Aschau/Traunstein – Vergangenes Wochenende (am 11. November) erst vom Deutschen Anwaltverein ausgezeichnet, jetzt überraschend am Landgericht in Traunstein: Regina Rick, bekannt durch den „Badewannen-Fall“, ist am gestrigen Donnerstag zum Verteidiger-Gespann von Sebastian T. gestoßen. Regina Rick hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, als sie für den zu Unrecht als Mörder verurteilten Manfred Genditzki bei der Wiederaufnahme einen Freispruch erreichte – 13 Jahre nach dem Urteil.
Regina Rick ist eine
echte Überraschung
Die Familie von Sebastian T. holte die Verteidigerin hinzu, als Dritte im Bunde neben den Pflichtverteidigern Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank. Sie soll helfen, T. gegen folgenden Vorwurf zu verteidigen: dass er am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 in Aschau die 23-jährige Hanna W. heimtückisch ermordet haben soll. Ein Mandat mit Hintergrund, wie sich gleich am ersten Tag zeigte – es gibt außer der Person von Regina Rick noch ein Detail, das den Fall Hanna W. mit dem Prozess gegen Manfred Genditzki verbindet. Es stellte sich heraus, dass im Fall Hanna eine Polizeibeamtin mit ermittelt hatte, die bereits beim „Badewannen-Fall“ eine wichtige Rolle gespielt hatte. Sie soll damals den Ermittlern den entscheidenden Drall in Richtung Mord gegeben haben. Eine falsche Richtung, wie die Richter viele Jahre später feststellten.
Auf die neue Anwältin hatten sich weder die Verteidiger Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank, noch Nebenkläger-Anwalt Walter Holderle lange einstellen können. Sie war offenbar erst am Wochenende von den Eltern des Angeklagten verpflichtet worden. Baumgärtl und Frank waren dem Angeklagten als Pflichtverteidiger zugeteilt worden.
Aufschlussreich scheinen die Einblicke in die Sex-Gewohnheiten des Angeklagten. Ein Kripobeamter stellte die Ergebnisse der forensischen Auswertung von Sebastian T.s Handy und Computer vor. Demnach suchte er im Internet oft mit den Suchbegriffen „Sex“ und „Porno“ nach Seiten mit „ausschließlich pornografischem Video- und Webmaterial“, wie ein Polizeibeamter sagte. Ein von der Festplatte sichergestelltes Foto zeigt ein junges Mädchen im Zimmer von Sebastian T.s Schwester: auf dem Bett liegend, leicht bekleidet, durch den Spalt der halb geöffneten Tür fotografiert.
Zeugen sagen
über Zeugen aus
Die neue Verteidigerin konnte sich ansonsten gleich mal auf die Tonart dieses Indizienprozesses einstimmen. Wie an den zehn Tagen zuvor prägten Aussagen das Geschehen.
Eine Zeugin, damals befreundet mit einem Kumpel und Arbeitskollegen des Angeklagten, stellte der Hauptbelastungszeugin ein mäßiges Zeugnis aus. Sie habe sich oft widersprüchlich oder falsch geäußert. „Sie stellte viele Behauptungen über meinen Freund auf, die nicht stimmen“, sagte sie auf Nachfrage von Richterin Aßbichler. „Ich akzeptiere sie als Mensch, was man so halt tut, aber ich würde nicht einen Kaffee mit ihr trinken.“
Ihr Freund wiederum beschrieb – beileibe nicht als Erster – Sebastian T. als zurückhaltenden Typen. „Er war nie ein offenes Buch, du musstest alles aus ihm rausziehen.“ Er schilderte auch, wie auffällig Sebastian T.s Trinkverhalten in den Tagen vor der Verhaftung am 18. November 2022 gewesen sei. Sebastian T. habe sich öfter mal „weggeschossen“.
Von der Belastungszeugin habe er schließlich eine Nachricht von der Festnahme Sebastian T.s erhalten. Sie habe gesagt, man müsse ihn aus der U-Haft „rauskriegen. Das packt der Kerl nicht“. Er habe geantwortet, „das ist nicht so leicht, hey, wenn der schon in U-Haft sitzt“. Allerdings schilderte der Zeuge dies vor längerer Zeit, bei seiner Aussage gegenüber der Polizei. Jetzt, bei seiner Vorladung vor Gericht, konnte er sich daran nicht mehr erinnern.
Forensiker: Was die
Daten noch verraten
Hat die wichtigste Belastungszeugin tatsächlich am Abend des fatalen 3. Oktober mit Sebastian T. gesprochen? War sie in Aschau, um von Sebastian T. diese ominöse Frage zu hören? Ob sie wisse, dass in Aschau eine junge Frau umgebracht worden sei? Am Abend des Tattags wäre das wohl Täterwissen gewesen. Erst am Abend des nächsten Tages sprach es sich herum, dass Hanna einer Gewalttat zum Opfer fiel. Die Handydaten ergeben: Definitiv war Verena am 3. Oktober in Aschau. Das zeigen Daten von ihrem Mobiltelefon, das sich um 18.19 Uhr dort einloggte. Wie lange, konnte nicht geklärt werden.
Hannas letzter
Anruf-Versuch
Nicht immer liefern Handys Daten. Und nicht alle diese Daten erlauben eine metergenaue Ortung – so könnte man die außerordentlich komplizierten Ausführungen der Spurensicherer zusammenfassen.
Am Ende des Verhandlungstages wurden noch Hannas Handy-Daten vorgestellt. So viel: Die junge Aschauerin versuchte am 3. Oktober um 2.31 Uhr einen Internet-Anruf abzusetzen. Die Verbindung wurde jedoch nicht aufgebaut. Wohl, weil Hanna ihr Datenvolumen aufgebraucht hatte. Kurz darauf starb sie.