Tuntenhausen – Im Jahr 2023 haben die Bürger der Gemeinde Tuntenhausen gezeigt, dass sie ihre Interessen durchsetzen können. In einem Bürgerentscheid stimmten 75 Prozent der Wähler für die Verbesserung der Nahversorgung im Lebensmittelbereich und damit für die Ansiedlung eines Discounters. Damit stellten sie die Weichen für die Veränderung des Bebauungsplanes am Moorweg.
Die Gemeindeverwaltung nahm den Auftrag der Bürger an und holte Angebote von Planungsbüros ein. Ab Januar soll der Bebauungsplan nun geändert werden. Danach wird er dem Gemeinderat zur Beschlussfassung erneut vorgelegt. Nach dem klaren Ergebnis des Bürgerentscheids müssten die Gemeinderäte eigentlich mit „Ja“ stimmen.
Die Änderung des Bebauungsplanes hatte die Eder Familienholding GmbH & Co. KG beantragt. Ihr Wunsch ist es, im Bereich der heutigen Firmenparkplätze westlich des Eder Profi-Baumarktes ein zweistöckiges Gebäude zu errichten. Im Erdgeschoss soll Verkaufsfläche für einen Lebensmittel-Discounter entstehen. Konkretes Interesse haben Aldi, Netto und Penny angemeldet.
Im Obergeschoss sind ein Beratungszentrum für die Volksbank Raiffeisenbank Rosenheim eG und ein Konferenzzentrum für die Eder GmbH geplant. „Unsere Architekten planen das Gebäude jetzt so weit, dass eine konkrete Investitionskosten-Schätzung möglich wird, mit der wir in die Verhandlungen mit unseren Mietern gehen können“, informierte Peter Eder über den aktuellen Projektstand.
Es war ein turbulentes Jahr in der Gemeinde Tuntenhausen, das die Menschen für fünf Monate in Discounter-Befürworter und -Gegner spaltete. Nachdem der Gemeinderat im Mai mit 11:10 Stimmen gegen die Änderung des Bebauungsplanes am Moorweg votiert hatte, ging ein Erdbeben durch die Gemeinde. Grund dafür war vor allem die Diskussion im Gemeinderat.
Bürgermeister Georg Weigl (CSU/FW) und Investor Peter Eder hatten auf Wunsch des Gemeinderates intensive Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium und der Regierung Oberbayerns geführt.
Mit klugen Argumenten konnten sie letztlich überzeugen: Die Regierung Oberbayerns änderte ihre Auffassung und gab grünes Licht für einen weiteren Einzelhandelsbetrieb am Moorweg. Zwei Gemeinderäte – Margit Kraus und Marcus Straßer (beide Liste 83104) – bewerteten die neue Stellungnahme aber als „Geschmäckle“ und „Gefälligkeitsgutachten“.
Der Bürgermeister verwahrte sich gegen diese Unterstellungen. Er sah den Ruf der gesamten Gemeinde geschädigt. Peter Eder, der der besagten Gemeinderatssitzung beiwohnte, sah den Ruf seiner Familie beschädigt und handelte: Die Eder Familienholding stellte ihr komplettes ehrenamtliches Engagement für die Gemeinde ein und „setzte sich damit gegen Volksvertreter zur Wehr, die persönliche Interessen und politische Ideologien vertreten und noch dazu falsche Informationen verbreiten“.
Wie sehr der Tuntenhausener Peter Eder an den Menschen seiner Gemeinde hängt und ihn dieser Schritt schmerzte, wurde wenig später klar. Ohne es „an die große Glocke“ zu hängen, nahm er das Sponsoring in der Gemeinde wieder auf. Gleichzeitig ging er aber gerichtlich gegen die beiden Gemeinderäte vor und forderte sie zu einer Unterlassungserklärung auf, denn: „Die Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sind absolut integer. Es ist eine Frechheit, ihnen, dem Bürgermeister und mir Korruption zu unterstellen.“
Auch die Bürger lehnten sich gegen die Gemeinderäte auf, die in ihrem Namen Entscheidungen getroffen hatten, mit denen sie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde verhinderten: „Solch ein Niveau geht für einen Gemeinderat einfach nicht“, sagte Peter Niedermeier und ergriff die Initiative für die Vorbereitung eines Bürgerentscheids.
Die Weichen dafür stellten 13 von 21 Gemeinderäten. Sie beantragten ein Ratsbegehren mit dem Ziel, dass die Bürger selbst entscheiden, ob sie einen Discounter wollen. Mit einem 14:6-Votum stimmten sie der Beschlussvorlage für das Ratsbegehren zu: „Soll der Bebauungsplan Nr. 55 ,Moorweg‘ geändert werden, um eine Verbesserung der Nahversorgung – insbesondere im Lebensmittelbereich – im Gemeindebereich Tuntenhausen zu erreichen?“ Parallel dazu formierten sich auch die Discounter-Gegner. Auf Flyern unterstellten sie unter anderem, dass ein „Ja“ zum Discounter eine Entscheidung für eine „unfaire, umweltschädliche und billige“ Gemeinde sei. Im September saßen alle Seiten noch einmal für ein OVB-Interview am runden Tisch.
Am 8. Oktober fiel in Tuntenhausen die Entscheidung: 75 Prozent der wahlberechtigten Bürger der Gemeinde Tuntenhausen gaben ihre Stimme ab. 75,4 Prozent der Wähler entschieden sich für die Verbesserung der Nahversorgung in Tuntenhausen und damit für einen Discounter.