Reichertsheim/Kirchdorf – Chaos in der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Reichertsheim-Kirchdorf (Landkreis Mühldorf): Massive personelle Probleme sollen dafür gesorgt haben, dass die Verwaltung 2023 kaum handlungsfähig gewesen sei. Nun musste eine Beratungsfirma eingeschaltet werden, die wichtige Stellen in der VG kommissarisch besetzt hat.
In öffentlichen Gemeinderatssitzungen wurde jüngst erstmals publik, wie es um die Geschäfte steht. Von „1000 unbezahlten Rechnungen“ war im Kirchdorfer Gemeinderat die Rede. Seit Mai sollen keine Zahlungen mehr getätigt worden sein, hieß es. Gewerbesteuerbescheide seien zwischen Werbebriefen gefunden und Vorauszahlungen nicht im System verbucht worden. In der jüngsten öffentlichen Sitzung im Reichertsheimer Rat sah es ähnlich aus: Dort wurde berichtet, Bürger hätten monatelang auf Zahlungen warten müssen. Es wurde von Anträgen gesprochen, die eingereicht, aber nie bearbeitet worden seien. Auch von nicht generierten Gewerbesteuereinnahmen war die Rede.
Jürgen Seifert, ehemaliger Bürgermeister in Prien und inzwischen Inhaber von hjs-consulting, als Unternehmen spezialisiert auf die Beratung von Kommunen, hat seit November übergangsweise die Geschäftsleitung von Reichertsheim und Kirchdorf inne. Cornelia Taubmann, Kämmerin der Stadt Weiden, Dozentin für Finanzrecht an der Fachhochschule Hof, ist – ebenfalls übergangsweise – Finanzchefin in den Kommunen.
„Das Problem ist, jemand hat den Haushalt aus dem Jahr 2022 übernommen, das Jahr 2023 darüber geschrieben, alle Positionen auf null gesetzt und abgeschlossen“, erklärte Seifert in der Reichertsheimer Sitzung. Das bedeute: Im System sei das Häkchen „Rechtskraft festgestellt“ gesetzt worden, sodass der Haushalt als beschlossen, überprüft und somit rechtskräftig ausgewiesen gelte. „Es sah also so aus, als hätte der Gemeinderat einen Haushalt beschlossen, bei dem alle Positionen null sind“, so Seifert. Entsprechend hätte daran nicht weiter gearbeitet werden können. Wer das Häkchen gesetzt habe, sei nicht mehr nachzuvollziehen.
Um die Handlungsfähigkeit wieder herzustellen, wurde jetzt ein „Pseudo“-Etat rückwirkend aufgestellt. Das Zahlenwerk von 2022 wurde übernommen, auf jeden Posten ein Inflationsausgleich von zehn Prozent hinzugeschlagen. Diese Notlösung, trotz viel Kritik aus den Gemeinderäten mehrheitlich beschlossen, soll garantieren, dass die Verwaltungsgemeinschaft handlungsfähig bleibt. Sophia Huber