Tuntenhausen – Ist das noch Information oder ist es schon Propaganda? Dieser Terminhinweis für eine Veranstaltung am heutigen Dienstag in Tuntenhausen hat es jedenfalls in sich. Angekündigt ist Markus Krall (60), Bestsellerautor und Börsenguru. Ab 19.30 Uhr spricht er im Gasthaus Schmid, Thema: „Die Welt von morgen – was kommt auf uns und unser Land zu?“
Markus Krall ist für die einen ein ausgewiesener Finanzexperte. Seine Vita ist eindrucksvoll, einige Jahre lang war er CEO von Degussa. Dann stellte ihn das Gold-Unternehmen überraschend frei. Aus Gründen, die Degussa nicht nennen wollte. Vielleicht lagen diese Gründe in Kralls Ansichten und Netzwerken. Denn für viele Kritiker ist Krall jemand, der mit Schwarzmalen Geld verdient. Ein Crash-Prophet mit Neigung zur Verschwörungstheorie. Einer, der die Sorgen vor dem Klimawandel als „Klimaschmarrn“ bezeichnet.
Krall hat bei Götz
Kubitschek verlegt
Krall ist nicht so einfach zu fassen. Eines seiner Bücher hat er in einem Verlag publiziert, der als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird: im Antaios-Verlag des Götz Kubitschek, einer Galionsfigur der „Neuen Rechten“. Andere Bücher ließ er dagegen beim angesehenen Münchner Verlag Langen Müller verlegen.
Die „Zeit“ brachte ihn mit den Möchtegern-Putschisten um Prinz Reuß in Verbindung, nachdem die Polizei die Wohnung Kralls durchsucht hatte. Er habe sich mit Reuß einige Male getroffen, räumte Krall ein, die Ermittlungen gegen ihn seien aber gegenstandslos gewesen. Die Berichte in der „Zeit“ bezeichnete er via „Twitter“ als „Bullshit“. Für persönliche Anfragen war Krall übrigens nicht zu erreichen.
Nun ist Markus Krall also in Tuntenhausen. Eingeladen hat ihn Wolfgang Heibler von der „Initiative Tuntenhausen“. Der Krall, der denke anders als der „Mainstream“, sagt Heibler dem OVB. Es liege doch auf der Hand, dass die Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank der vergangenen zehn Jahre ein Irrweg sei, „da muss doch Schluss sein“. Und als Redner, der dieses Missbehagen zu formulieren in der Lage sei, habe man eben Markus Krall eingeladen. „Man“ das sind laut Mail die Initiative „Wir stehen zusammen“ und die „Initiative Tuntenhausen“.
„Wir stehen zusammen“ machte auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie mit scharfer Kritik an den Corona-Maßnahmen des Freistaats und des Bundes von sich reden. Gebildet hatte sich die lose Gruppe aus Unternehmerkreisen heraus. Nachdem im Frühjahr 2021 im Telegram-Kanal der Gruppe ein Hetz-Post aufgetaucht war, den man nur noch als Mordaufruf gegen den CSU-Politiker Alexander Radwan verstehen konnte, wurde es still um die Initiative. Verschiedene Wortführer der Gruppe hatten sich schockiert über den Post geäußert. Für Nachfragen wegen des Vortrags von Markus Krall war unter den im Impressum angegebenen Nummern niemand zu erreichen.
Theorien über den
„Great Reset“
Veranstalter zu sein, beansprucht aber auch „Rosenheim steht auf“, eine Initiative, die nach eigenen Worten aus der Querdenker-Szene während der Corona-Pandemie heraus entstanden ist. Im Juni hatte „Rosenheim steht auf“ bereits den höchst umstrittenen ehemaligen Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen nach Bad Aibling eingeladen. Eine Veranstaltung, die schon im Voraus Entrüstung auslöste. „Rosenheim steht auf“ bedient sich darüber hinaus bekannter Verschwörungstheorien.
„Die sogenannte Pandemie“ sei „Mittel und Höhepunkt einer von einer globalen Machtgruppe betriebenen weltweiten Manipulations- und Kontrollagenda (Great Reset)“, so steht es im Internet-Auftritt der Querdenker zu lesen.
Der Begriff „Great Reset“ stammt vom Weltwirtschaftsforum in Davos und bezeichnet die Wiederaufbaupläne für die Wirtschaft nach der globalen Pandemie. Bei Verschwörungstheoretikern ist „Great Reset“ ein Weltherrschaftsplan.
Auch hinter den aktuellen Krisen wittert die Gruppe Verdächtiges. Es gehe in Kralls Vortrag um Corona, Frühsexualisierung, Migration, um Geld und vieles mehr. „Alles brandaktuelle gesellschaftliche Themen, ganz besonders die Inflation mit weitreichenden finanzpolitischen Methoden wird zu großflächiger Verarmung der Bevölkerung führen“, versichert ein Unbekannter auf der Querdenker-Seite. Um dann absichtsvoll zu fragen, ob das Zufall sei oder eben doch geplant.
Krall verdient Geld
mit Schwarzmalerei
Bekannt wurde Krall 2017 mit „Der Draghi-Crash“. Das Buch verkaufte sich gut – sein Verfallsdatum aber trug es bereits in sich. 2019, spätestens 2020, sollte das internationale Finanzsystem zusammenbrechen. Eingetreten sei das nie, befindet Autor Hans Demmel. Der aus Rosenheim stammende Journalist, der sich als Beobachter der weit rechten Szene einen Namen machte, sieht in Krall als bekannten Namen in einem obskuren Kreis. „Mit seinen düsteren wirtschaftspolitischen Vorhersagen gehört er zu einer Reihe von Untergangspropheten wie Marc Faber, Dirk Müller oder Max Otte“, sagt Demmel.
Vor allem Otte ist ebenfalls einen zweiten Blick wert. Der Ökonom flog 2019 aus der CDU, nachdem eine Äußerung Ottes über den Mord an dem Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke Empörung ausgelöst hatte. Otte war offenbar bereits im Februar in Tuntenhausen zu Gast.
Wirt Hans Schmid sieht in den Einladungen durch die „Initiative Tuntenhausen“ kein Problem. „Ich kenne Markus Krall so gut wie gar nicht“, sagt er. „Ich bin Wirt und muss ab und zu auch mal einen vollen Saal haben, um über die Runden zu kommen.“ Und was sei davon schon zu befürchten? „Ich finde es nicht gut, dass man in eine rechtsextreme Ecke gestellt wird, bevor einen die Leute überhaupt angehört haben.“ Da ist Extremismus-Kenner Demmel anderer Meinung. „Krall hat sich seit seinem Ende bei der Degussa nochmals radikalisiert.“ Er habe gefordert, Empfängern von Transferleistungen das Wahlrecht zu entziehen. „Seine zahllosen Einlassungen auf X (vormals Twitter) lassen sich beim besten Willen mit keinem anderen Wort als rechte Hetze beschreiben.“