Die unsichtbare Krebsgefahr

von Redaktion

Seit 1993 ist die Verwendung von Asbest in Deutschland verboten. Dennoch ist es immer noch in etlichen Wohnhäusern verbaut – auch in der Region. Mit der anstehenden Sanierungswelle droht jetzt eine ernsthafte Gesundheitsgefahr.

Rosenheim – Die Energiewende ist eines der ganz großen Themen der derzeitigen Bundesregierung. Wichtiger Bestandteil davon sind Gebäudesanierungen. Denn alte, schlecht gedämmte Gebäude sind regelrechte Klimasünder. Was jedoch kaum zum Thema gemacht wird, ist die mit den Sanierungen einhergehende Gesundheitsgefahr für Bauarbeiter und auch Hausbewohner. Denn ausgerechnet die Gebäude, die nun saniert werden, sind oftmals massiv mit Asbest belastet.

„Es sind im Prinzip die Gebäude betroffen, die zwischen den 1950ern und ungefähr den 1990ern gebaut wurden. Zu dem Zeitpunkt wusste man entweder noch gar nicht, dass Asbeststoffe gefährlich sind oder man hat sie noch genutzt, obwohl man wusste, dass sie gesundheitsschädlich sind“, erklärt Heike Stoffels, stellvertretende Regionalleiterin Bayern bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG-BAU).

Insgesamt sind der Gewerkschaft zufolge in der Region 40000 Wohngebäude (Stadt: 6200, Landkreis: 33800) und damit über 80000 Wohnungen (Stadt: 20200, Landkreis: 61100) von der Asbestgefahr betroffen.

Wann Asbest
gefährlich wird

Solange keine Arbeiten am Gebäude durchgeführt werden und der Asbest ruht, besteht in der Regel keine Gefahr für die Bewohner. „Aber sobald der Asbest offen liegt und man damit arbeitet, rein schneidet oder Löcher bohrt, kommen krebserregende Stoffe raus“, warnt Stoffels. Und das wohl größte Problem: Beim Asbest handelt es sich nur um kleine Fasern, die man weder riecht noch spürt oder schmeckt, die aber sehr leicht eingeatmet werden können. „Diese eingeatmeten Faserteilchen dringen bis weit in die Lungenbläschen vor, verbleiben langfristig im Lungengewebe und verursachen dort Reizungen“, erklärt Dr. Irina Getzendörfer, Fachärztin für Arbeitsmedizin in den Gesundheitszentren Rosenheim, Bad Reichenhall und Mühldorf.

Laut Getzendörfer ist das sehr gefährlich, denn „die feinen, länglichen Asbestfasern können vom Körper nicht entfernt werden“. Die Folge: Erkrankungen wie die Asbestose oder auch Lungen-, Brust- oder Rippenfellkrebs. „Besonders betroffen sind die Atemwegsorgane, also Kehlkopf, Lunge, Brust- und Rippenfell, aber auch das Bauchfell oder der Herzbeutel. In seltenen Fällen kann Asbest auch Krebserkrankungen der Hülle des Hodens- und des Nebenhodens oder der Eierstöcke verursachen“, warnt die Fachärztin.

Ein weiteres gravierendes Problem: Eine Asbestose bleibt in der Regel sehr lange unentdeckt, da sie bis zu 30 Jahre lang keine Symptome aufweist. „Symptomatisch wird eine Asbestose nämlich erst, wenn bereits große Teile der Lunge vernarbt sind. Durch diese Narbenbildung verliert das Lungengewebe an Elastizität und wird steif“, erklärt Getzendörfer.

Viele Arbeiter nicht
ausreichend geschult

Erste Symptome sind der Ärztin zufolge leichte Kurzatmigkeit, abnehmende körperliche Belastbarkeit und Reizhusten. Auch die Gefahr einer Herzschwäche aufgrund einer Überbelastung des Herzens durch die geschädigte Lunge besteht.

Eins ist also klar: Die Gefahr muss bereits am Bau erkannt werden, sodass entsprechende Schutzmaßnahmen, mit beispielsweise Atemmasken, getroffen werden können. Doch hier hapert es oftmals. Stoffels fürchtet, dass viele Arbeiter nicht ausreichend geschult sind: „Gerade bei Kleinstbetrieben oder Betrieben, die sehr günstige Angebote abgeben, wissen die Arbeitnehmer das sicherlich zum Großteil nicht.“

IG-Bau fordert
Asbest-Gebäudepass

Daher fordert die IG-Bau in ihrer Asbest-Charta unter anderem einen Asbestgebäudepass in dem eine Belastung durch Asbest vermerkt wäre. So könnten Firmen bei einer anstehenden Sanierung überprüfen, ob eine Asbestbelastung besteht und in der Folge entsprechende Schutzmaßnahmen treffen. Die Schutzmaßnahmen sind auch deshalb so wichtig, weil es keine Medikamente oder Ähnliches gibt, um Betroffene direkt nach dem Kontakt mit Asbest zu behandeln.

Es sollten sich allerdings nicht nur entsprechende Berufsgruppen über Asbest informieren. Auch Mieter sollten Bescheid wissen, wenn ihr Haus im bewohnten Zustand saniert wird. „Wenn ich mit dem Asbestbaustaub in Berührung komme, dann bin ich auch als Mieter einer Gefahr ausgesetzt“, macht Stoffels deutlich. Weiter rät sie, unbedingt den Kontakt zum Vermieter zu suchen, sofern nicht die Möglichkeit besteht, sich vor dem Staub zu schützen.

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