Die Retter aus dem Container

von Redaktion

Reine Ehrensache: Warum die Johanniter dringend mehr Platz brauchen

Rosenheim/Mühldorf – Was ist, wenn sich 5000 Fans daheim umziehen, 40 Sportler in der Stadionkabine und fünf Retter im Wasserburger Container? Eigentlich wäre das eine gute Frage für eine Fernsehquizshow. Die richtige Antwort: Dann tragen die Starbulls in Rosenheim ein Heimspiel aus – und den Sanitätsdienst haben die Johanniter übernommen.

Ohne Rettungssanitäter sind Großereignisse wie Zweitliga-Eishockey undenkbar. Schon allein der Anblick der weiß-orangefarben gekleideten Einsatzkräfte gibt Veranstaltern, Fans und Sportlern ein gutes Gefühl: Gut zu wissen, dass im Ernstfall in Sekundenschnelle geholfen wird – egal ob Bodycheck auf dem Eis, Ohnmacht auf der Fantribüne oder Sturz von der Tribünentreppe.

Was hingegen die wenigsten wissen: Die bis zu fünf „Sanis“ bekommen für ihren Einsatz keinen Cent. Ihr Dienst am Nächsten ist reine Ehrensache. Und wenn es sich um die Johanniter handelt, dann ist dieser für die Gesellschaft so unverzichtbare ehrenamtliche Einsatz inzwischen mit so vielen nervigen Unannehmlichkeiten verbunden, dass es an eine Zumutung grenzt.

Das Umziehen im Container, speziell bei Regen und Kälte alles andere als ein Genuss, ist nur ein Störfaktor von vielen. „Für uns könnte alles viel zügiger und reibungsloser laufen, wenn unsere Ausstattung und Fahrzeuge nicht auf drei Standorte verteilt wären“, bringt es Bereitschaftsleiter Bernd Koblechner (33) auf den Punkt. Das gilt für den Sanitätsdienst, aber insbesondere auch für Einsätze im Bevölkerungsschutz, wenn es nach Unglücken mit mehreren Verletzten oder Betroffenen um Schnelligkeit geht.

So ein Eishockey-Einsatz, Spielbeginn um 19.30 Uhr, ist jedoch ein gutes Beispiel für das Dilemma. Die Johanniter gehören zu den Ersten im Stadion – und zu den Letzten, die es verlassen. Es würde reichen, wenn sich das bis zu fünfköpfige Team des Sanitätsdienstes um 18 Uhr in Wasserburg auf der Wache treffen würde. Und gegen 23 Uhr könnten alle wieder daheim sein.

Aber die Realität sieht leider anders aus. Los geht es schon viel früher – und oft wird es Mitternacht, bis es auch der letzte Johanniter endlich geschafft hat. Weil ein Fahrzeug in der Wache in der Tegernau steht, ein zweites in Eiselfing, ein drittes in Langwied. So kommen die einen direkt zum Umziehen im Container, die müssen aber erst einmal den Einsatzwagen holen.

Dieser umständliche Hol- und Bringservice wird noch dadurch verkompliziert, dass Fahrzeuge im Weg stehen oder Garagen zu klein sind: den ersten Wagen wegfahren, den zweiten rausfahren, mit dem ersten wieder zurücksetzen, manchmal sogar auskuppeln und das letzte Stückchen per Hand anschieben, weil es um jeden Zentimeter Platz geht – der ganz normale Rangier-Alltags-Wahnsinn für die Johanniter.

Hinzu kommt, dass manche Einsatzwagen im Freien stehen und damit wahre Schmutzfänger sind. So zieht sich das Auskehren, Auswischen und Materialauffüllen länger hin als nötig – selbstverständlich nicht nur im Einsatz, sondern auch bei der Routine: Ob es regelmäßige Checks von Fahrzeugen und Material sind oder Kurse und Fortbildungen – alles könnte viel reibungsloser, schneller und effektiver gehen, wenn die Johanniter alles unter einem Dach hätten.

OVB-Aktion für neues
Johanniter-Zentrum

Und genau darum geht es bei der Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“. Jeder Cent fließt in den Bau des neuen Johanniter-Zentrums Oberbayern Südost. Das Geld soll für die bestmögliche Ausstattung der Seminarräume, etwa für Erste-Hilfe-Kurse, und für die Räume der Ehrenamtlichen verwendet werden.

Beim Starbulls-Einsatz wechseln sich die Johanniter mit Ehrenamtlichen von BRK, Maltesern und Ambulanz Rosenheim ab. Andere Großveranstaltungen, darunter das Opernfestival auf Gut Immling oder das Wasserburger Frühlingsfest, wickeln sie ganz alleine ab. Da kommt eine Menge zusammen. 2022 summierte sich das auf 75 Einsätze und 1660 Helferstunden.

Oft geht dabei alles glatt, manchmal geht es aber auch um Leben und Tod. Bernd Koblechner hat das vor Jahren selbst miterlebt. Er war einer von drei Johannitern, die 2019 einen Künstler in einer dramatischen Wiederbelebungsaktion vor dem Tod bewahrten. Der Mann war ganz plötzlich während der Konzertpause, nicht auf der Bühne, sondern hinter den Kulissen, zusammengesackt und hatte keinen Puls mehr – ein Herzstillstand.

Lieber retten statt
Mehrtonner schieben

„Das sind die Momente, die uns zeigen, wie wichtig unser ehrenamtlicher Einsatz ist, und die uns zum Weitermachen motivieren“, sagt Koblechner, der 2015 als Sanitätshelfer zu den Johannitern kam.

Der Elektrotechniker könnte sich nach getaner Arbeit daheim in Pfaffing viele gemütliche Abende auf der Couch machen. Das tut er aber nicht, sondern opfert immer mehr Freizeit für die Allgemeinheit – nicht nur als Einsatzkraft in den Bereichen Sanitäts- und Rettungsdienst sowie Bevölkerungsschutz.

Als Bereitschaftsleiter des Johanniter-Ortsverbandes Oberbayern Südost ist Koblechner Führungskraft und Ansprechpartner von inzwischen rund 150 ehrenamtlichen Johannitern. Und die wollen: schnell da sein, helfen, retten, sich fortbilden – statt Mehrtonner per Hand in eine Ecke zu schieben oder sich im kalten Container fit für den Einsatz zu machen.

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