Raubling – Am 17. Februar 2023 torkelten drei junge Männer aus der Ukraine am Bahnsteig des Bahnhofes in Raubling über die Gleise. Am Rand der Bahnsteigkante sitzend und über die Gleise hin und her wechselnd brachten sie sich selbst und andere in Gefahr. Aus diesem Grund wurden sie von anderen Bahnreisenden kritisiert und dazu aufgefordert, dies zu unterlassen.
Auch ein 38-jähriger Nigerianer aus Bad Endorf versuchte, den alkoholisierten Männern ins Gewissen zu reden. Das löste bei einem 19-jährigen Beteiligten heftige Aggressionen aus. In Boxerhaltung forderte er die Umstehenden zum Kampf auf. Natürlich wollte sich niemand darauf einlassen.
Opfer stürzte
benommen zu Boden
Daraufhin ging der 19-Jährige auf den Nigerianer los, der genauso wenig darauf eingehen wollte. Nun ging ein Mann aus Neubeuern auf den Streitsüchtigen zu, um ihn zu beruhigen. Der aber dachte, nun ein weiteres Opfer gefunden zu haben. Mit einem „Drehkick“ in Kickbox-Manier trat er den Neubeuerer mit dem beschuhten Fuß so heftig in das Gesicht, dass der benommen zu Boden stürzte. Parallel dazu stürzte ein zweiter von den drei betrunkenen Ukrainern vom Bahnsteig auf die Gleise und musste von Zeugen auf den Bahnsteig zurück gehoben werden.
Vor dem Jugendschöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Hans-Peter Kuchenbaur musste sich der 19-jährige Ukrainer nun wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ohne eine berufliche Ausbildung und mit nur geringen Deutschkenntnissen lebt er aktuell in Bad Aibling. Er bestätigte, dass er angetrunken gewesen sei. Keineswegs aber sei er – im Gegensatz zu seinen beiden Gefährten – sinnlos betrunken gewesen. Allerdings, so machte er zu seiner Entschuldigung geltend, habe man ihn als „ukrainisches Schwein“ beleidigt. Erst dadurch sei er so ausgerastet. An den Tritt habe er keinerlei Erinnerung, wolle das jedoch nicht bestreiten.
Das aggressive Verhalten des Angeklagten wurde von allen Zeugen bestätigt. Die beiden anderen Ukrainer seien zwar betrunken, aber nicht aggressiv gewesen, sagten sie aus.
Lücken in Erinnerung
nicht glaubhaft
Richter Kuchenbaur bemängelte, dass sich der Angeklagte wohl an das Geschehen vor- und nachher erinnern könne, nicht aber an seine eigentliche Straftat. Auffallend sei auch, dass der junge Mann an besagtem Tag mit einem Box-Tape an der rechten Hand und einem Boxer-Gebissschutz ausgestattet war. Dabei hatte er erklärt, er habe niemals einem Box- oder Kampfsportclub angehört.
Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe berichtete, dass der junge Mann mit 17 aus der Ukraine mit seiner Familie nach Deutschland geflohen und deshalb dort noch nicht zum Militärdienst eingezogen worden war. Er attestierte ihm Reifeverzögerungen, weshalb er nach Jugendstrafrecht zu verurteilen sei. Erzieherische Maßnahmen des Jugendamtes würden wegen der mangelhaften Sprachkenntnisse des Angeklagten nicht greifen. Es gebe aber bei der Caritas ukrainische Gesprächsberatungen mit denen dem Angeklagten geholfen werden könne. Als Strafen könne er sich Geldstrafen und/oder Jugendarrest vorstellen.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hielt bei dem Angeklagten „schädliche Neigungen“ für nachgewiesen. Solche sind Voraussetzung für eine Haftstrafe nach Jugendstrafrecht. Dazu sei er auch nicht so betrunken gewesen, dass ihm die Einsichts- und Schuldfähigkeit gefehlt habe. Sie beantragte eine Einheitsjugendstrafe von 21 Monaten, die man jedoch, weil der Angeklagte bislang noch niemals strafrechtlich in Erscheinung getreten war, zur Bewährung aussetzen könne. Damit er dies nicht als Freispruch missverstehe, sei ein sogenannter Warnschuss-Arrest von drei Wochen und ein Schmerzensgeld von 200 Euro zu verhängen. Dazu müsse er unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers gestellt und auch ein Alkoholverbot erlassen werden. Die Gefahr bestünde sonst, dass der Angeklagte unter Alkoholeinfluss erneut straffällig werden könnte.
Über die Schuldhaftigkeit ihres Mandanten wollte und konnte die Verteidigerin Daniela Kauer nicht diskutieren. Jedoch gab sie zu bedenken, dass ihr Mandant sich unter dem Einfluss des Alkohols über die Gefährlichkeit seines Tuns nicht bewusst war. Sie hielt einen einfachen Schuldspruch mit Bewährung für ausreichend, weil nach ihrer Ansicht eine „schädliche Neigung“ noch nicht zu erkennen sei. Ein Wochenend-Arrest und eine angemessene Schmerzensgeldzahlung könnten ihrem Mandanten hilfreich und korrigierend sein.
Zeugen hatten keine
Beleidigung gehört
Das Jugendschöffengericht sah „schädliche Neigungen“ allerdings durchaus gegeben. So sei das Verhalten des Angeklagten, belegt durch dessen Box-Ausrüstung, durchaus als geplant einzustufen. Eine Beleidigung sei von keinem der Zeugen wahrgenommen worden. Auch sei die Alkoholisierung des Angeklagten nicht so hoch gewesen, dass er sein Tun nicht hätte korrigieren können.
Das Gericht sprach eine Einheitsjugendstrafe von 18 Monaten aus. Diese wurde – unter Bedenken – zur Bewährung ausgesetzt. Bedenken, weil eine positive Sozialprognose nur schwerlich zu bejahen sei. Deshalb wurde der junge Mann einem Bewährungshelfer unterstellt und ein Alkoholverbot ausgesprochen. Zudem wurde ein Warnschuss-Arrest von zwei Wochen verhängt und ein Schmerzensgeld von 800 Euro.