Verriet sich Sebastian T. selbst?

von Redaktion

Noch ist unklar, wie die Polizei dem Verdächtigen auf die Spur kam

Traunstein – Mit einem Puzzle hatte die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler den auf 28 Verhandlungstage anberaumten Prozess um den Mord an Hanna W. verglichen. Diese Woche könnte ein wichtiges Teil dazukommen: Womöglich wird bekannt, wie die Polizei ihrem dringend Tatverdächtigen auf die Spur kam.

Die Polizei sprach von
Aussagen von Zeugen

Die Polizei hatte den heute 21-jährigen Sebastian T. am 18. November 2022 festgenommen, rund sechs Wochen nach der Tat am 3. Oktober. Die Polizei berief sich nach der Festnahme auf Aussagen von Zeugen. Sie meldeten der Polizei womöglich verräterische Aussagen von Sebastian T.

Eine persönliche Verbindung des Angeklagten zu Hanna scheint es jedenfalls nicht gegeben zu haben. Sie könne „definitiv ausschließen“, dass sich die beiden gekannt hätten. Lediglich die Mutter des Angeklagten sei ihr vom Sehen her bekannt gewesen, sagte Hannas Mutter am Freitag aus.

Zunächst hatten Zeugen ausgesagt, die in der Tatnacht einen Jogger gesehen hatten. Dieser Sportler war in unmittelbarer Nähe zum Club „Eiskeller“ und dem mutmaßlichen Tatort am Parkplatz der Kampenwandbahn gelaufen. Daraufhin rief die Polizei den Jogger auf, sich zu melden. Und zwar ebenfalls als Zeuge.

Es meldete sich schließlich die Mutter des mittlerweile angeklagten Sebastian T. Sie rief am 20. Oktober 2022 nach einem Aufruf der Ermittler über die Medien bei der Polizei an. Es könne, so meinte sie, sich bei dem nächtlichen Sportler um ihren Sohn gehandelt haben. Die Polizei lud den damals 20-Jährigen ins Präsidium an der Kaiserstraße in Rosenheim vor. Die Mutter war wohl kaum davon ausgegangen, dass ihr Sohn möglicherweise in die Tat verwickelt gewesen sein könnte. Ebenso wie bei den ersten Vernehmungen der Polizei. Allerdings wirkte Sebastian T. da nicht eben souverän. „Nervös“, dazu in sich gekehrt, zusammengekauert, auffällig blass sei der heute 21-Jährige gewesen, als er auf seine erste Vernehmung gewartet habe. Dies sagte am Freitag im Landgericht Traunstein die Beamtin, die im Herbst vergangenen Jahres die Aussagen von Sebastian T. aufgenommen hat.

Als Zeuge habe er dann aber einen eifrigen Eindruck gemacht. „Er hat sich bemüht“, sagte eine Polizeibeamtin vor Gericht. Dabei scheinen fragwürdige Details in seiner Schilderung – ein angebliches Training für einen Halbmarathon, aber eine unrealistisch schlechte Laufzeit – die Polizei seinerzeit nicht alarmiert zu haben.

Auch lieferte Sebastian T. unterschiedliche, einander widersprechende Beweggründe, warum ihn seine nächtliche Tour über den Parkplatz an der Festhalle führte. Aber das machte die Beamten bei der Vernehmung vorerst offenbar nicht stutzig.

Täterwissen
preisgegeben?

Was dazu führte, dass aus dem Zeugen dann drei Wochen nach seiner ersten Aussage doch ein dringend Tatverdächtiger wurde, dürfte sich nächste Woche klären. Hatte Sebastian T. Details preisgegeben, die nach Ansicht der Ermittler nur ein Täter wissen konnte? Das würde erklären, dass die Polizei nach neuen Zeugenaussagen auf Sebastian T. zurückkam. Rechtsanwalt Walter Holderle, Vertreter der Familie von Hanna, kündigte jedenfalls für kommende Woche einen aufschlussreichen Verhandlungstag an. Denn am Donnerstag, 19. Oktober, kommt eine Bekannte Sebastian T.s zu Wort, die sich über eine Unterhaltung mit dem Angeklagten äußern könnte. Zuvor äußern sich Mutter und Schwester der Zeugin. „Das wird interessant“, sagte Holderle.

Dass sich Sebastian T. wohl durch die Preisgabe von Täterwissen verriet, scheint wahrscheinlich. Offenbar war sich die Polizei nach entsprechenden Hinweisen der Zeugen dann auch sehr schnell sicher, den Richtigen gefunden zu haben. Ein Ermittler berichtete von der Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten im Hause seiner Eltern noch am Tag seiner Festnahme in Rosenheim.

Es sei sehr unordentlich gewesen, sagte der Beamte. Im Chaos des Zimmers fanden die Beamten aber offenbar viele Spuren. So erwähnte der Ermittler Taschentücher „mit Blutantragungen“ und den Fund eines langen Haares. Wem die Spurensicherung diese Funde zuordnen konnte, werden allerdings auch erst die weiteren Verhandlungstage zeigen.

Überall schmutzige Klamotten und Unordnung: Die Details aus dem Durchsuchungsbericht verstärkten im Übrigen den Eindruck eines Menschen, der die Kontrolle über sein Leben zu verlieren drohte. Richterin Jacqueline Aßbichler sah sich die Fotos nochmals an, die von Sebastian T. in Jogger-Kluft gemacht worden waren, im Oktober 2022, als er als Zeuge aussagte. „Ein bisserl verwahrlost sieht er aus“, sagte Aßbichler. „Er sieht da fertig aus.“ 

Kaum
Reaktionen

Bei der Schilderung der Unordnung in seinem Zimmer und anderer Details kratzte sich der Angeklagte am rechten Ohr und barg das Kinn in der Armbeuge. Es war eine der wenigen deutlichere Reaktionen Sebastian T.s auf das Geschehen im Landgericht. Bei den Schilderungen der Eltern und des Bruders des Opfers hatte er starr vor sich hingeblickt. Auch am zweiten Prozesstag äußerte er sich nicht zum Geschehen am 3. Oktober 2022.

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