Aschau/Traunstein – Tag 18 des Mordprozesses um den gewaltsamen Tod von Hanna, und vor dem Landgericht Traunstein wird es laut. Und ein überraschender Besucher sorgt für Irritationen. Verkommt die Verhandlung zur Schlammschlacht?
Die Schwester hatte am vergangenen Dienstag noch die Aussage verweigert, mit Hinweis auf Paragraf 55 der Strafprozessordnung. Die Gefahr, sich selbst mit einer Aussage zu belasten, sah das Gericht bei Lea R. (18) nicht. Die sagte dann auch vor der Zweiten Jugendkammer des Landgerichts Traunstein aus. Um es kurz zu machen: Sie belastete den Angeklagten Sebastian T. Er hat, wenn man den Worten der Zeugin glaubt, zu einem Zeitpunkt von Hannas gewaltsamem Tod in Aschau gewusst, als in der Öffentlichkeit niemand davon erfahren haben konnte.
Und, auch das sagte sie: Sie sei dabeigewesen, als Sebastian T. den Mord in geselliger Runde gestanden habe – am Abend vor seiner Verhaftung am 17. November 2022. Sebastian T. sei bei einer Party im Haus ihrer Mutter betrunken auf der Couch gesessen und habe „unvermittelt“ gesagt: „Ja, ich geb‘s zu. Ich war‘s. Ich hab‘ sie umgebracht.“ Die Anwesenden seien „geschockt“ gewesen, sagte die Zeugin. „Wir haben nicht gewusst, ob er es ernst gemeint hat.“
Was Lea R. sagte oder was sie offenließ, weil sie sich nicht mehr erinnern konnte: Das liegt an der Oberfläche des Mordprozesses um den gewaltsamen Tod von Hanna W. Darunter aber brodelt es. Der Ton ist rauer geworden im großen Saal des Landgerichts Traunstein. Und am Donnerstag, 7. Dezember, kam es zum Eklat. Verteidiger Dr. Markus Frank konfrontierte die Zeugin irrtümlich mit einer Behauptung, einem falschen Vorhalt, was die Staatsanwaltschaft und Nebenkläger-Vertreter Walter Holderle auf den Plan rief. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler sprach von „Frechheit“. Man müsse schon mitschreiben, wenn man dem Zeugen etwas vorhalten wolle. Zuvor war Rechtsanwältin Regina Rick Richterin Jacqueline Aßbichler ins Wort gefallen. Die Vorsitzende störe den Fluss der Zeugenvernehmung, rief Rick mit steigender Lautstärke, sie unterbreche die Aussage stets dann, „wenn‘s für die Zeugin eng wird“. Ein Einwurf, den sich die Richterin entschieden verbat. Sie unterbrach dann auch bald darauf die Unterhaltung – für eine Besinnungspause.
Die Atmosphäre des Prozesses ist gereizt. Die Anwesenheit eines überraschenden Prozessbeobachters rief da zusätzliche Irritationen hervor. Manfred Genditzki (63), der sensationell nach 13 Jahren Haft freigesprochene Hausmeister, der fälschlich des Mordes an einer Senioren beschuldigt worden war, nahm im Besucherbereich des Großen Saals Platz. Die Anwältin, die im Wiederaufnahmeverfahren im Sommer den Freispruch für Genditzki erwirkt hatte, sitzt ja seit einigen Wochen zur Linken des Angeklagten Sebastian T.: Regina Rick.
Er habe von dem Prozess gelesen, finde ihn interessant, und es sei ja auch seine Anwältin beteiligt, sagte Genditzki.
„Und es sollen ja auch dieselben Behörden an den Ermittlungen beteiligt sein“, sagte der 63-Jährige. Behörden: Damit meinte er wohl vor allem die Ermittlerin, die sowohl in seinem als auch im Fall Hanna beteiligt war.
Vermutlich haben er und Regina Rick am Donnerstagabend auch denselben Termin: Genditzki ist als Gast im RTL-Jahresrückblick mit Steffen Hallaschka geladen. Sein Erscheinen auch schon am Landgericht sorgte bei so manchem für Stirnrunzeln. Hans-Peter Butz, seinerzeit Leiter der Soko „Club“, sprach von einer „Showveranstaltung“ der Verteidigerin: „Unsäglich!“
Die Nebengeräusche drohen die Details zu übertönen. Auch die Aussage der Zeugin wies Widersprüche auf. Nicht unbedingt überraschend, sieht man sich den langen Abstand von polizeilicher Vernehmung und Aussage vor dem Landgericht an.
Das Gericht wird sich wohl sich auch die Whatsapp-Verläufe nochmal in detaillierter Chronologie vornehmen. Sollte Sebastian T. Täterwissen preisgegeben, er gar die Tat im Bekanntenkreis kurz vor seiner Verhaftung gestanden haben: Die beiden Schwestern, der gemeinsame Bekannte, Sebastian T. und auch die Mutter der beiden Schwestern könnten sich darüber auch in Messenger-Diensten ausgetauscht haben.
Nachgeforscht wird wohl auch beim sogenannten Knastzeugen. Die Verteidigung stellte einen Beweisantrag. Vorgeladen werden soll unter anderem die Psychologin, die diesen Mithäftling des Angeklagten betreute. Die Beweiserhebung werde zeigen, dass der Zeuge ein notorischer Lügner sei, sagte Rick.Michael Weiser