Traunstein/Rosenheim/Niederbayern – Neben erfundenen „tödlichen Verkehrsunfällen“ zählt die Legende von „Polizisten“, die Bargeld und Wertsachen vor „Einbrechern“ retten wollen, zu einer weit verbreiteten kriminellen Masche der Organisierten Kriminalität. In Rosenheim, Landshut, Passau, und Vilshofen fand eine Bande Ende 2022/Anfang 2023 fünf gutgläubige Opfer.
Schuldig
wegen Betrug
Zwei Täterinnen befand das Landgericht Traunstein des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs für schuldig. Das Urteil gegen die 28-jährige Hauptangeklagte aus Pocking über fünf Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft sofort rechtskräftig.
Die 28-Jährige und eine 38 Jahre alte Frau, beide aus Pocking, sowie ein 29-Jähriger ohne festen Wohnsitz mussten sich kurz vor Weihnachten wegen derartiger Betrugstaten vor der Sechsten Strafkammer mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler verantworten. Gemäß Anklage agiert die Bande von der Türkei aus. So genannte „Keiler“ rufen als angebliche Amtspersonen wie „Staatsanwälte“ oder „Polizeibeamte“ gezielt vorwiegend ältere Menschen in Deutschland an. Sie spiegeln Einbrüche in unmittelbarer Nachbarschaft vor, entlocken den Opfern durch geschicktes Fragen, ob sie Bargeld, Ersparnisse und Wertsachen besitzen.
Dann kündigen sie „Kollegen in Zivil“ an, die alles in Sicherheit bringen würden. Zu „Abholern“ und deren „Fahrer“ zählte die Staatsanwaltschaft die drei Angeklagten in diesem Verfahren.
Erstes Opfer wurde am 23. September 2022 ein inzwischen 84-jähriger Mann in Passau. Bereitwillig gab der alte Herr gegenüber dem Anrufer an, mindestens 50000 Euro Bargeld zu Hause zu haben. Etwa eine Stunde später war das gesamte Geld weg. Die 28-Jährige hatte es als „Zivilbeamtin Müller“ an sich genommen. Für einen „Staatsanwalt König in Passau“ sollte die Beute im zweiten Fall der Anklage bestimmt gewesen sein. Ein mittlerweile 79-Jähriger hatte der 28-Jährigen am 26. September 2022 ahnungslos 9950 Euro ausgehändigt.
In Landshut erbeutete die Gruppierung am 18. Dezember 2022 von einer 82-Jährigen zunächst Schmuck und Münzen im Wert von 6000 Euro, die sie weisungsgemäß in einem Stoffbeutel außen an die Haustürklinke gehängt hatte. Mit der ebenfalls von der Geschädigten übergebenen EC-Karte samt PIN hob die 28-Jährige am gleichen Abend 1000 Euro ab.
Weiteres Opfer der falschen Polizisten wurde am 5. Januar 2023 ein 94 Jahre alter Mann in Vilshofen. Wieder trat die 28-Jährige als „Zivilbeamtin“ auf und nahm an der Haustür 20 000 Euro von dem alten Mann entgegen, dazu noch zwei EC-Karten mit den zugehörigen PINs. Damit hob die Täterin wenig später zusätzlich noch 1720 Euro ab. Die 38-Jährige fungierte in diesem Fall als Fahrerin – sowohl zu dem Geschädigten als auch zu der Sparkasse.
Fünfte Geschädigte dieser Betrugsserie wurde am 24. Januar 2023 eine 87 Jahre alte Dame in Rosenheim. Mehrmals rief ein „Herr Fischer von der Kriminalpolizei Rosenheim“ bei ihr an und forderte, sämtliche Wertsachen zur „Wertbestimmung“ bei der Polizei abzuliefern. Angeblicher Grund waren vermehrte Betrugsdelikte in letzter Zeit in Rosenheim. In der roten Tasche für die 28-jährige „Zivilbeamtin“ befanden sich schließlich eine Kreditkarte, Schmuck und diverse Goldmünzen mit einem Gesamtwert von 41000 Euro. Dazu reichte die Geschädigte noch einen Umschlag mit 1400 Euro in bar. Der 29-Jährige wirkte bei diesem Beutezug mutmaßlich als Fahrer. Er chauffierte die 28-Jährige laut Anklage anschließend nach München, wo diese ein Konto der Geschädigten um 2000 Euro erleichterte.
Die Sechste Strafkammer sah alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bezüglich der beiden weiblichen Angeklagten als nachgewiesen an, bei der 28-Jährigen neben fünffachem banden- und gewerbsmäßigem Betrug auch drei Fälle des Computerbetrugs durch den Einsatz der EC-Karten. Die 38-jährige „Fahrerin“ kam ob ihrer Rolle bei den Betrügereien mit einer unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzten zweijährigen Strafe davon. Kein Urteil erging gegen den mutmaßlichen dritten Täter.
Verfahren
abgetrennt
Das Gericht trennte das Verfahren gegen den 29-Jährigen ab – wegen erst in der Hauptverhandlung bekannt gewordener vorgeblicher Alkoholprobleme. Die Kammer ordnete ein ärztliches Gutachten über den derzeit vorläufig in einem Bezirkskrankenhaus untergebrachten Angeklagten an. Wenn es fertig ist, erwartet auch ihn ein Prozess der Sechsten Strafkammer.