„Haha, jetzt bring ich dich um“

von Redaktion

Hauptzeugin belastet Angeklagten im Hanna-Prozess – Wichtige Fragen ungeklärt

Aschau/Traunstein – „Kriegen wir alles hin“: Etwas Beschwörendes hatten die Worte der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler zu Beginn des siebten Tages des Hanna-Prozesses am gestrigen Freitag. Vorgeladen war die Zeugin Verena R., die Freundin des Angeklagten Sebastian T. aus Schulzeiten. Um ihr die persönliche Begegnung mit dem Angeklagten zu ersparen, wurde sie mittels Kamera und Mikro zugeschaltet. Da gab es von Beginn an solche Probleme, dass der Rechtsbeistand der Zeugin Bedenken äußerte. „So können wir das nicht machen“, sagte Rechtsanwalt Andreas Leicher aus Rosenheim, nachdem seine Mandantin wiederholt eine Frage der Richterin nicht verstanden hatte.

Schließlich, nach einigen Änderungen an der Position des Mikrofons, konnte die Befragung beginnen. Freilich auch in der Folge nicht ganz ohne Hindernisse. Immer wieder mussten Fragen oder Antworten wiederholt werden, weil die Akustik so schlecht war. Die Botschaft der Zeugin aber war klar: Sebastian T. habe von einem Mord in Aschau gesprochen, noch bevor das publik geworden sein konnte. Die Befragung hatte schon verspätet begonnen. Die Zeugin war nochmals nach Hause gefahren, weil sie ihre Notizen vergessen hatte. Als sie dann endlich zurückgekehrt war, lieferte sie eine vor Details strotzende Erzählung. Im Kern bestätigte sie ihre erste Aussage vor dem Landgericht in Traunstein vom 20. Oktober. Sie erinnerte sich nochmals an den befremdlichen Satz, den Sebastian T. am frühen Abend des 3. Oktober bei einem Treffen am „Eiskeller“-Parkplatz gesprochen haben soll. „Vreni, hast du g‘wusst, da ist letzte Nacht ein Mädchen umgebracht worden in Aschau.“ So gab die Zeugin den Satz am Donnerstag wieder.

Als sie geäußert habe, dass sie Angst habe, weil noch ein Mörder frei herumlaufe, geschah das Unheimliche, von dem sie schon in der ersten Aussage vor Gericht gesprochen hatte. „Da hat er das Messer aus seiner Hosentasche gezückt und gesagt: Haha, jetzt bring ich dich um.“ Sie habe T. gesagt, dass sie das nicht witzig finde. Ernst genommen habe sie den Satz damals aber nicht. Sie wisse im Übrigen sicher, dass sich die Unterhaltung am 3. Oktober ereignet habe, „weil das ein Feiertag war“. Sie berichtete erneut von T.s auffälligem Verhalten nach der Tatnacht. Bei dem Treffen am „Eiskeller“ habe T. einen Kapuzenpullover getragen, und er habe die Kapuze über den Kopf gezogen gehabt. Das sei ihr komisch vorgekommen.

Sie betonte erneut, dass sich T.s Verhalten im Oktober 2022 auch in anderen Punkten auffallend geändert habe. Er habe ihre Nähe gesucht, habe sich kurz vor seiner Verhaftung mit Pfefferminzschnaps zugeschüttet. Mit der überraschenden Eröffnung: „Ja mei, guad, dann war ich‘s halt.“ Ein Geständnis, das sie nicht glauben konnte, wie sie erklärte: „Der hat das einfach so rausgehauen. Das kann doch nicht sein, hab ich gedacht.“

So detailreich die Zeugin auch erzählte – eine Einzelheit schilderte sie wieder nicht. Trotz energischer Nachfrage von Richterin Aßbichler. Bei der Polizei hatte die Zeugin vor gut einem Jahr noch behauptet, Sebastian T. habe bei dem fraglichen Gespräch den Namen „Hanna“ erwähnt. Daran konnte sie sich auch bei der zweiten Befragung nicht erinnern. Die Kluft zwischen der Aussage bei der Vernehmung durch die Polizei kurz vor Sebastian T.s Verhaftung am 18. November 2022 und den aktuellen Aussagen vor der Zweiten Jugendkammer ist beachtlich. Es waren auch diese offenkundigen Widersprüche, die zum Abbruch der Befragung führten.

Nun droht Verena R. ein dritter Termin vor Gericht, in der die Verteidigung versuchen wird, die Glaubwürdigkeit der Zeugin auszuloten. Jacqueline Aßbichler sprach den Angeklagten daher erneut an. „Soll Verena, Ihre beste Freundin, nochmals durch die Mühle gedreht werden, oder wollen Sie ihr das ersparen?“ Offenheit, das ließ die Richterin durchblicken, werde sich auch auf die Bewertung der Tat auswirken. Gehört wurden auch weitere Zeuginnen. So eine junge Frau aus Freiburg, die Sebastian S. im Pfadfinderlager kennengelernt hatte. Sie hatte den Kontakt zu T. abgebrochen, konnte sich aber vor Gericht nicht mehr an die Hintergründe erinnern. Eine andere Zeugin erinnerte sich an ein Gespräch mit einer Schwester T.s während einer Zugfahrt. Darin habe die Schwester schwierige Familienverhältnisse geschildert. Michael Weiser

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