Rosenheim/Traunstein – Es schneit seit Stunden. So tonnenschwer, nass und erdrückend wie lange nicht. Der Funkalarm von Nicolas Maier (26) piepst um 5.33 Uhr. Um 5.40 Uhr steht er mit den ersten Helfern einsatzbereit vor der Johanniter-Rettungswache. Von null auf hundert in sieben Minuten – sagenhaft.
Eigentlich hatte Maier mal ausschlafen können am Samstag, in aller Ruhe frühstücken, die Wohnung in Wasserburg auf Vordermann bringen und dann Balu und Elsa „bespielen“. Balu und Elsa – das sind seine zwei sechs Monate alten Katzenbabys.
Aber es kommt anders. Weil es ihn doch noch gibt, den Winter. Am ersten Adventswochenende zeigt er sich von seiner naturgewaltigsten Seite – ebenso schön wie gefährlich und zerstörerisch.
Deshalb reißen die Funkwecker tausende Einsatzkräfte aus dem Schlaf – in Rosenheim, in Traunstein, in Mühldorf. Vereint stemmen sie sich gegen die Neuschneelast und ihre Folgen – und die meisten von ihnen, so wie Maier, nicht nur ohne jede Anlaufzeit, sondern auch ganz ehrenamtlich. Sie kriegen dafür keinen Cent.
Weihnachtsaktion für
Johanniter-Zentrum
Das ist der eigentliche Kern dieser Geschichte, die sich auch um einen der vielen unverwüstlichen Feuerwehrler drehen könnte, die an vorderster Schneefront bis zur Erschöpfung sägten, schaufelten, schoben, zogen und räumten. Aber hier geht es um Nicolas Maier, einen jungen Johanniter – und das aus gutem Grund, weil die aktuelle Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ dem Neubau des Johanniter-Zentrums Oberbayern Südost gewidmet ist.
Wie dringend das neue Zentrum benötigt wird, lässt sich an Nicolas Maier und dem jüngsten Schneechaos-Einsatz gut festmachen. Anziehen, Katzenwäsche, Zähneputzen, Auto freischaufeln, die kurze Anfahrt: All das erledigt Maier in einem so atemberaubenden Tempo, umso schnell wie möglich an die Dienststelle in Wasserburg zu kommen.
Doch dann wird es kompliziert, was nicht etwa an einem Einsatzkräftemangel liegt – 20 weitere ehrenamtliche Johanniter-Helfer sind ja auch schon da. Nein, das liegt am eklatanten Platzmangel.
Das Umziehen im völlig zugeschneiten Container: eine noch größere Herausforderung als sonst; das Aufziehen der Schneeketten auf die Notfallkrankentransportwagen: nur draußen möglich – in der Garage ist es dafür zu eng. Zudem stehen wichtige Einsatzmittel, darunter das Notstromaggregat, im Freien herum – und das auf drei Standorte verteilt. Das bedeutet: dreimal fahren, dreimal freischaufeln, und so fort.
Maier kennt das Dilemma aus nahezu täglicher Erfahrung – und hofft nun auf die Hilfsbereitschaft unserer Leserinnen und Leser bei der OVB-Weihnachtsaktion. „Das Zentrum verschafft nicht nur uns 150 ehrenamtlichen Johannitern endlich akzeptable Bedingungen, davon können auch alle Menschen in der Region im Ernstfall profitieren“, betont er.
Einsatz-Odyssee
durchs Winterchaos
Einsatzbereitschaft gehört für Maier zum Leben wie für andere der Kaffee. Schon als kleiner Bub mit elf Jahren ist er zu den Johannitern gekommen, mit 16 hat er seinen Sanitätshelferkurs gemacht. Schnee-Einsätze wie am Wochenende fallen in die Kategorie Bevölkerungsschutz. Genau hierfür ist Maier der ehrenamtliche Bereichsleiter bei den Johannitern. Er hat bei Katastrophen wie dem Zugunglück von Bad Aibling 2016 geholfen, der desaströsen Flut im Ahrtal 2021 oder dem Hagelsturm, der erst im August 2023 über Bad Endorf hinweggefegt ist.
Ganz so dramatisch ist es am Samstag für die Johanniter zwar nicht gewesen, trotzdem kommt es aufgrund der Schneemassen zu abenteuerlichen Einsätzen – etwa wenn Patienten nach einem Sturz ins Krankenhaus gebracht oder aus einem anderen Grund vom Seniorenheim in die Klinik verlegt werden müssen. So wird allein die einfache Fahrt von Bad Feilnbach nach Wasserburg wegen umgestürzter Bäume, gesperrter Straßen und querstehender Lkw zu einer wahren Odyssee, die sich vier Stunden lang hinzieht.
Ja, da ist Nicolas Maier schon deutlich schneller, wenn sein Piepser los geht – und das passiert oft, zu jeder Tag- und Nachtzeit. Warum er sich das antut? „Verkehrte Frage“, kontert der gelernte Informations- und Telekommunikationselektroniker und Notfallsanitäter lächelnd. „Man tut sich ja nichts an. Man tut so etwas aus tiefer Überzeugung. Weil man seinen Mitmenschen helfen und etwas bewegen will. Aus Liebe zum Leben.“
Macht die Freundin
das mit? Ja, und wie!
Und die Freundin macht das mit? Wieder die falsche Frage. „Ja, die macht das mit“, sagt Maier – und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Schließlich hatte seine Freundin – Sophia Bürger, auch 26, auch Johanniterin – am Wochenende auch keine Zeit für die Katzerl und Haushalt. Auch ihr Piepser ging um 5.33 Uhr los. Auch sie stand wenig später einsatzbereit auf der Wache. Chapeau!
Die Namen der
Spender, Seite 26