Rosenheim – Robert Multrus ist es wichtig, einen Plan zu haben. „Wir müssen uns Alternativen überlegen, für den Fall, dass Galeria doch schließt“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler/UP am Telefon. Wie wichtig das ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Anfang des Jahres hatte die Konzernleitung von Galeria Karstadt Kaufhof bekanntgegeben, dass sie 52 Filialen dichtmachen sollen. Darunter auch die in Rosenheim. Das Kaufhaus an der Münchener Straße sollte nach den ursprünglichen Plänen Ende Januar 2024 geschlossen werden. Es folgten Videokonferenzen und Gespräche mit den Eigentümern – schließlich wurde Ende April bekanntgegeben, dass es mit dem Rosenheimer Standort doch weitergeht. Darauf ausruhen, wollen sich Robert Multrus und seine Fraktion nicht. Auch aufgrund der jüngsten Entwicklungen. So hat die Unternehmensgruppe Signa, zu der auch Galeria Kaufhof zählt, die ersten Insolvenzanträge gestellt. Das wiederum könnte dazu führen, dass weitere Filialen dicht machen.
„Eine weitere Reduzierung der aktuell noch 110 Häuser halte ich für sehr wahrscheinlich. Insbesondere kleine und mittlere Städte werden davon betroffen sein“, sagt Dr. Johannes Berentzen. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei BBE, einem Unternehmen, das in München seinen Sitz hat und bundesweit die Entwicklung des Einzelhandels und im Speziellen von Kaufhäusern beobachtet.
„Die Strahlkraft der Warenhäuser hat in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen“, weiß der Experte. Trotzdem seien die Galeria-Häuser insbesondere in kleinen und mittleren Städten ein Frequenzbringer. Das zeigt auch ein Blick auf das Einzelhandelskonzept, das von dem Stadtentwicklungsbüro Cima erstellt wurde. So ist Galeria der mit Abstand flächengrößte Anbieter in Rosenheim. Er nimmt sieben Prozent der Gesamtfläche und fast ein Viertel der Verkaufsfläche in der Innenstadt in Anspruch.
In dem Warenhaus erhältlich sind neben Bekleidung und Sportartikeln auch Heimtextilien, Spielwaren sowie Haushaltswaren. Die Breite des Sortiments und die Produktvielfalt tragen laut den Cima-Experten maßgeblich zur „Kaufkraftbindung in der Innenstadt bei“. Sowohl der Einzelhandelsstandort Rosenheim als auch die Innenstadt würden von dem Angebot des Warenhauses profitieren. „Das Wegfallen des umfassenden Angebots sowie ein etwaiger Leerstand in der entsprechenden Größenordnung in zentraler Lage hätte ohne Zweifel Auswirkungen auf die restliche Innenstadt“, heißt es in dem Gutachten.
Kommunen sollen sich Alternativkonzepte überlegen
Aus diesem Grund rät Dr. Johannes Berentzen Kommunen dazu, sich Alternativkonzepte zu überlegen. „Gegebenenfalls kann es sogar sinnvoll sein, dass sich die Stadt aktiv an der Nachnutzung beteiligt oder sogar die Immobilie erwirbt. Ich kann in solchen Fällen nur empfehlen, dass die Stadt nicht versucht, der bessere Händler zu sein“, sagt er. Auch den Freien Wählern ist es ein Anliegen, dass sich die Verwaltung Gedanken darüber macht, wie es weitergehen könnte.
„Auch wenn konkrete Krisensituationen derzeit nicht im Raum stehen, kann man aus der Entwicklung der vergangenen Jahre nur schließen, dass hier vorübergehende Überlegungen seitens der Stadt dringend erforderlich sind, um im Notfall kurzfristige und effektive Reaktionen zu ermöglichen“, heißt es in einem Antrag von FW/UP an Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Möglich machen würde das die Aufstellung einer Bauleitplanung. Diese schreibt vor, welche Entwicklungen sich die Stadt an dieser Stelle vorstellen könnte – und welche nicht. Mit einer Bauleitplanung könnte beispielsweise verhindert werden, dass sich Casinos oder Bordelle in der Innenstadt ansiedeln. „Es geht vor allem darum, dass wir nicht so unvorbereitet sind wie beim letzten Mal“, sagt Robert Multrus.
Zudem ist es ihm ein Anliegen, dass man sich vonseiten der Wirtschaftsförderung über mögliche Nutzungsmodelle Gedanken macht. So sei durchaus vorstellbar, dass in dem Gebäude Treffpunkte für Senioren entstehen, Teile der Verwaltung untergebracht werden oder verschiedene Geschäfte und Gastronomien einziehen.
Dass vielfältige Nutzungen für Objekte mit mehreren Etagen durchaus funktionieren können, weiß auch Dr. Johannes Berentzen. „Nur die reine Handelsnutzung wird seltener“, sagt er und fügt hinzu: „ Selbst in den Top-7-Städten in Deutschland funktioniert Handel ab dem zweiten Obergeschoss nicht mehr so gut wie noch vor einigen Jahren.“ Oftmals laufe es deshalb auf eine Mischnutzung hinaus. Heißt: Handel, Büros, Co-Working-Spaces, ein Hotel, Dienstleistungen, Kultur und Wohnen.
Dass sich immer mehr Städte daran orientieren, beweist eine BBE-Analyse der rund 50 Warenhausschließungen in den vergangenen zehn Jahren. Das Ergebnis: „80 Prozent wurden baulich stark verändert, 30 Prozent davon sogar abgerissen und neu gebaut“, sagt Berentzen. Nur in 20 Prozent der Fälle sei eine reine Handelsnachnutzung zu beobachten gewesen, 80 Prozent wurden als Mixed-Use-Objekte fortgeführt – also mit einer vielseitigen Nutzung.
Generell rät Berentzen Kommunen dazu, „aktives Leerstandsmanagement zu betreiben“. „Dafür muss man die Vermieter kennen, im Austausch stehen, Wackelkandidaten identifizieren und bei der Nachbesetzung mitwirken“, sagt der Experte. Überlässt man das dem Markt, kann es ihm zufolge zu den bekannten Anhäufungen von Barbieren, Ein-Euro-Shops, Nagelstudios und Spielhallen kommen. „Das kann der Sargnagel einer attraktiven Innenstadt sein“, sagt er.
Die Stadträte haben sich deshalb bereits vor einigen Wochen mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass Rosenheim einen sogenannten Flächenmanager bekommt. Zudem sollen die leerstehende Gewerbeimmobilien in den Erdgeschosslagen digital erfasst werden, mit dem Ziel, die Entwicklungen am Immobilienmarkt zu dokumentieren, freie Immobilien zu bewerben und die Vermittlung an Interessenten zu unterstützen.