Wegen Feuer in Zugtoilette vor Gericht

von Redaktion

80 Passagiere aus Eurocity in Rosenheim evakuiert – Bahn fordert Schadenersatz

Traunstein/Rosenheim – Ein psychisch kranker, alkoholisierter Zugpassagier legte in einer WC-Schüssel des EuroCity-Zugs EC 85 von München in Richtung Venedig am 27. Mai 2023 Feuer. Der 66-Jährige war ohne Ticket unterwegs und vor einer Kontrolle in eine Zugtoilette geflüchtet. Wegen des Rauchs mussten alle 80 Insassen des voll besetzten Waggons am Bahnhof Rosenheim evakuiert werden.

Die Neunte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Babara Miller ordnete nun die Unterbringung des Mannes in einer Fachklinik an, setzte sie aber gegen strenge Auflagen außer Vollzug.

Grillanzünder in
Zug-WC geschüttet

Der Beschuldigte, damals in München wohnhaft, litt zur Tatzeit unter einem akuten Krankheitsschub und wahrscheinlich völlig aufgehobener Schuldfähigkeit, wie ein psychiatrischer Sachverständiger bescheinigte. Als der Zugbegleiter kurz vor dem Bahnhof Rosenheim die Fahrkarte sehen wollte, entfernte sich der 66-Jährige Richtung Toilette. Er schloss sich ein, schüttete flüssigen Grillanzünder in die WC-Schüssel und entzündete ihn mittels Papier. Dunkler Rauch entstand und verbreitete sich im Waggon. Der Zug hielt im Bahnhof Rosenheim. Die Bundespolizei holte vorsichtshalber die anderen Passagiere heraus.

Ein Bediensteter öffnete die verschlossene WC-Tür mit einem Vierkantschlüssel und löschte den Brand unter Mithilfe eines Kollegen mit einem Feuerlöscher. Der Zugbegleiter musste wegen des dichten Rauchs zurücktreten. Er trug eine leichte Rauchgasvergiftung davon. Bei der Gelegenheit drehte der 66-Jährige von innen wieder den Riegel zu und weigerte sich, herauszukommen. Bundespolizeibeamte konnten den Widerstand leistenden Mann nur mit erheblicher Kraft aus der Toilette ziehen.

Der Deutschen Bahn entstand durch den Brand wohl ein nicht allzu großer Sachschaden. Sie forderte jedoch einen Schadenersatz von circa 6200 Euro – für die Zugverspätung von 123 Minuten. Diesen Anspruch müsste die Bahn jedoch laut Verteidiger Erhard Frank aus Burghausen auf zivilrechtlichem Weg geltend machen.

Sowohl Staatsanwalt Thomas Langwieder als auch der Verteidiger waren sich mit dem Gericht einig, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Beschuldigten erfüllt waren. Genauso übereinstimmend hieß es in den Schlussanträgen wie im Urteil, die Unterbringung könne unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Vorsitzende Richterin nannte eine Bewährungszeit von fünf Jahren und unterstellte den 66-Jährigen für diese Zeit auch der Führungsaufsicht. Die ursprünglich angeklagte besonders schwere Brandstiftung sei nicht zu belegen gewesen, betonte Vorsitzende Richterin Barbara Miller. Der Beschuldigte habe noch versucht, den Brand zu verhindern. Andererseits seien Personen gefährdet gewesen. Das Risiko weiterer derartiger Straftaten sei in unbehandeltem Zustand hoch. Miller sagte: „Deshalb brauchen Sie Medikamente.“

Urteil sofort
rechtskräftig

Unter den Bewährungsauflagen nannte sie den regelmäßigen Besuch einer Nachsorgeambulanz sowie ein absolutes Drogen- und Alkoholkonsumverbot und regelmäßige Screenings. Der 66-Jährige müsse in eine therapeutische Wohngemeinschaft ziehen, seine Medikamente nach Vorschrift der Ärzte einnehmen und sich einmal monatlich den Kontrollen durch Blutentnahmen stellen. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig. Der 66-Jährige, bislang in vorläufiger Unterbringung, durfte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Monika Kretzmer-Diepold

Artikel 9 von 10