Ampfing/Rosenheim – Sieben Tote, darunter ein sechsjähriges Kind, und 16 Verletzte: Das war die schreckliche Bilanz des Unfalls, den ein Schleuser in den frühen Morgenstunden des Freitag, 13. Oktober, bei einer Fluchtfahrt auf der A94 nahe Ampfing verursachte.
Der 24-jährige Fahrer hatte bei viel zu hohem Tempo die Kontrolle über seinen vollkommen überbesetzten Transporter verloren. Darin eingepfercht: 22 Menschen aus der Türkei und aus Syrien. Viel zu viele für einen Wagen, der für höchstens neuen Menschen ausgelegt ist.
Todesopfer
wurden beigesetzt
Nun, zwei Wochen nach der Todesfahrt, kämpfen Überlebenden des Crashs noch immer mit den Folgen des Unfalls. Die 16 Verletzten, darunter der leichtverletzte Fahrer, waren in Krankenhäuser in weitem Umkreis gebracht worden, bis nach Regensburg und München. Zwar konnten die meisten Überlebenden das Krankenhaus mittlerweile verlassen oder stehen nach Angaben der Polizei kurz vor der Entlassung.
Einige der Geflüchteten aus der Türkei und Syrien werden jedoch nach wie vor behandelt. Bei drei schwerstverletzten Opfern des Unfalls sei unklar, „ob sie jemals wieder gesunden würden“, sagte Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Jedenfalls müsse bei ihnen mit einem längerfristigen Aufenthalt in der Klinik gerechnet werden. Einer dieser Menschen – er wird in München behandelt – befinde sich noch immer in einem „kritischen Zustand“, sagte Sonntag auf Anfrage des OVB. Ihre letzte Ruhestätte haben die sieben Toten des Unfalls gefunden, sie wurden mit einer Ausnahme in ihren Heimatländern beigesetzt.
Polizei ermittelt
mit hoher Intensität
Die Polizei geht derweil den Hintergründen des kriminellen Menschenhandels nach. Am Freitag, 13. Oktober, war einer Streife der Bundespolizei kurz nach drei Uhr ein Mercedes Vito aufgefallen, der mit hohem Tempo auf der A94 Richtung München unterwegs war. Der Fahrer habe nicht auf Versuche reagiert, ihn anzuhalten. Stattdessen habe er den Transporter auf bis zu 180 Stundenkilometer beschleunigt, teilte die Polizei mit. Der 24-Jährige nahm die Abfahrt nach Ampfing und Waldkraiburg „mit weit überhöhter Geschwindigkeit“, verlor in der Kurve die Kontrolle über das Fahrzeug. Der Transporter überschlug sich mehrmals, einige Insassen wurden aus dem Fahrzeug geschleudert.
Die Nachforschungen zum Hintergrund der Tragödie laufen auf Hochtouren, meldet Sonntag, die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft hätten „hohe Intensität“. Einzelheiten wolle man aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen. Doch eines sei gewiss: Der 24-jährige Staatenlose, der seit dem Unfall in Untersuchungshaft sitze, sei tatsächlich der Fahrer gewesen.
Staatsanwaltschaft
spricht von Mord
„Daran gibt es bei der Kripo keine Zweifel mehr“, sagte Sonntag. Hintergrund der Nachforschung: Mitunter schieben Raser die Verantwortung von sich und denunzieren jemand anderen als Fahrer. Der Staatsanwalt ordnet das unter anderem als Mord in sieben Fällen ein. Er nimmt an, dass der Fahrer nicht nur selbst hatte flüchten wollen, sondern gleichzeitig die Beweise seiner kriminellen Machenschaften – die geschleusten Menschen – habe verbergen wollen. Die Absicht, durch die Tötung von Menschen ein Verbrechen zu „verdecken“, ist nach dem Strafgesetz ein Mordmerkmal.
Über den Fahrer ist bislang außerhalb von Ermittlerkreisen lediglich bekannt, dass er seinen Wohnsitz in Wien hat. Die Ermittlungen über den Fahrer stehen aber ohnehin erst am Anfang. Die Staatsanwälte sind in einer Gruppe zusammengefasst, die sich speziell um grenzüberschreitende Verbrechen kümmert – das sogenannte „Traunsteiner Modell“. Spektakuläre Erfolge gelangen der Gruppe nach dem „Traunsteiner Modell“ unter anderem gegen Anruf-Betrüger. Michael Weiser