Vogtareuth – Gebrochene Dämme, überflutete Städte und zerstörte Häuser: Das Hochwasser von 2013 hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Nicht nur in der Region, sondern in ganz Bayern.
Mit diesen Bildern im Hinterkopf wurde 2014 die „Innstudie“ in Auftrag gegeben. Knapp zehn Jahre lang hat ein Forschungsteam dafür den Inn zwischen Oberaudorf und Passau nach Möglichkeiten zum Hochwasserschutz abgesucht. Ihre Ergebnisse haben sie im Dezember 2023 unter anderem im Feuerwehrhaus Vogtareuth präsentiert. Im Fokus standen dabei die zehn potenziellen Standorte für einen Flutpolder. Einer davon in Vogtareuth.
Ein Flutpolder ist ein Rückhaltebecken, das bei einem besonders großen Hochwasser künstlich geflutet wird. Dadurch verliert die Hochwasserwelle um einige Zentimeter an Höhe. Ein Polder in Vogtareuth könnte bei einem Hochwasser laut der „Innstudie“ nicht nur den Pegel in Wasserburg um bis zu 15 Prozent senken, sondern auch einen Einfluss auf den Pegel im über 115 Kilometer entfernten Passau haben.
Die Kosten für das Projekt werden nach Medienberichten auf grob 50 Millionen Euro geschätzt. Angedacht ist ein Fassungsvermögen von 17,4 Millionen Kubikmeter.
Damit wäre er um einiges größer als der Flutpolder in Feldolling bei Feldkirchen-Westerham. Dieser wird derzeit noch gebaut, wenn er fertig ist, sollen dort bis zu 6,62 Millionen Kubikmeter Wasser Platz finden.
„Bevor jemand ertrinkt, ist ganz klar, was wichtiger ist“, sagte Vogtareuths Bürgermeister Rudolf Leitmannstetter. Trotzdem bleiben die Vogtareuther skeptisch. Besonders die Bauern möchten wissen, wie es mit den betroffenen Feldern weitergeht.
Werden diese kniehoch mit Schlamm überdeckt sein, wenn der Polder geflutet wird? Nein, sagten die Verantwortlichen der Studie. Sie haben in ihrem Programm berechnet, dass die Fläche des Polders nach einer Flutung mit etwa vier Millimeter Schlamm überzogen sein wird. Vier Millimeter? Das wollen viele im Saal nicht glauben. „Waren Sie schon jemals bei uns am Inn unten?“, schallte es aus dem Saal.
„Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen bei der Planung die Anlieger bestmöglich miteinbeziehen“, sagte Bürgermeister Leitmannstetter: „Sie kennen den Fluss seit Jahrzehnten.“ Er betonte zwar, dass die Notwendigkeit eines Hochwasserschutzes außer Frage stehe, dass aber vorab die Fragen der Anlieger beantwortet werden müssen, denn sie seien „zu 100 Prozent betroffen.“ Dass der Polder in Vogtareuth auch wirklich gebaut wird, ist aber längst nicht sicher.
Bei der „Innstudie“ wurden lediglich potenzielle Standorte ermittelt. Wann eine endgültige Entscheidung getroffen wird, konnten die Verantwortlichen nicht sagen. Bis dahin müssen andere Maßnahmen die Region vor einer Überschwemmung schützen. „Ganz besonders das Staustufenmanagement war sehr interessant“, sagte Leitmannstetter. Professor Dr. Stephan Theobald von der Universität Kassel stellte beim Vortrag im Feuerwehrhaus Möglichkeiten vor, wie durch die intelligente Verwendung von Staustufen, der Hochwasserpegel abgesenkt werden kann. Vereinfacht erklärt: Wenn eine Hochwasserwelle im Anmarsch ist, werden vorab die Schleusen der Staustufe geöffnet. Dadurch wird der Pegel abgesenkt.
Bevor die Welle auf die Staustufe trifft, wird diese wieder geschlossen. So kann die Welle abgeschwächt werden. Das intelligente Staustufenmanagement ist aber keine Alternative für den Flutpolder. „Es handelt sich dabei lediglich um eines von vielen Werkzeugen“, betonte Theobald. Johann Posch