Gleitschirmflieger löst Großeinsatz aus

von Redaktion

Bis heute weiß keiner, woher er kam und wohin er ging. Fakt ist nur eines: Ein Paraglider hat am Sonntag bei Tuntenhausen zahlreiche Einsatzkräfte auf den Plan gerufen. Jetzt hoffen alle 80 Retter, dass er sich meldet, damit ihr Einsatz ein glückliches Ende findet.

Tuntenhausen – Mehr als 80 Rettungskräfte der Polizei Bad Aibling, der Feuerwehren Schönau, Tuntenhausen und Bad Aibling, der Bergwacht Bad Feilnbach und der Rettungshundestaffel der DLRG Bad Aibling rückten am Sonntag aus, um einen abgestürzten Paraglider zu suchen. Ohne Erfolg. Er wurde nicht gefunden, soll aber gesehen worden sein.

Die Sorge war groß, als die Martinshörner den Sonntagnachmittag zerrissen und ein Einsatzfahrzeug nach dem anderen aus Bad Aibling vorbei am Schloss Maxlrain in Richtung Beyharting raste: Polizei, Feuerwehr, Bergrettung, DLRG. Kurz darauf kreisten ein Motorflugzeug und zwei Hubschrauber über dem Gebiet.

Was war passiert? Gegen 15.24 Uhr war ein Notruf bei der Polizei Bad Aibling eingegangen: „Mit dem Fernglas hatte ein Anwohner beobachtet, wie ein Gleitschirmflieger südlich des Flugplatzes in Antersberg ins Trudeln gekommen und plötzlich nicht mehr zu sehen war“, heißt es auf Anfrage des OVB. Der Anrufer habe sehr professionell die gefährliche Situation eines Leinenüberwurfs beschrieben und fachliche Begrifflichkeiten verwendet, die auf die Ernsthaftigkeit und einen Notfall schließen ließen. „Dann geht es um Leben und Tod. Da können Sekunden entscheidend sein“, beschreibt die Polizei.

Die Rettungsleitstelle alarmierte zahlreiche Rettungskräfte. Sepp Mair, der Kommandant der Schönauer Feuerwehr, gehörte zum Einsatzstab: „Nach der konkreten Beschreibung der vermuteten Absturzstelle konnten wir das Suchgebiet eingrenzen“, erläutert er. Vom Fliegerclub aus sei nicht nur der Notruf abgesetzt worden. Parallel dazu sei auch ein Motorflugzeug aufgestiegen und habe mit der Suche begonnen.

Suche in Wald,
Maisfeldern und Moor

Alarmiert worden waren auch ein Rettungs- und ein Polizeihubschrauber. Sie kreisten über dem Gebiet, was den Einsatz besonders öffentlichkeitswirksam machte. Doch aufgrund des schönen Wetters konnten die Piloten mit der Wärmebildkamera keine verlässlichen Aufnahmen machen. Waldgebiete und Maisfelder schränkten die Sicht von oben zusätzlich ein.

„So haben wir uns entschlossen, die fußläufige Suche am Boden aufzunehmen“, beschreibt Kommandant Mair den Einsatz. Gesucht wurde ab der Brücke im Ortsteil Bach südlich der Moosach in Richtung Weiching. Mit dabei waren auch 20 Kameraden der Bad Aiblinger Feuerwehr. „Wir sind mit Drehleiter, Rüstwagen und Löschfahrzeug ausgerückt, um alle erforderlichen Werkzeuge für eine Höhenrettung dabei zu haben“, sagt der stellvertretende Aiblinger Kommandant Jörg Wippermann und beschreibt die Einsatzstelle als unübersichtliches Terrain – mitten im Wald, mit Wiesen, Moor und Maisfeldern.

„Wir haben ein Gebiet von etwa einem Quadratkilometer von beiden Seiten durchkämmt, aber niemanden gefunden“, informiert der Schönauer Einsatzleiter Sepp Mair. Weder in den Bäumen noch am Boden sei ein hilfebedürftiger Mensch gefunden worden. Auch von einem Gleitschirm keine Spur.

