Aschau – „Von unserer Küche aus können wir die Kampenwand sehen“, sagt Stefan Barnhusen (35), „wirklich schön.“ Schon mal oben gewesen? Barnhusen schüttelt den Kopf und zuckt mit den Schultern. „Ich hatte noch keine Zeit.“
In einer Küche gibt es immer viel zu tun, ganz besonders aber in dieser: Barnhusen ist der eine Teil der Doppelspitze, die nunmehr den Kurs in der Küche der Residenz Heinz Winkler angibt. Der andere Chef heißt Daniel Pape (42). Gäste sprechen bereits von einem kongenialen Gespann, würdig, die Residenz nach dem Tod von Heinz Winkler zu leiten.
Ritterschlag von
Eckart Witzigmann
Angefangen haben die beiden im Mai. Als Chefs präsentieren wollte Geschäftsführerin Marianne Lauber die beiden aber noch nicht. Es habe einiges zu regeln gegeben, hieß es. Zudem sollten die beiden erst mal zu sich kommen, ihren Rhythmus finden und vor allem ihr Team formieren, sagt Lauber dem OVB im Exklusiv-Termin. „Es war keine leichte Zeit“, sagt Lauber. Nun scheint aber alles klar zu sein für eine neue Ära. Auch wenn Barnhusen sagt, dass das Team noch ausgebaut werden müsse.
Den Ritterschlag für die Doppelspitze gab es übrigens vom Jahrhundert-Koch: Eckart Witzigmann kam persönlich in die Residenz, um den neuen Küchenchefs der Residenz Heinz Winkler viel Glück für ihre neue Aufgabe zu wünschen.
Glück schadet nie, über Können verfügen die beiden reichlich. Eine Kostprobe gefällig? Dem Reporter wurde serviert. Und zwar das Begrüßungs-Menü. Das heißt so, weil die Residenz damit auch ihre beiden neuen Chefs begrüßen möchte. Auf „gut“ hatte man sich eingestellt. Aber es ist mehr: nicht viele Zutaten, aber eben erlesene, mit Eigengeschmack. Im Zusammenspiel, dessen Farbe – wie bei Meister Heinz Winkler selbst – die Sauce vorgibt. Überraschend, aber nie schroff, nuancenreich, aber nicht überkandidelt. Im Endergebnis so was wie ein Abend unter Freunden: Man wird bestens unterhalten, nicht aber zugetextet.
Kulinarische
Kammermusik
Als Beispiel für diesen Stil möge der Blumenkohl dienen. Blumenkohl? Das war doch mal das Arme-Leute- Gemüse, dessen schwerer Geruch die Treppenhäuser in Mietskasernen durchwaberte. Hier, in der Residenz Heinz Winkler, hat der Kohl seine Schwere verloren und verwöhnt den Gaumen stattdessen mit nussigen Aromen. In der Komposition, die Stefan Barnhusen und Daniel Pape geschaffen haben, ist er ein Akzent, oder besser: ein Akkord. Mit der gegrillten Hamachi-Makrele und dem leicht geräucherten Arroz-Bomba-Reis harmoniert der Blumenkohl perfekt. Am Ende ist das Menü ein Stück köstlicher kulinarischer Kammermusik. In sechs Gängen. Oder Sätzen, wenn man im Bild bleiben will.
Im April verlor die
Residenz ihre Sterne
Die Residenz Heinz Winkler kann Impulse gebrauchen. Sie wurde nach ihrer Eröffnung 1991 schnell so etwas wie ein Leuchtturm der Region. Aschau im Chiemgau war für Gourmets eine der Topadressen in Deutschland. Weil es eben nicht so viele Orte gibt, an denen sich landschaftliche Schönheit und exquisite Küche so sinnberauschend zusammentaten. Zwei Sterne vergab der Michelin-Führer an das Aschauer Gourmet-Restaurant. Doch dann, im Oktober 2022, starb Heinz Winkler überraschend. Als im April der neue Guide Michelin erschien, gab es einen Schock für Aschau: Die Residenz verlor ihre Sterne.
Diese Sterne wiederzuholen: Für die beiden neuen Chefs ist das von untergeordneter Bedeutung. Sagen sie zumindest. „Wir wollen uns ohnehin immer verbessern“, sagt Daniel Pape, unabhängig von Auszeichnungen. „Wichtig ist einfach, dass die Gäste glücklich sind“, sagt Stefan Barnhusen. Und dass die Residenz wirtschaftlich läuft.
Doch das Zeug zum Sternen-Stürmer haben die beiden Spitzenköche allemal. Stefan Barnhusen kommt aus München, wo er mit seinem Team einen Stern für das Mountain Hub Gourmet am Flughafen erkocht hatte. Er blickt auf Stationen wie das Restaurant „Überfahrt“ bei Christian Jürgens, das „Bareiss“ bei Claus-Peter Lumpp und das „Gästehaus Klaus Erfort“ bei Klaus Erfort zurück.
Daniel Pape kochte ebenfalls im Restaurant „Überfahrt“ bei Christian Jürgens, im „Vendome“ bei Joachim Wissler und im „La Vie“ bei Thomas Bühner. Auch Pape holte einen Stern: Er war der Küchenchef, der das „Da Vinci“ in Koblenz auf den Radar der Michelin-Tester brachte.
Kennengelernt haben sich Barnhusen und Pape vor 13, 14 Jahren, in der „Überfahrt“. „Wir passen einfach gut zusammen“, meint Pape. „Die Leute können oft nicht sagen, wer von uns beiden welchen Gang zubereitet hat“, sagt Barnhusen. Obwohl beide auf die eigene Note pochen.
Die Region weist mittlerweile mehrere Sterne-Lokale auf. Kehrt die Residenz in den erlauchten Kreis zurück? Das Michelin-Urteil von 2023 ist jedenfalls keine schroffe Absage. Er klingt eher, als würde der Guide einfach abwarten. Nach Winklers plötzlichem Tod, so heißt es über die Residenz, „möchte man das bewährte Konzept fortsetzen: eine klassisch geprägte Küche, die auch moderne Akzente einbezieht und auf hervorragenden Produkten basiert. Das Angebot umfasst Menüs sowie Gerichte à la carte und lässt auch die Winkler-Klassiker nicht vermissen, die die Gäste ebenso schätzen wie das venezianisch-elegante Ambiente. Sehr gut die Weinkarte, freundlich der Service“.
„Verbiegen können
wir uns nicht“
Hört sich an, als wollten die Michelin-Tester 2024 herausfinden, ob die beiden Neuen lediglich in Heinz Winklers Fußstapfen schreiten oder ob sie neue Wege beschreiten. Was die eigene Handschrift betrifft, haben sie dazu eine klare Meinung. Man wolle das Lokal in Heinz Winklers Sinne weiterführen. Doch einfach weitermachen wie er, „das geht nicht“, sagt Stefan Barnhusen. „Verbiegen können wir uns nicht“, sagt Daniel Pape. Jahrhundert-Koch Witzigmann hatte den beiden Ähnliches mit auf den Weg gegeben. „Versucht nicht einfach, die Fußstapfen zu füllen“, sagte er bei seinem Besuch, „sondern setzt auch eigene Akzente, um die Küche von Heinz zu repräsentieren.“