Trostberg/Rosenheim/München – „Tooooor! Ein unglaubliches Tor von Bulle Roth, der die Bayern mit 1:0 in Front bringt“, brüllt Karlheinz Kas ins Mikrofon. Weit über 500 Bundesligapartien hat er als Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk (BR) kommentiert.
Aber dass er einmal das legendäre 1:0 gegen die Glasgow Rangers durch den Äther schicken würde, das dem FC Bayern 1967 den ersten internationalen Triumph, den Europapokal der Pokalsieger, sicherte, damit hätte der Trostberger nicht gerechnet. Nun ist es aber so geschehen: im Dreh der Spielfilmserie „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“.
Termin im
Container-Komplex
Im April vergangenen Jahres hatte Kas, der bis 2021 Redaktionschef des Trostberger Tagblatt und eben Hörfunkreporter war, die Anfrage erhalten, ob er in der großen Produktion der UFA mitwirken wolle.
„Als Rentner habe ich Zeit, und deshalb habe ich gleich zugesagt“, erzählt der 68-Jährige. Da war ihm noch nicht klar gewesen, wie sehr sich die Arbeit eines Reporter-Darstellers von der eines realen Reporters unterscheidet.
Seinen ersten Termin hatte er in einem eigens errichteten Container-Komplex mitten in München. „Dort wurden wir vermessen. Alles wurde genau aufgenommen: Konfektionsgröße, Schuhgröße, Kopfumfang.“ Denn als Darsteller von Oskar Klose, der in den 60er- und 70er-Jahren die Spiele kommentierte, konnte Kas ja nicht in Jeans und Polo-Shirt auflaufen.
Ihm wurden bullige Tweed-Sakkos angepasst, karierte Schiebermützen und braun-orange gemusterte Krawatten eingepackt. Und er sollte sich die Haare an den Schläfen wachsen lassen. Zusätzlich wurden ihm lange Koteletten angeklebt.
„Als Zehnjähriger war ich mit meinem Vater bei einem Fußballspiel im Stadion. Da habe ich zu den Kabinen der Reporter hinaufgeschaut und Oskar Klose und Günther Wolfbauer gesehen, die ,Heute im Stadion‘ moderierten.“ Damals hatte er schon davon geträumt, auch einmal auf deren Sessel zu sitzen. Sein Traum wurde wahr. In den 26 Jahren auf diesem Platz hat sich Karlheinz Kas ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans geredet.
Requisiten aus
den 60er-Jahren
Anfang dieses Jahres startete dann das Filmprojekt. Kas sollte im Rosenaustadion in Augsburg erscheinen, das als Set für die meisten Spielszenen diente.
Ein Teil des Stadions war auf alt getrimmt. Requisiten wie Mikrofone, Kopfhörer, Flaschen, Aschenbecher oder Zigarettenschachteln stammten alle aus den 60er- Jahren. Auch die Komparsen, die als Zuschauer neben der Reporterkabine zu sehen sind, hatten tief in der Klamottenkiste gekramt. Und dennoch musste immer wieder ein Fan ausgetauscht werden, weil ein Tattoo zu sehen war oder ein Hemdkragen nicht in die Zeit passte.
„Es ist unglaublich, was für ein Aufwand das ist“, sagt der Leinwand-Debütant. „Zwei Assistenten haben sich alleine um meine Maske und Kostüme gekümmert. Ich wurde immer wieder abgetupft und umfrisiert.“
Ein Erlebnis, von dem er auch gerne berichtet, hatte er in den Bavaria Filmstudios: „Ich fahre mit dem Auto auf das Gelände, auf einmal kommt ein Polizeiauto auf mich zu, ich steige gleich auf die Bremse, weil ich ein bissl mehr als die erlaubten 20 km/h drauf hatte. Aber dann sehe ich, dass auf der Seite des Autos ,Filmwagen‘ steht.“ Alles nur Schein in der Kulissenstadt. Kas lacht.
Ungewohnt war für den routinierten Hörfunkreporter auch die Konzentration auf seine Körperhaltung während des Drehens. Er hatte seinen Text, aber er sah die Szenen, die er kommentierte, gar nicht vor sich. Sein Blick musste dennoch mit einem imaginären Ball übers Spielfeld spurten – auch bei den Studio-Drehs in den Bavaria Filmstudios in München.
