Traunstein/Rosenheim – Massive Vorwürfe – von häuslicher Gewalt über umfangreiche Betrugshandlungen mit sechsstelligem Schaden bis zu Sex in der Kirche samt Fotos und nicht gezahltem Kindsunterhalt – liegen einem 39-jährigen Rosenheimer vor der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune zur Last. Beim gestrigen Prozessauftakt berief sich die mutmaßlich geschädigte Ehefrau auf ihr Recht zu schweigen. Die Kammer hat sechs Verhandlungstage anberaumt. Fortsetzung der Beweisaufnahme ist am Montag, 27. November, um 9.15 Uhr. Die weiteren Termine finden am 4., 6., 11. und 13. Dezember statt.
Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Maximilian Pauls aus München und Dr. Markus Frank aus Rosenheim äußerte sich gestern nicht zu der umfangreichen Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling und Staatsanwältin Franziska Mitterer. Erster Themenkomplex ist häusliche Gewalt. Der 39-Jährige soll seine Frau zwischen September 2022 und Dezember 2022 mehrfach gewaltsam gepackt, sie mit der flachen Hand geschlagen und sie einmal auch mit „Erstechen“ ihrer Familie bedroht haben. Die Frau trug laut Anklage zumeist Schmerzen, einmal auch einen Bluterguss davon. An Heiligabend 2022 soll der Mann einen Schlüsselbund nach ihr geworfen und sie schmerzhaft am Arm getroffen haben. Als die Frau ihn bat, die Wohnung in Rosenheim zu verlassen, soll der 39-Jährige sie ins Gesicht geschlagen haben. Das Opfer fiel gemäß Anklage zu Boden. Die Nase blutete. Ehe er die Wohnung verließ, soll der Mann das Handy der Ehefrau ruiniert haben. Nach der Rückkehr kurze Zeit später soll der Angeklagte die schreiende Frau unter üblen Drohungen gezwungen haben, mit ihm in das Klinikum Rosenheim zu fahren. Als die Frau vor dem Einsteigen in seinen Wagen flüchten wollte, soll er sie gewaltsam in das Auto gezogen haben. Weil er unbedingt mit in den Untersuchungsraum der Notaufnahme kommen wollte, bot er mutmaßlich einer Krankenschwester 100 Euro. Die Zeugin ließ den 39-Jährigen trotzdem nicht zu seiner Frau. Weitere körperliche Angriffe mit Schlägen, Würgen und Beleidigungen listet die Staatsanwaltschaft für den 3. April 2023 auf. Zusätzlich soll der Tatverdächtige das Opfer wuchtig in Richtung eines Türstocks geschubst haben. Die Geschädigte stürzte und schlug mit dem Kopf auf das Holz. Blutende Wunden, Blutergüsse und Prellungen waren die Folgen. Die Frau durfte die Wohnung angeblich nicht verlassen – auch nicht, als der Angeklagte randalierte und verschiedene Dinge zerstörte oder nach der Frau warf. Sie konnte schließlich durch ein Fenster entkommen, heißt es in der Anklage.
Der zweite Deliktskomplex umfasst erhebliche Betrugstaten zwischen April 2020 und Anfang 2022 als Platzwart eines Campingplatzes in einem Dorf nördlich von Rosenheim, der über 80 Jahre alten Damen gehörte. Die krankheitsbedingte Abwesenheit zweier Angestellter soll der 39-Jährige hemmungslos ausgenutzt haben. Kunden gegenüber soll er behauptet haben, er sei berechtigt, Verträge abzuschließen und Geld in Empfang zu nehmen – zum Beispiel Ablösesummen für Stellplätze auf dem Campingplatz. Auf diese Weise soll er in zehn Einzeltaten einen Schaden von über 300000 Euro angerichtet haben. Diese Geschädigten werden an den nächsten Verhandlungstagen in den Zeugenstand treten.
Weitere Vorwürfe gelten einem versuchten Betrug mit einem Wohnanhänger sowie einem Fall durch eine unberechtigte Ablösesumme für einen Stellplatz beziehungsweise den Preis für zwei Tinyhäuser. Dieses Opfer soll rund 150000 Euro eingebüßt haben. In der Kirche in Schechen soll der Angeklagte mit einer anderweitig verfolgten Frau einvernehmlichen Sex ausgeübt haben – in der Nähe des Altars. Die Staatsanwälte sehen in diesem Punkt eine strafbare „Störung des Religionsfriedens“. Schließlich soll der 39-Jährige in der Zeit seiner Tätigkeit auf dem Campingplatz keinen Unterhalt für ein leibliches Kind gezahlt haben.
In einer ersten Einschätzung meinte die Vorsitzende Richterin zum Tatkomplex „häusliche Gewalt“ sinngemäß, der Nachweis könne schwierig werden. Die Ehefrau habe ihre Angaben bei der Polizei in einer weiteren Vernehmung als unwahr bezeichnet. Andere Zeugen der ehelichen Szenen gebe es nicht. Nach Worten von Christina Braune werden sich die zahlreichen Betrugsvorwürfe „kaum entkräften lassen“. Die Bestechung der Krankenschwester und das Geschehen in der Kirche seien wohl eher „Nebenkriegsschauplätze“. Monika Kretzmer-Diepold