Auch die DLRG Bad Aibling hatte sich mit sieben Flächenhunden auf den Weg gemacht. „Als wir ankamen, war die Suche bereits abgebrochen worden“, informiert Otti Schenk, die Leiterin der Rettungshundestaffel.

Keine Spur
vom Piloten

Gegen 17.30 Uhr war die Meldung einer Passantin aus Weiching eingegangen, dass sie einen Mann mit Gleitschirm über der Schulter gesehen habe, der von Ostermünchen aus in Richtung Emmering unterwegs gewesen sei. Daraufhin wurde die Suche abgebrochen. Gegen 18 Uhr waren die Feuerwehren wieder in ihren Wachen.

Doch woher war der Gleitschirmflieger gekommen? Die Polizei Bad Aibling ist ratlos und hofft, dass er sich meldet. „Von unserem Flugplatz in Antersberg aus starten keine Gleitschirme“, informiert Thomas Bauer vom FC Condor. Ein Drachen- und Gleitschirmfliegerclub in unmittelbarer Nähe sei ihm nicht bekannt.

Der nächste Drachenfliegerclub (DCB) befindet sich in Bayrischzell. Doch könnte es ein Gleitschirm vom Sudelfeld bis ins etwa 32 Kilometer Luftlinie entfernte Antersberg schaffen? „Der Rekord liegt bei 300 Kilometern“, sagt Willy Kravanja von Summits Outdoor Adventures Bayrischzell. Er selbst war am Sonntag nicht in der Region und kann daher nicht sagen, ob Wetter und Wind ideal für einen Flug waren.

Am Vogelsang am Sudelfeld befindet sich eine „Startrampe“ für Drachenflieger. Mit dem Auto kommen sie bis zur Walleralm, gehen dann ein Stück zu Fuß und müssen sich wie an jedem Startplatz auch dort ins Flugbuch eintragen. „Von hier aus sind zwei Paraglider gestartet und auch wieder zurückgekommen“, heißt es vom Team der Walleralm.

Auch die Bergwacht Bad Feilnbach, die am Sonntag zum Einsatz nach Tuntenhausen ausrückte, hat keine anderen Informationen: „Unsere Leute haben alle Startplätze abtelefoniert. Es ist kein Gleitschirmflieger abgängig“, informiert Bereitschaftsleiter Matthias Eggersberger.

Woher also kam der ominöse Gleitschirmflieger, der mit seinen Flugkünsten für einen Großeinsatz der Rettungskräfte sorgte? Ist er möglicherweise von einem illegalen Startplatz aus in die Lüfte gegangen? Offenbar scheint das in der Region ein Problem zu sein, denn der Drachenfliegerclub Bayrischzell warnt auf seiner Homepage ganz aktuell: „Wildalpjoch und Wendelstein sind keine offiziellen Startplätze des DCB!“ Aus gegebenem Anlass werde darauf verwiesen, dass es dort keine Genehmigungen der Grundstückseigentümer gebe. „Bitte nur die zugelassenen Startplätze benutzen“, ruft der DCB zur Vernunft auf: „Bei dem derzeitigen hohen Flugaufkommen am Wendelstein wird die Existenz unseres Fluggebietes nachhaltig gefährdet.“ Dies gelte auch für Starts außerhalb des offiziellen Startplatzes am Jägerkamp in den Schlierseer Bergen, denn: „Durch das rücksichtslose Verhalten einiger Piloten steht das Fluggebiet Jägerkamp kurz vor der Schließung.“

Unglücksfall noch
nicht ausgeschlossen

Bis Montagabend hatte die Polizeiinspektion Bad Aibling noch immer keine Informationen über den vermeintlichen Bruchpiloten. Doch der Wunsch, den Einsatz mit dem Wissen um das Wohl eines Menschen abschließen zu können, treibt alle 80 Retter an. Deshalb bittet die Polizei den Piloten, sich unter Telefon 08061/90730 zu melden, um „einen Unglücksfall endgültig ausschließen zu können“. Und keine Sorge: Nach Aussage der Polizei wird der Großeinsatz keinem in Rechnung gestellt – weder dem Anrufer noch dem Gleitschirmflieger.

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