Schneizlreuth/Rott am Inn – Es war wohl ein Fahrfehler des entgegenkommenden Pick-up-Fahrers, und schon bezahlte eine Motorradfahrerin mit dem Leben: Eine Mühldorferin starb vorigen Sonntag bei Schneizlreuth auf ihrem Bike, weil ein Geländewagen im Gegenverkehr plötzlich in ihre Spur kam. Der Begleiter der Frau, ebenfalls auf dem Motorrad, wurde auch frontal erfasst und schwer verletzt. Die Mühldorferin ist damit heuer die 18. tödlich verunglückte Motorradfahrerin in der Region.
Für Andreas Thalhammer aus Rott am Inn sind solche Unfälle ein gewohntes Bild. Er ist öffentlich bestellter Sachverständiger für die Analyse von Straßenverkehrsunfällen – und er hat tragische Zahlen zur Hand: „Motorradfahrer sind im Verkehr etwa neunmal so häufig unter den Getöteten wie die übrigen Verkehrsteilnehmer“, so Thalhammer. Denn ihr Anteil am jährlich gefahrenen Verkehr macht gerade mal zwei Prozent aus – dafür ist fast jeder Fünfte, der auf den Straßen umkommt, ein Biker.
Die fehlende Knautschzone sei das allergrößte Manko für die Biker, weiß Thalhammer: „Der Körper ist sämtlichen, von außen einwirkenden Kräften nahezu direkt ausgesetzt. Nur die Schutzkleidung kann auftretende Belastungen und damit das Risiko einer Verletzung reduzieren.“
Etwa bei zwei von drei Motorradunfällen prallen die Biker laut einer ADAC-Studie mit anderen Fahrzeugen zusammen. Meistens sind Fehler beim Überholen, zu wenig Abstand oder eine zu hohe Geschwindigkeit ausschlaggebend. Jeder dritte Motorradunfall passiert laut der Studie aber ohne fremde Beteiligung. Auch hier sind dann meist Fahrfehler oder überhöhtes Tempo die Ursache – und der Sturz endet an einer Leitplanke oder einem Baum. Denn viel mehr als beim Autofahren steht beim Bike oft der Spaß im Vordergrund. „Ein Motorrad dient nicht nur als reines Verkehrsmittel“, so der Unfallgutachter: „Die emotionale Komponente geht Hand in Hand mit dem Risiko, das in Kauf genommen werden muss, bei einem Unfall verletzt oder sogar getötet zu werden.“
Wie kann die Sicherheit auf den Straßen erhöht werden? Infrastrukturelle Beispiele wären größere Abstände von den Bäumen zum Straßenrand oder bauliche Fahrtrichtungstrennungen. In erster Linie hätten es laut Andreas Thalhammer aber die Biker selbst in der Hand: „Das Thema Erkennbarkeit ist eines der Kernthemen.“ Er empfiehlt Warnwesten oder zugelassene Zusatzscheinwerfer. Außerdem: Vor allem Bremsen und Reifen sollten beim Motorrad in gutem Zustand sein, Schlupfregelungen können die Fahrstabilität erhöhen, Fahrertrainings erhöhen die Sicherheit auf dem Bike und natürlich sollten Risiken beim Fahren bewusst vermieden werden.
Thalhammer empfiehlt darüber hinaus gute Schutzbekleidung, Protektoren und Visiere, die möglichst frei von Kratzern sein sollten. Besonders gefährlich für schlimme Motorradunfälle sei der Saisonanfang im Frühling, weil die Fahrpraxis über die Wintermonate ausblieb. „Genauso kritisch sind über die Tageszeit meist die späteren Nachmittags- oder Abendstunden, wenn die Konzentration nachlässt.“ Auch in der Region stehen die Zahlen tödlicher Verkehrsunfälle eigentlich in keinem Verhältnis. Bis dato gab es 2023 in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Berchtesgadener Land, Altötting und Mühldorf laut Polizeipräsidium Oberbayern Süd 38 Personen, die im Straßenverkehr ums Leben kamen – 18 davon waren Motorradfahrer.
Xaver Eichstädter