Blick auf eine „komische Mischung“

von Redaktion

Noch ist das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ein Verein. Aber Anfang 2024 soll daraus eine neue Partei entstehen. Über deren Potenzial herrscht Ungewissheit. Das sagen heimische Politiker über eventuelle Auswirkungen auf Bayern und die Region.

Andreas Winhart (AfD) sieht in der neuen Partei keine Konkurrenz. Foto re

Sebastian Friesinger (CSU) glaubt nicht an Erfolge der neuen Partei. Foto CSU

Sepp Parzinger (SPD) sieht eine neue Protestpartei als Ziel. Foto Brix

Ates Gürpinar (Linke) ist vom Austritt wenig überrascht. Foto Mirgeler

Rosenheim und Traunstein – Am vergangenen Montag, 23. Oktober, kam es zu einem Beben innerhalb der Partei Die Linke: Sahra Wagenknecht trat, gemeinsam mit neun weiteren Bundestagsabgeordneten, aus der Partei aus. Der von ihr neu gegründete Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ist dabei nur der erste Schritt hin zu einer neuen Partei, die Anfang 2024 gebildet werden soll. 

Eine „Unverschämtheit“ der ehemaligen Galionsfigur der Linken, aber auch „nicht weiter überraschend“: So schätzt Ates Gürpinar den Austritt von Sahra Wagenknecht aus der Partei Die Linke mit dem Ziel der Gründung einer neuen Partei ein. Bei dem Manöver handelt es sich nach Meinung des Rosenheimer Linke-Bundestagsabgeordneten um einen Versuch, den „Rechtsruck“ mitzunehmen, der sich nicht zuletzt bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern abgebildet habe.

Für Die Linke selbst sei die Abwanderung von Wagenknecht und ihren Getreuen ein Problem, aber auch eine Chance, findet Gürpinar. Nun herrsche Klarheit, Die Linke könne sich von personellen Grabenkämpfen ab- und inhaltlichen Fragen zuwenden. „Die destruktiven Diskussionen sollten hinter uns liegen“, sagt Gürpinar, „nun können wir zu konstruktiven Auseinandersetzungen übergehen.“ Man müsse jetzt darangehen, sich glaubhaft als „soziale und solidarische Alternative“ darzustellen.

Der Name „Bündnis Sahra Wagenknecht“ lasse auf der anderen Seite erahnen, wer die Politik vorgebe und wie wenig es um demokratischen Diskurs gehe. „Sahra Wagenknecht konstruiert sich eine Plattform, von der aus sie ihre Bücher verkaufen kann“, sagt der Rosenheimer Abgeordnete. Wähler gewinnen werde sie mit ihren ordoliberalen Konzepten „aus der Zeit von Ludwig Erhard“ eher bei den Konservativen, mit der Schuldsuche bei Geflüchteten auch von der AfD. „Darüber hinaus stimmen ja auch gewisse inhaltliche Bezüge“, sagt Gürpinar.

Dass jedoch die Abwanderung vieler Linker zum linken Flügel der SPD folgen könnte, glaubt er nicht. Eine der ersten Aufgaben, die sich Die Linke im Bundestag nun vornehmen werde: Es gelte sich zu überlegen, was aus den Mitarbeitern der Fraktion werde, wenn Wagenknecht das Mandat nicht abgibt.

„Wir haben schon jetzt eine irrelevante Linkspartei in Bayern“, sagt Sepp Parzinger, der für die SPD im Stimmkreis Traunstein für die Landtagswahl angetreten war. Er glaubt nicht, dass die künftige Partei jetzt schon einzuordnen ist, es sei aber keine Linkspartei. „Im Parteiprogramm sind soziale Themen zu erkennen, aber die sind verbunden mit einem Menschenbild, das dem der AfD ähnelt.“

Parteien, die nur auf eine Person zugeschnitten sind, wie es in der Vergangenheit schon öfter der Fall war, würden zu Konflikten und Skandalen führen. „Das Ziel ist eine Protestpartei. Ich habe Wagenknechts Buch ‚Die Selbstgerechten‘ gelesen. Da geht es auch darum, mögliche Protestwähler abzuholen“, sagt Parzinger. Ein großes politisches Potenzial sieht er in der neuen Partei nicht.

Sebastian Friesinger von der CSU sieht in der neuen Partei eine schwierige Entwicklung, zu der zum jetzigen Zeitpunkt bisher nicht viel zu sagen ist. „Die Linke bildet in Bayern nicht die große Masse. Die werden es bei uns in der Region schwer haben.“ An einen möglichen Einzug in den bayerischen Landtag glaubt er nicht, dort gebe es die Fünf-Prozent-Hürde, an der auch schon Die Linke gescheitert war. Im oberbayerischen Bezirkstag wiederum sehe die Sache anders aus, dort gibt es für die Parteien keine Hürde. Friesinger war selbst 15 Jahre lang Abgeordneter im Bezirkstag. „Da gibt es jetzt schon 13 verschiedene Parteien und das ist jetzt schon schwierig.“

Gisela Sengl aus dem Wahlkreis Traunstein saß zehn Jahre lang im bayerischen Landtag. Sie glaubt nicht, dass die Partei hier eine Rolle spielen wird. „In der Region auf keinen Fall, und auch in Bayern nicht“, da ist sie sich sicher. Sengl hat auch eine klare Meinung zur Person Wagenknecht. „Von der neuen Partei halte ich nicht viel, ich bin auch ein totaler Gegner von Sahra Wagenknecht wegen ihrer Russlandpolitik. Das ist menschenverachtend.“ In der bisherigen Zusammensetzung der kommenden Partei sieht sie eine „komische Mischung“ und hofft, dass ein paar „vernünftige Linke vielleicht einen Weg zurück in die SPD finden würden. Das würde ich gut finden.“ Man brauche eine vernünftige Politik mit vernünftigen Menschen und keine Schreihälse.

Andreas Winhart, Landtagsabgeordneter der AfD für Rosenheim-Ost, sieht in der künftigen neuen Partei keine Konkurrenz für die etablierten Parteien. „Ich glaube nicht, dass die Partei von Sahra Wagenknecht in Bayern relevant sein wird“, sagt er. Die Linke sei in Bayern nicht so stark vertreten wie im Osten Deutschlands oder im Saarland. „Die werden sich um zwei bis drei Prozent der Wählerstimmen bemühen, in ihrer Struktur entspricht die Partei der Linken. Das wird hier in Bayern nicht auf fruchtbaren Boden fallen.“ Auch an eine neue Protestpartei will er nicht glauben. Das linke Protestpotenzial sei bereits ausgeschöpft.

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