Rosenheim – Nachts auf die Toilette zu müssen, aber nicht zu können, weil man den Weg allein nicht schafft, ist keine schöne Vorstellung. Selbst dann nicht, wenn man am Ende klingeln und um Unterstützung bitten kann. Ganz prekär ist es aber, wenn klingeln nichts nützt, weil niemand da ist. Was bleibt, sind unwürdige Maßnahmen der Selbsthilfe: etwa bereits am Nachmittag nichts mehr zu trinken, nur um nicht Gefahr zu laufen, nachts raus zu müssen.
In dieser Situation befanden sich einige Jahre lang die schwerst behinderten Bewohner der Einrichtung „Integriertes Wohnen Schießstattstraße“. Tagsüber waren sie bestens versorgt, nur nachts eben auf sich allein gestellt. Glücklicherweise stimmt hier der Spruch, dass bisweilen, wenn die Situation besonders verfahren erscheint, dann doch noch ein rettender Engel auftaucht. In dieser Einrichtung war dies Notar Dr. Sebastian Spiegelberger, der deshalb als Ehrung für sein nun schon über zwanzig Jahre währendes Engagement die Auszeichnung „Goldene Rampe 2023“ verliehen bekam. Hans Loy, Vorsitzender des „Arbeitskreises Inklusion – Menschen mit Behinderung mittendrin“, erzählte bei der kleinen Feierstunde von den Anfängen. Spiegelberger habe sich allmählich darauf vorbereitet, in den Ruhestand zu gehen, als 2009 bei ihm Altoberbürgermeister Dr. Michael Stöcker, Maria Bergmann, Jakob Brummer und er vorsprachen. Die Frage war, ob er sich nicht vorstellen könne, in der Nachfolge von Maria Bergmann den Vorsitz des Fördervereins für die Einrichtung in der Schießstattstraße zu übernehmen.
Spiegelberger wiederum erinnerte sich an das Treffen mit den Worten: „Es gibt Fragen, die man nur mit ‚Ja‘ beantworten kann.“ Einen Besseren hätten wir nicht finden können, meint Loy, denn eine Organisation, die von einem Förderverein unterstützt wird, kann als solche so gut und so anerkannt sein, wie sie will. Hat ihr Förderverein nicht ebenfalls ein hervorragendes Niveau, können trotzdem keine großen Sprünge gemacht werden. Viel hängt dabei von der Führung des Fördervereins ab: Potenzielle Spender müssen von der Seriosität, dem Fachverstand und auch der Durchsetzungsfähigkeit der entsprechenden Person gleichermaßen überzeugt sein. In Spiegelberger vereint sich dies alles. Ihm gelang es nicht nur, Mittel zur Finanzierung der Nachtbereitschaft zu gewinnen, sondern diese mit Ehrenamtlichen auch zu organisieren. Beides – und das ist durchaus entscheidend – in einer Weise, die den Bestand der Nachtbereitschaft auch weit in die Zukunft hinein garantiert.
Der Förderverein ist sogar in der Lage, über die Sicherung der Nachtbereitschaft hinaus zu unterstützen: Immer dann, wenn sich aus einer Behinderung Lebenserschwernisse ergeben, die durch kleine technische Hilfsmittel zu beseitigen wären, für die aber kein Knotenpunkt des sozialen Netzes die Kosten übernehmen will. Ob es Reparaturen oder Inspektionskosten eines behindertengerechten Autos sind, ein Steuergerät für einen Rollstuhl, der damit noch besser elektrisch betrieben werden kann. Für diejenigen, die damit unterstützt werden und Mobilität zurückgewinnen, eröffnet sich mit einem Mal wieder Teilhabe am Leben.
Spiegelberger erhielt 2017 schon das Bundesverdienstkreuz und, in diesem Jahr, die Verdienstmedaille der Stadt Rosenheim geehrt wurde. jt