Wasserburg – Die Sanierung eines Denkmals ist eine Herausforderung. Die Eigentümergemeinschaft Grundner/ Maier zeigt dabei Pioniergeist: Auf ihr Dach in der Wasserburger Ledererzeile 14 kommen eine große PV-Anlage und eine Wärmepumpe. Ein Baustellenbesuch.
„Das wird eine abenteuerliche Zeitreise!“, sagt Helmut Grundner beim Treffen in der Ledererzeile 14 schmunzelnd. Er wird recht behalten. Abenteuerlich, weil es halsbrecherisch hoch hinaus geht bis aufs Dach über dem fünften Stockwerk, Zeitreise, weil das ehemalige Handwerkerhaus nahezu „Geschichte atmet“.
Wasserburg ist
Modellkommune
Beim Eintritt prägen Baulärm, Staub, Geröll, ein Gewirr von Leitern und Baumaschinen sowie eine ganze Schar von Handwerkern das Bild. Unfassbar, dass hier Ende 2024 Mieter einziehen sollen. Doch nicht nur im, auch auf dem Gebäude findet derzeit eine Sanierung statt, die Geschichte schreiben wird – in Wasserburgs historischer Altstadt sowie bayernweit. Denn die Innstadt ist Modellkommune für den landesweiten Versuch, den Denkmal- und Klimaschutz zu verbinden. Für diese Leistung gab es 2022 die Denkmalschutzmedaille.
Die Eigentümergemeinschaft der Familie Grundner/Maier wagt die erste Realisierung. Das 2020 gekaufte ehemalige Haus eines Lederers mit Dachtragwerk aus dem 18. Jahrhundert wird nicht nur für die Wohn- und Ladennutzung modernisiert, wofür nach eigenen Angaben zwei Millionen investiert werden. Es erhält auf dem Dach außerdem eine große PV-Anlage und eine Wärmepumpe (Invest von 150000 Euro). Bisher undenkbar in einer Altstadt, die komplett unter Ensembleschutz steht. Zu groß war stets die Sorge, die historische Dachlandschaft könnte gestört werden.
Doch Helmut Grundner will zeigen, dass es trotzdem geht. Er meldete sich mit seinem Vorhaben für das Modellprojekt „Denkmalschutz und PV“ an, das die Stadt mit dem Landesamt für Denkmalpflege durchführte.
Die ersten PV-Module sind schon auf dem Blechdach eingebaut, eine Konstruktion, die nicht auffällt – nicht einmal von der Schönen Aussicht aus. Diese Bedingung knüpft die überarbeitete Wasserburg Gestaltungssatzung. Sie teilt die Stadt in Sektoren und schreibt vor, wo was wie möglich ist. Höchste Anforderungen: der Kern der Altstadt. Das Haus Ledererzeile 14 gehört dazu.
Grundner, der mit seinen Eltern das gleichnamige Bauunternehmen in Soyen leitet, kennt im Gebäude jeden Ziegel, jeden Balken, viele kleine Details, die Jahrhunderte alt sind. Sein Herz schlägt auch für die Altbausanierung, obwohl das Unternehmen mit Sitz in Soyen auch neu und schlüsselfertig baut. Hier sind moderne Energietechniken mittlerweile Standard, bei Denkmälern noch nicht.
Eigentlich war in der Ledererzeile 14 eine Pelletsheizung angedacht, so der Bauherr. Doch der Platz reichte nicht aus. Eine Nahwärmeversorgung in der Altstadt gibt es nicht. Deshalb sei das Modellprojekt von Stadt und Landesdenkmalamt gerade recht gekommen.
Das schmale ehemalige Handwerkerhaus, das der Ledererzeile den Namen gibt, war ein Verkaufsgeschäft mit Werkstatt, darüber Wohnungen, ganz oben Lager. Das Tonnengewölbe ist noch sichtbar, ebenso eine original Wasserburger Decke mit Holzbalken. Im zweiten Obergeschoss eine barocke Decke aus dem 17. Jahrhundert. Ein Waschbecken hängt noch, das aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt, als Wasserburg die erste Kanalisation bekam. Auf dem Dachboden lagert das Nasenschild.
Hier ist der historische Dachstuhl noch vorhanden, eine freitragende Konstruktion, in die sich der Landeskonservator „verliebt“ habe, weil sie etwas ganz Besonderes sei, so der Bauherr. Für den Erhalt schlug das Denkmalamt aus München eine Lösung vor, die den alten Dachstuhl mit einer neuen Dachterrasse verbindet, die von der Ledererzeile aus jedoch nicht zu sehen ist.
In den 70er-Jahren wurde das Haus zum letzten Mal saniert, die ehemaligen Wohnungen versprühen sogar noch ein wenig den Charme der 50er-Jahre. Reste von nostalgisch anmutenden Tapeten mit Girlanden- und Blumenmustern sind zu erkennen.
Im obersten Dachgeschoss geht es über ein kleines Fenster hinaus auf das Gerüst, von dort über eine schmale Leiter auf das Dach. Hier installiert die Firma Göpfert aus Wasserburg die PV-Module. Die Anlage habe eine Leistung von 20000 Kilowattstunden pro Jahr, berichtet Grundner stolz. Laut Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann wurde eine „Blecheindeckung mit integrierten, farblich angepassten Soldarmodulen in Bahnenstruktur“ gewählt. Diese Art der Ausführung sei die erste in Wasserburg, „meines Wissens auch die erste auf einem Denkmal im Freistaat“, freut sich Herrmann. Der Stadt liegen nach ihren Angaben bereits vier weitere Anträge zur Errichtung von „gut gestalteten Solaranlagen auf Altstadtdächern“ vor. Alle seien erlaubnisfähig, freut sie sich, dass die neue Gestaltungssatzung und das geänderte Denkmalschutzgesetz Wirkung zeigen.
Große PV-Anlage
und Wärmepumpe
Die Solarmodule auf dem Dach der Ledererzeile 14 werden ab Ende 2024 auch eine Wärmepumpe mit Strom versorgen. Zum Konzept gehört außerdem ein Pufferspeicher. Ziel: Komplettversorgung im Sommer, auch für den Warmwasserbedarf, im Winter gibt es als Reserve noch eine kleine Gastherme. Die Wärmepumpe auf dem Dach wird optisch so ausschauen wie der alte Kamin, also ebenfalls kaum auffallen, freut sich Grundner.
Weitere Fotos und ein Video finden Sie auf www.ovb-online.de.