Tag eins im Eiskeller-Prozess

von Redaktion

Fall Hanna Tragische Details aus der Mordnacht kommen ans Licht

Traunstein/Aschau – Etwa 1,70 Meter groß, kräftig, kurze Haare, nach Monaten der Untersuchungshaft mit Neigung zum Doppelkinn: Sebastian T. (21) betrat den großen Saal des Landgerichts in Traunstein, ohne sein Gesicht hinter einem Ordner zu verbergen.

Dann setzte er sich auf den Anklageplatz, umlagert von Kamerateams und Fotografen, den Blick ins Leere gerichtet. Reglos, nur manchmal schluckend, hörte er Staatsanwalt Wolfgang Fiedler zu, der die Anklageschrift vorlas. Demnach hat der heute 21-Jährige die 23-jährige Hanna W. am frühen Morgen des 3. Oktobers 2022 in Hohenaschau heimtückisch ermordet.

„Extreme Belastung“
für die Eltern im Saal

Sebastian T. habe die nichts ahnende Medizinstudentin aus „sexuell motivierten Gründen“ von hinten angegriffen, zu Boden gebracht, mindestens fünfmal mit einem stumpfen Gegenstand auf ihren Kopf eingeschlagen, sie stranguliert, die Bewusstlose in den Bärbach am Rande des Parkplatzes der Kampenwand-Bahn geworfen. Dort sei sie Minuten später ertrunken.

Das trug der Staatsanwalt vor. Hannas Eltern folgten der Ausführung sichtlich betroffen. Rechtsanwalt Walter Holderle, der Vertreter der Nebenkläger, sprach gegenüber Medien von einer „extremen Belastung“.

Hanna versuchte,
zuhause anzurufen

Ein Ermittler gab außerdem zum Auftakt des Prozesses Einblicke in die Ermittlungen. Mit tragischen Details. So muss Hanna kurz vor ihrem Tod vergeblich versucht haben, ihre Eltern anzurufen. Das Handy, das Monate nach der Tat an Pfingsten 2023 in der Prien gefunden worden war, habe den Anrufversuch um 2.32 Uhr festgehalten. Sekunden später sei das GPS-Signal des Geräts verschwommen. Für die Gutachter ein Hinweis, dass sich das Handy ab da im Wasser befand. Der Ermittler berichtete außerdem von einer Zeugin, die etwa zu diesem Zeitpunkt einen Schrei in Todespanik vernommen habe.

Club-Besuch ein
unglücklicher Zufall

Hätte Hanna ihren ursprünglichen Plan verfolgt, wäre sie an jenem Tag gar nicht mehr in Aschau gewesen. Auch das teilte der Ermittler mit. Hanna studierte in Cluj (Rumänien) Medizin, die Rückreise aus den Semesterferien habe sie nur wegen der Feier einer Freundin verschoben. Und eigentlich hätte sie beim Heimweg einen Begleiter haben sollen. Der Bekannte sei kurz vorm Ausgang aber nochmals umgekehrt, um sich von Freunden im Club zu verabschieden.

Ohne seine Rückkehr abzuwarten, machte sich Hanna auf den Heimweg. Allein. Ihr Zuhause erreichte sie nicht mehr. Am Nachmittag desselben Tages wurde ihr lebloser Körper von einem Spaziergänger in der Prien entdeckt. Bärbach und Prien führten nach einem Starkregen deutlich mehr Wasser als normal. Hannas lebloser Körper wurde daher über Kilometer mitgerissen, Jacke und Hose gingen dabei verloren. Es seien keinerlei Anzeichen für ein Sexualdelikt festgestellt worden, teilte der Polizeibeamte noch mit.

Viele Einzelheiten
sind noch unklar

Minutiös schildert die Anklageschrift einige der Einzelheiten. Etwa die „circa 885 Meter“ zwischen dem Club „Eiskeller“ und Hannas Zuhause. Oder Uhrzeiten: einige Minuten habe sie sich im Eingangsbereich des „Eiskeller“ aufgehalten, um 2:27 Uhr allein auf den Weg gemacht, sie sei gegen 2.28 Uhr nach rechts auf die Kampenwandstraße abgebogen. Um 14.26 Uhr am selben Tag sei ihre Leiche in der Prien entdeckt worden.

Richterin spricht
von einem Puzzle

Während diese Fakten offenbar eindeutig und präzis zu belegen sind, scheint vieles andere offen. Viele entscheidende Fragen werden erst im Verlauf des Prozesses beantwortet werden können, der auf 28 Tage veranschlagt ist.

Die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler, die sich Mühe gab, dem Angeklagten die Besonderheit des bevorstehenden Prozesses zu erklären, sprach von einem aufwendigen „Indizienprozess“, einem Verfahren wie ein „Puzzle“.

Das zusammenzusetzen, dabei soll auch eine Reihe von Gutachtern helfen. Bereits in den nächsten Verhandlungstagen dürfte offenbar werden, warum die Polizei ihre Aufmerksamkeit schließlich mehr und mehr auf Sebastian T. richtete. Der war zunächst lediglich als Zeuge gesucht worden, nachdem drei andere Zeugen einen Jogger in der Nähe von Eiskeller und des Parkplatzes der Kampenwand gesehen hatten. Sebastian T.s Mutter hatte sich auf den Zeugenaufruf hin bei der Polizei gemeldet und gesagt, dass es sich bei dem Jogger um ihren Sohn handeln könne. Sebastian T. sagte aus, dass er nicht schlafen konnte und deswegen joggen gegangen sei. Erst Wochen später nahm ihn die Polizei als dringend Tatverdächtigen fest.

Laut Ermittler kontaktierte die Polizei im Laufe ihrer Ermittlungen 2201 Menschen, sie führte 1317 Vernehmungen durch, gab 1498 Ermittlungsaufträge aus. Diese Zahlen beleuchten den Aufwand, den die Soko „Club“ leistete. Deren Leiter Hans-Peter Butz war an Tag eins anwesend und folgte den Ausführungen hoch konzentriert. Ein Indiz dafür, wie nahe den Beamten der Polizei die Ermittlungsarbeit ging.

Mutter und Vater
sprechen heute

Am heutigen Freitag, dem zweiten Prozesstag, sollen Hannas Eltern zu Wort kommen. Anders die Eltern des Angeklagten und eine seiner Schwestern; wie der Angeklagte selbst kündigten sie am Donnerstag an, sich nicht zum Fall zu äußern. Für den zweiten Verhandlungstag ist außerdem ein Bericht der Polizei über die Durchsuchungen von Zimmer und Auto von Sebastian T. vorgesehen.

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