Traunstein – Es ist kein Fall wie viele andere, da sind sich die meisten Beteiligten einig. Die Tragödie um Hanna wühlt die Menschen in Aschau im Chiemgau noch immer auf.
Die Polizei betonte, wie kompliziert die Nachforschungen gewesen seien. „Unglaublich umfangreich“ seien die Ermittlungen gewesen, „exorbitant“ der Aufwand. So sagte es Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums.
Mehr als 60 Zeugen
sollen aussagen
In einem solchen Fall will sich niemand Lässigkeit vorwerfen lassen. Man wolle sichergehen können, dass man alles Menschenmögliche getan habe. So sagte es die Polizei kurz vor dem Abschluss ihrer Ermittlungen.
Eine Sorgfalt, die sich nun auch an den Dimensionen des Prozesses ablesen lässt: Vorerst rechnet das Landgericht mit 27 Verhandlungstagen. Am ersten Tag wird lediglich die Anklageschrift verlesen. Weil der Angeklagte zum Zeitpunkt seiner Festnahme „zwischen 18 und 21 Jahre“ alt war – so lauteten die Angaben der Polizei –, muss er sich vor der zweiten Jugendkammer verantworten. Und zwar wegen Mordes aus Heimtücke.
Fürs Erste ist der Prozess bis zum 22. Dezember angesetzt. Bis dahin sollen 60 Zeugen und sechs Sachverständige vernommen werden. Die hohe Zahl der Zeugen lässt darauf schließen, dass es keinen Augenzeugen der Tat gibt.
Bekannt ist, dass Hanna am Morgen des 3. Oktober 2022 gegen halb drei den Club „Eiskeller“ verließ und sich auf den Weg zu ihrem Elternhaus machte. Auf dem Weg soll sie dem Heranwachsenden begegnet sein, der sie laut Anklage mit einem stumpfen Gegenstand bewusstlos schlug und sie dann in den damals reißenden Bärbach am Rande des Parkplatzes der Kampenwand-Bahn warf. Sie ertrank und wurde vom Hochwasser führenden Bärbach in die Prien getragen. Ihr Körper wurde zwölf Stunden später von einem Spaziergänger im Wasser entdeckt, über zehn Kilometer vom mutmaßlichen Tatort entfernt.
Was hat den Täter
zur Tat bewegt
Wie es zu der Begegnung kam, was dem Beschuldigten in den Sinn gekommen sein mag, das gilt es während der nächsten Wochen zu klären. Die Polizei betonte, dass es darauf ankomme, aus den Aussagen möglichst vieler Zeugen so etwas wie das Drehbuch des Abends zu rekonstruieren. Weil es den einen zwingenden Beweis wohl nicht gibt. Und auch kein Geständnis. Der 21-Jährige, der nun seit elf Monaten in Traunstein in Untersuchungshaft sitzt, hat sich nie geäußert. Lässt die Rekonstruktion der Nacht den Schluss zu, dass der junge Mann nicht nur verdächtig, sondern tatsächlich schuldig ist? Und wenn ja: War es Mord, so wie vom Staatsanwalt formuliert?
Das Interesse an dem Fall ist groß. Wie viele Anfragen sie in den vergangenen Wochen erhalten hat, darüber konnte Andrea Titz, Vizepräsidentin des Landgerichts Traunstein, keine Angaben machen. „Ich habe nicht mitgezählt“, sagt sie. Bislang scheint es keine Vorkehrungen gegen zu hohen Andrang von Besuchern und Medien zu geben. Was Richterin Jacqueline Aßbichler mit einer Sicherheitsverfügung ändern kann. Sie kann als Vorsitzende des Verfahrens eine Akkreditierungspflicht aussprechen.
Die Verhandlung wird nach Einschätzung von Andrea Titz wohl öffentlich geführt werden. „Es sind zahlreiche Gründe gesetzlich geregelt, warum die Öffentlichkeit während einzelner Verfahrensteile ausgeschlossen werden kann.“ Dazu zähle der Ausschluss zum Schutz der Privatsphäre eines Verfahrensbeteiligten oder Zeugen. Praktisch jeder Prozessbeteiligte vom Angeklagten bis zum Zeugen kann verlangen, hinter verschlossenen Türen gehört zu werden. Aber auch Verteidiger Harald Baumgärtl geht von einer öffentlichen Verhandlung aus. „Die Hürden für den Ausschluss sind schon hoch“, sagt er.
Besonderer Fall
auch für die Anwälte
Auch für die Anwälte ist der Fall ein besonderer. „Das dürfte eines der umfangreichsten Verfahren sein, das Traunstein je erlebt hat“, sagt Baumgärtl. Wie kompliziert der Fall liege, erkenne man schon an den vielen Tagen, die für die Verhandlung angesetzt sind, und an der „hohen Zahl“ von Zeugen. Auch Nebenkläger-Vertreter Walter Holderle spricht von einem sehr ungewöhnlichen Fall. Weit über 20000 Seiten Ermittlungsakten belegten, wie akribisch die Polizei nach dem Täter gesucht habe.