Eine „Super-Beziehung“

von Redaktion

Landgericht Traunstein beleuchtet Leben der Rosenheimer Kindsmutter

Traunstein/Rosenheim – Mehr über die 27-jährige Filialleiterin, die ihr wenige Stunden altes Baby am Morgen des 9. März 2023 in einem Hinterhof in Rosenheim ausgesetzt hatte (wir berichteten), versucht die Siebte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune mithilfe von Zeugen zu erfahren. Die Frau selbst schweigt in dem Prozess, gestand aber über ihren Verteidiger die Tat bereits ein. Der Prozess geht am 9. und 11. Oktober, jeweils um 9.15 Uhr, weiter. Der Staatsanwalt lastet der 27-Jährigen Aussetzung und gefährliche Körperverletzung an.

„Über ein Kind hätte ich mich wahnsinnig gefreut, auch meine Mutter. Wir reden jeden Tag darüber“, meinte gestern der leibliche Vater des Findelkinds. Der Fachverkäufer hat mittlerweile das Sorgerecht für das inzwischen sieben Monate alte Mädchen, das nach seinen Worten „pumperlgesund“ ist. Seit April kümmert sich der 25-Jährige, der auch Elternzeit nahm, mit seiner Mutter und seiner Oma um seine Tochter.

Das Paar hatte sich 2015 beim Faschingsball eines Burschenvereins kennengelernt. 2021 wurde daraus eine „ganz normale“ Beziehung. Jeder hatte seine eigene Wohnung. Ihre völlig verwahrloste und vermüllte Wohnung hatte er nie betreten. Dazu der Zeuge: „Als ich beim Ausräumen der Räume geholfen habe, hat mich beinahe der Schlag getroffen.“

In eben dieser Wohnung hatte die Angeklagte das Baby in der Nacht zum 9. März 2023 unter unhygienischen Umständen allein zur Welt gebracht.

Der 25-Jährige versicherte, nie etwas von der Schwangerschaft bemerkt zu haben. Sie habe immer weite Pullover getragen. Gedacht habe er sich dabei nichts, sei es doch Winter gewesen.

Die Vorsitzende Richterin hakte nach: „Man entledigt sich doch der Kleidung?“ Der Zeuge antwortete: „Da ist mir auch nichts aufgefallen. Sie hatte T-Shirts an.“ Am Tag vor der Geburt noch habe man sich getroffen. Sie habe etwas von „Knieproblemen“ erzählt.

In der Zeit zwischen Geburt und Festnahme eine Woche später habe sie von einem Arztbesuch gesprochen: „Sie hat sich aufgebläht gefühlt, jetzt nicht mehr.“

Dass seine Freundin vorher binnen zwei Jahren zwei Kinder geboren und zur Adoption freigegeben hatte, auch davon ahnte der 25-Jährige nichts. „Wenn sie zwei Kinder gehabt hätte – das wäre für mich ebenso o.k. gewesen“, betonte er gestern im Zeugenstand.

Die Prozessbeteiligten, darunter Staatsanwalt Wolfgang Fiedler und Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim, hatten viele Fragen zu dem Verhältnis zwischen dem Paar. Der 25-Jährige sprach von einer „Super-Beziehung“. Zumeist habe man über die Arbeit geredet, überhaupt nicht über Gefühle, Familienplanung oder Kinder. Seine Freundin sei „immer gut drauf“ gewesen, kontaktfreudig, hatte mit allen Leuten „Gaudi“, informierte der 25-Jährige. Aus heutigem Blickwinkel sehe er sie so: „Sie hat mich von Anfang an belogen.“ In der Untersuchungshaft habe er sie ein paar Mal besucht, auch mit dem Kind. Man habe sich Briefe geschrieben. Einmal habe sie erwähnt, sie habe nichts über die Schwangerschaft gesagt – „weil sie Angst hatte, ich würde die Beziehung beenden“. Zuletzt habe sie aber Briefe nicht mehr beantwortet. „Haben Sie Zukunftspläne?“, erkundigte sich die Vorsitzende Richterin. Der Mann erwiderte: „Aktuell nicht. Man muss abwarten. Ich plane gar nichts, nehme es, wie es kommt.“

Unter den gestrigen Zeugen war ein Bruder der Angeklagten, der schilderte, seine Schwester habe „in einer Blase gelebt“, keine Emotionen gezeigt und sich nur auf ihre Arbeit konzentriert.

Ein 30-jähriger Bekannter bezeichnete die Frau als ziel- und pflichtbewusst, offen, bei manchen Themen eher schweigsam. Die Schwangerschaft registrierte er gar nicht. Vor der Geburt am 9. März 2023 habe sie lediglich über „Schmerzen an Knie und Rücken“ geklagt. Sonst sei „alles gut“, habe sie erklärt.

Aus den Berichten von zwei Jugendämtern wurde deutlich: Es war der Angeklagten nicht egal, was aus den zur Adoption freigegebenen Kindern wurde.

Eine der Zeuginnen fügte mit Blick auf die Skepsis des Gerichts gegenüber den Aussagen der männlichen Zeugen an, Schwangerschaften gestalteten sich sehr unterschiedlich. Man könne manchmal gar nichts oder erst sehr spät wahrnehmen.

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