Rosenheim/Mühldorf – Sich um alles kümmern, was eine Batterie hat: Das ist der Job von Hausnotruftechniker Georg Brugger. Eigentlich. Dann lässt ihn der traurige Blick von Mucki nicht mehr los – eine echte Katze, keine batteriebetriebene. Sie soll eingeschläfert werden, Brugger bewahrt sie davor. Noch eine Johanniter-Story, die ans Herz geht.
Aus Liebe zum Leben – das ist das Leitmotto der Johanniter. Helfer wie Georg Brugger (38) aus Eiselfing sorgen dafür, dass der Spruch nicht nur auf dem Papier steht. Denn Unterstützung, die tausende Bedürftige in der Region erfahren, beschränkt sich nicht aufs technisch und medizinisch Machbare. Es geht auch um etwas Wärme und Mitmenschlichkeit. Leute wie Brugger sind speziell für die vielen alten, alleinstehenden Menschen ein Segen. Und manchmal eben auch für ihre Katzen.
So eine einsame Seele ist eine Rentnerin aus Pfaffing, die mit ihren weit über 90 Jahren immer noch allein in ihrem alten Bauernhaus zurecht kommt. Ihre einzige Begleiterin im schweren Alltag: Katze Mucki. Dann kommen die Nachbarn, die sich liebevoll um die Frau kümmern, und dann die netten Helfer vom Johanniter-Ortsverband Oberbayern Südost. Sie sind stets zur Stelle, wenn es ihr schlecht geht oder wenn sie stürzt.
Die Frau muss nur auf den Hausnotrufknopf drücken – und schon rücken die Johanniter an. Das tut sie öfter, und so ist auch Georg Brugger mehrmals in Pfaffing im Einsatz. Der Hausnotruf sorgt nicht nur für schnelle Hilfe. Er trägt dazu bei, dass die Seniorin um so manchen Krankenhausaufenthalt herum kommt und – trotz aller Wehwehchen – ein weitgehend selbstbestimmtes Leben daheim führen kann. Und das bis zum allerletzten Tag.
Im Dezember 2021 ist es dann so weit. Ein Schlaganfall, die Seniorin stirbt kurz vor ihrem 98. Geburtstag. Wenige Tage später wartet auf Brugger deshalb die letzte traurige Mission in Pfaffing: die Notrufanlage abbauen und mitnehmen. Bald schon wird sie woanders installiert werden. Schließlich betreuen die Wasserburger Johanniter in ihrem Verbandsbereich Oberbayern Südost mit ihrem Hausnotruf inzwischen rund 1000 Haushalte, vor allem in den Kreisen Rosenheim, Ebersberg, Mühldorf und Traunstein – Tendenz steigend.
Zwei traurige Augen – ein Katzenjammer
Beim Abbauen der Anlage ist Brugger nicht allein. Mucki sitzt auf der Couch, quasi einen Katzensprung entfernt, rührt sich nicht vom Fleck, wirkt wie erstarrt. Aber sie schaut ihm genau zu. Als der Techniker dann den Stecker zieht, geht ihm ihr Blick durch und durch. So als würden ihn die zwei großen, traurigen Katzenaugen fragen: Und was wird jetzt aus mir?
Hat eine Katze sieben oder neun Leben? Wer weiß das schon genau. Im Fall von Mucki sind es in jedem Fall mehrere gewesen. 2003 war sie der alleinstehenden Frau in Pfaffing zugelaufen, genau an ihrem 80. Geburtstag. Das „Geschenk“ – eine Europäisch Kurzhaar, braunes Fell, getigert, leichter Rotstich – war schnell auf den Namen Mucki getauft, und durch die ebenso rasch gebaute Katzenklappe kam und ging die junge Streunerin, wann sie wollte.
Mucki und der
warme Leberkäs
Dabei haben Mucki die vielen Autos auf der Hauptstraße ebenso wenig etwas anhaben können wie die nicht immer katzengerechte Ernährung mit Pfannkuchensuppe, warmem Leberkäs oder Schokolade. Brugger und seine Johanniter kennen die Geschichte gut: Wer Mitmenschlichkeit und Wärme zeigt, der hört auch zu und sieht hin.
Als Mucki im Dezember 2021 Brugger bei der Arbeit zuschaut, ist sie schon 20 – ein biblisches Katzenalter. Doch nun scheint auch ihre Lebensuhr abgelaufen zu sein. Nach dem Tod der 98-Jährigen findet sich niemand, der die Katze zu sich nehmen will. Also soll sie eingeschläfert werden, das steht schnell fest.
Brugger erfährt davon, Muckis Blick geht ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie ihrem Schicksal zu überlassen, bringt er nicht übers Herz. Schon seit 2008 ist er ein Johanniter und hat, wie er selbst sagt, „schon alles gemacht, was es gibt“ – Rettungsdienst, Fahrdienst, Sanitätsdienst, Jugendarbeit, Schichtleitung, Katastrophenschutz, Disposition, Hausnotruf. Jetzt fehlt nur noch Katzenretter.
Also schaut Brugger bei Mucki in Pfaffing vorbei, mehrmals. Freundin Olivia Glasl begleitet ihn. Die Katze wird immer zutraulicher, schließlich fasst sich das Paar ein Herz: Schluss mit dem Katzenjammer! Mucki kommt mit nach Eiselfing.
Genau zwei Jahre ist das her. Am 17. Dezember 2021 tapst Mucki, zaghaft und auf leisen Pfoten, durchs neue Zuhause, verkriecht sich einen Tag hinterm Sofa. Doch schnell taut sie auf – und genießt die ganz neue Qualität der Streicheleinheiten mit bloßer Hand. In Pfaffing hatte ihr die 98-jährige Frau zuletzt nur noch liebevoll mit dem Metallgehstock über das Fell fahren können.
Weil sich die Streunerin von einst sogar mit ihrem Eiselfinger Hauskatzenklo erstaunlich schnell anfreundet, findet sich auch alles andere. Heute ist Mucki mit fast 23 „körperlich noch immer topfit und verschmust“, freut sich Brugger. Wäre sie keine Katze, könnte man es so auf den Punkt bringen: Sie fühlt sich pudelwohl. Lediglich für ihre Diabetes muss Mucki täglich – ein nicht gerade billiges – Medikament schlucken. Ein paar Spuren hat der Leberkäs dann doch hinterlassen.
Schon bald ist das Viererglück komplett
„Wir haben es nie bereut, dass wir Mucki zu uns geholt haben“, betont Brugger – auch wenn so ein Tier das Leben verändert. Längere Urlaube sind nun tabu, er fühlt sich halt verantwortlich für seinen kleinen Tiger. Mucki genießt die Aufmerksamkeit sehr. Die Tage, an denen sich alles nur um sie dreht, sind jedoch gezählt. Im Frühjahr erwarten Georg Brugger und Olivia Glasl Nachwuchs – ein Mädchen. Aus Liebe zum Leben.