Ampfing – Den 13. Oktober 2023 werden Ampfing und die Region so schnell nicht vergessen: Nachts um 3.15 Uhr raste ein Schleuser mit seinem Mercedes Vito in die Ausfahrt Ampfing/Waldkraiburg, viel zu schnell und mit 23 Menschen in dem Neun-Sitzer. Der Mercedes kippte in der Kurve, überschlug sich mehrfach und kam erst auf der Abfahrt zum Liegen. Menschen wurden aus dem Wagen geschleudert oder in dem Wrack eingeklemmt.
Die Bilanz: sieben Tote – darunter ein sechsjähriges Kind – und 16 zum Teil schwerst Verletzte. Der Fahrer wollte offensichtlich 22 Migranten aus der Türkei und Syrien nach Deutschland einschleusen.
Ampfing
als Mahnmal
Die Schockwellen reichten bis nach München und Berlin. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einer „schlimmen Tragödie“, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) von einem „menschenverachtenden Verhalten“ der Schleuser. Ampfing wurde zum Mahnmal für eine unkontrollierte, illegale Migration und Schleuserkriminalität. Kurz nach drei Uhr nachts war einer Streife der Bundespolizei auf der A94 der Mercedes Vito aufgefallen. Die Polizisten wollten ihn anhalten und kontrollieren. Der 24-jährige staatenlose Fahrer mit Wohnsitz in Wien raste stattdessen teilweise mit Tempo 180 über die A94, vollführte dabei waghalsige Überholmanöver. Bei Ampfing bretterte er in die Ausfahrt nach Waldkraiburg und verlor in der Kurve die Kontrolle über das Fahrzeug.
Das zeigt auch ein rund 1:50 Minuten langer Videoclip aus der Beifahrerperspektive im Polizeifahrzeug, der inoffiziell an die Öffentlichkeit gelangte. „Wir sind jetzt direkt hinter dem Schleuserfahrzeug, bleiben erst mal dahinter“, funkte eine Polizistin. Mit den Worten „Unfall, Unfall! Fahrzeug verunfallt! Scheiße!“ endet das Video. „Es war keine Verfolgungsjagd, sondern der Versuch, das Auto zu kontrollieren“, hatte Maximilian Maier, Sprecher des Polizeipräsidiums, direkt nach dem Unfall gesagt.
Der Fahrer sitzt derzeit immer noch in Untersuchungshaft, die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, wie Dr. Bernhard Vietze, Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen mitteilt. Es sei ein „sehr komplexes Ermittlungsverfahren, das aufwendige Ermittlungsmaßnahmen erfordert“. Gutachten zum Unfallhergang seien in Arbeit wie ein „psychiatrisches Sachverständigengutachten hinsichtlich des inhaftierten Beschuldigten.“
Vorwurf des
siebenfachen Mordes
Die Staatsanwaltschaft in Traunstein wirft dem 24-jährigen Fahrer unter anderem siebenfachen Mord, 15-fachen versuchten Mord, das Einschleusen von Personen mit tödlichen Folgen und weitere Delikte vor. Der 24-jährige Fahrer wollte sich demnach nicht nur dem Zugriff der Polizei entziehen, sondern auch seine Beteiligung am Verbrechen der Schleuserei verhehlen – und zwar „zu jedem Preis“. Der ermittelnde Staatsanwalt habe bei dem Staatenlosen einen „bedingten Tötungsvorsatz“ erkannt, ihm sei es egal gewesen, dass er mit seiner Fahrt die anderen Insassen in Lebensgefahr brachte.
Die Zahl der Schleusungen hat zuletzt laufend zugenommen und sich gegenüber 2022 fast verdoppelt. 2019 verzeichnete die Staatsanwaltschaft Traunstein 273 Fälle. Von Januar bis Ende November lagen bei der Staatsanwaltschaft bereits 715 Verfahren auf dem Tisch, so Sprecher Vietze. „Zudem liegen noch circa 300 Schleuserverfahren bei den beiden Bundespolizeiinspektionen im Bezirk, die noch nicht an uns abgegeben wurden.“ In Summe 1015 Verfahren; hochgerechnet auf das Jahr sind es wohl 1107 – 93 Prozent mehr als im Vorjahr.
Vielzahl von
neuen Verfahren
„Die Monate mit den meisten neuen Schleusungsverfahren sind erfahrungsgemäß Oktober bis Dezember“, deutet Rainer Vietze, Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, noch höhere Zahlen an.
Nach dem Unfall nahm die Diskussion um illegale Einreisen und Grenzkontrollen bundesweit an Fahrt auf. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat im Herbst bekannt gegeben, dass durch die Einführung der Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz binnen eines Monats 90 Schleuser dingfest gemacht werden konnten.
„Im gleichen Zeitraum waren es im Bezirk der Staatsanwaltschaft Traunstein 200 bis 250“, so Staatsanwalt-Sprecher Dr. Bernhard Vietze.