in mangelndem Einkommen oder Arbeitslosigkeit der Eltern begründet. Nicht alle, die hierherkommen, verfügen über Sprache und berufliche Qualifikation oder sind in unsere Gesellschaft integriert. Die Debatte ist notwendig: Was ist für die Chancen der Kinder und Jugendlichen am besten: Schlicht mehr Geld auf das Konto der Eltern? Oder die Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit der Eltern und die Investition in Kitas, Sprachförderung und Schulen?

Sie bezeichneten sich im Scherz als einsamen Minister. Wie gerne lassen Sie sich von Wirtschaftsminister Habeck mit seinem Heizungsgesetz Gesellschaft leisten?

Das Heizungsgesetz ist jetzt ein ganz anderes, als es das im ursprünglichen Entwurf war. Zum Glück. Viele Menschen waren besorgt, dass der Staat wegen des Klimaschutzes jetzt noch in den Keller einsteigt und die Möglichkeiten, ein Eigenheim zu besitzen, verringert, aber das haben wir korrigiert. Wie sieht die Zukunft des Heizens aus, das ist die Frage. Nicht jedes Haus ist geeignet für eine Wärmepumpe. Nicht wenige heizen mit Holz, andere heizen mit Wasserstoff oder klimafreundlichen Gasen. Und nicht jedes Haus kann modernisiert werden. Da wären Vorgaben unwirtschaftlich und würden die Menschen überfordern. Das haben wir vom Kopf auf die Füße gestellt – im Konsens. Das ist vielleicht ein Merkmal dieser Koalition.

Ein Erfolg, aber haben Sie den auch ausreichend kommuniziert? In der Öffentlichkeit steht die Ampel sehr schlecht da.

Den Weg zu diesem technologieoffenen Heizungsgesetz, das niemanden überfordert, würde ich so mit Sicherheit nicht mehr mitgehen wollen. Ich war gebeten worden, ein unfertiges Gesetz an das Parlament weiterzuleiten und meine Bedenken zu Protokoll zu geben. Das würde ich nicht wiederholen. Unfertiges geht nicht. Unterm Strich ist unser Land gut durch diese Krisen gekommen. Dinge in der Einwanderungspolitik, die über Jahrzehnte nicht angefasst worden sind, gehen wir an. Aber in die nächste Bundestagswahl geht die FDP eigenständig. Wir werden gewählt für das, was wir erreichen wollen. Danach werden wir entscheiden, was die beste Möglichkeit ist, unsere Inhalte umzusetzen.

Einen Wunschpartner wollen Sie nicht nennen?

Nein. Wir haben einen Hauptkoalitionspartner, das sind die Bürger. Aus diesem Grund gibt es keine Steuererhöhungen, deswegen halten wir die Schuldenbremse trotz aller Widerstände ein. Sonst hätte ich kein Mandat. Millionen haben uns gewählt, und zwar unter anderem wegen dieser Aussage: Ich will nicht die Steuern erhöhen, ich will die Schuldenbremse nicht aufweichen. Selbst in der CDU und CSU gibt es Stimmen, die an die Schuldenbremse ran wollen und Steuern erhöhen wollen.

Brenner-Nordzulauf – ist der ohne Steuererhöhungen und mit Schuldenbremse zu stemmen?

Absolut. Wir investieren auf Rekord-Niveau. Das größte Problem sind nicht die Finanzen, die dem Staat zur Verfügung stehen, sondern die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Es bleiben jedes Jahr Milliardensummen an eingeplantem Geld übrig.

Beim Brenner-Nordzulauf sind die Österreicher schon weitgehend fertig, während wir mit der Vorplanung noch nicht fertig sind.

Das ist sehr bedauerlich. Aber das ist das Planungs- und Genehmigungsrecht, das wir uns seit vielen Jahren in Deutschland leisten und das jetzt ausgerechnet eine Ampelkoalition angeht. Das muss ein Versprechen sein: Überall, auch für private Vorhaben, die bürokratischen Fesseln zu lösen.

Hier ist es schön, das haben Sie in Aschau selbst festgestellt. Erzählen Sie Ihrem Kollegen Wissing davon? Die Menschen hier vermissen den Verkehrsminister, mit Brenner-Nordzulauf und Blockabfertigung fühlen sie sich alleingelassen.

Verkehrsminister Volker Wissing tut seine Arbeit. Er ist aber zuständig für 16 Länder, und Bayern wird nicht schlechter behandelt als irgendein anderes Bundesland. Das ist die klare Zusage von Minister Volker Wissing und der Bundesregierung.

Die Abwesenheit bekannter Parteifreunde macht den Landtagswahlkampf für den bayerischen Spitzenkandidaten Martin Hagen nicht einfacher.

Ich bin viele Male in Bayern, und zwar sehr oft im Wahlkampf. Die bayerische FDP hat aber auch jenseits jeder Hilfe aus Berlin starke Argumente. Vor allem hat die bayerische FDP die wesentliche Charakterprobe der vergangenen Jahre bestanden. Während der Corona-Pandemie war es doch die bayerische Staatsregierung unter der Führung von Herrn Söder und Herrn Aiwanger, die in die Bürgerrechte der Menschen eingegriffen hat. Heute wissen wir, es war teilweise unverhältnismäßig. Die bayerische FDP war die demokratische Kraft im Zentrum der Demokratie, die niemals die Gefahr der Pandemie geleugnet, aber immer den Gedanken der Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen hochgehalten hat. Als andere über Ausgangssperren nachgedacht haben und die Maskenpflicht selbst unter freiem Himmel beibehalten haben, da war die bayerische FDP Anwalt der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Interview: Michael Weiser

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