„Da waren wir ja nur in einem kleinen Kabuff“, verdeutlicht Kas. Um die Augenbewegungen zu erleichtern, hoben Produktionsassistenten mal in der Mitte, mal seitlich im Raum Schilder hoch. Etwa für die Szene im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister, in dem der FC Bayern 1974 in Brüssel gegen Atletico Madrid gewann und Kas als Klose moderierte: „Langer Ball, und Garate verstolpert den Ball. Und da kommt Uli Hoeneß – er hat fast freie Bahn. Er muss jetzt alleine gehen. Es kommt niemand mit – jetzt Uli! Tooor, Tooor!“
Wer den BR-Kultreporter bei „Heute im Stadion“ einmal gehört hat, der weiß, dass Karlheinz Kas keine Probleme hatte, in Tiki-Taka-Tempo zu sprechen und mit seinem Torjubel die Kabine zu rocken– auch wenn im Skript kein einziges Kas-typisches „Sensationell!“ zu finden ist.
Die markante Moderation kannte auch Regisseur David Dietl, Sohn von Helmut Dietl, schon vorher. Er begrüßte Kas freudig am Set und sagte: „Endlich sehe ich Sie mal. Ihre Stimme hat mich schon in meiner Kindheit begleitet.“
Jedes Detail
muss sitzen
Und diese Stimme musste für den Dreh ähnlich ausdauernd sein wie einst der Offensivverteidiger Paul Breitner. „Jede Passage wurde zehn- bis 20-mal aufgenommen. Immer wieder!“, erzählt Karlheinz Kas und wischt sich jetzt noch andeutungsweise den Schweiß von der Stirn.
Jedes Detail muss bei einem Dreh sitzen: die Maske, das Kostüm, die Kopfbewegungen, das Licht, der Ton, der englische Reporter nebenan, der Jubel der Komparsen im Hintergrund. Gedreht wurde von 9 bis 18 oder 19 Uhr. „Ich war abends heiser. So fertig war ich im Radio nicht nach einem Spiel“, gesteht er.
„Aber es hat unheimlich viel Spaß gemacht“, betont der Trostberger, der im wirklichen Leben auch schon viele legendäre Spiele des FC Bayern kommentiert hat. Er war 1980 zum BR gekommen und zunächst unter anderem für den TSV 1860 München in der zweiten und dritten Liga zuständig. Seit 1995 kommentierte er Spiele der Bundesliga und dann auch der Champions League.
Als er sich 2021 am Hörfunkmikrofon verabschiedete, wurde er vom Bayern-Präsidium überrascht: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß bedankten sich bei ihm mit einem Bayern-Trikot mit der Rückennummer 18. Warum? „Weil ich 18 bayerische Meisterschaften kommentiert habe“, erklärt er und merkt an: „So eine öffentliche Verabschiedung durch den FC Bayern hat nicht einmal Gerd Rubenbauer bekommen. Ich war der Erste.“
Und nun kam Kas auch noch in den Genuss, ein WM-Finale zu kommentieren. Denn in der Serie „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ (siehe auch Kasten) ist der dramatische Höhepunkt der fünf porträtierten Freunde Beckenbauer, Maier, Müller, Breitner und Hoeneß die Weltmeisterschaft 1974 im Olympiastadion in München.
„Ich kann mich noch gut an das Endspiel gegen die Niederlande erinnern“, sagt Kas. Der damals 19-Jährige, der in Rosenheim aufgewachsen ist (erst 1975 zog er nach Trostberg), befand sich zu dem Zeitpunkt in Tschechien.
Denn als Zeitungsjournalist für das Trostberger Tagblatt, das Traunsteiner Tagblatt und das OVB in Rosenheim begleitete er die Motorradrennen der Fahrer des MSC Ruhpolding. Aber natürlich hing er am 7. Juli 1974 ab 16 Uhr am Fernseher und verfolgte die Helden der deutschen Elf.
Das Siegtor
von Gerd Müller
Jetzt, fast 50 Jahre später, kommentierte er das für viele unvergessliche Spiel sozusagen live. Er durchlitt das erste Tor der Niederländer durch Neeskens, bejubelte das Elfmeter-Tor von Paul Breitner und feierte lautstark das traumhafte Siegtor von Gerd Müller. Am Ende schrie er ins Mikrofon: „Die reguläre Spielzeit ist vorbei. Aber das Spiel ist noch nicht aus.
Doch, jetzt: Die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland ist Fußballweltmeister 1974!“ Sehr wahrscheinlich musste er sich ein euphorisches „Sensationell!“ schwer verkneifen.
Das sechsteilige RTL+ Serienhighlight „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ erzählt dabei nicht nur eine großartige Fußballgeschichte, sondern wirft auch einen Blick auf das Leben der fünf jungen Männer. Die Folgen stehen auf RTL+ zum Abruf bereit.