Lebensretter mit Superspürnase

von Redaktion

Balu ist kein asiatischer Bär, sondern ein Australian Shepherd. Deshalb probiert er es nicht mit Ruhe und Gemütlichkeit, wie der gleichnamige Dschungelbuchheld, sondern mit Beharrlichkeit und Trainingsfleiß. Denn er will schon bald Menschenleben retten. Genauso wie Charlie.

Rosenheim/Mühldorf – Wie weit der Weg zum Rettungshund ist, lässt sich an Balu und Charlie gut beschreiben. Beide Hunde haben – samt Frauchen und Herrchen – einen jahrelangen Ausbildungsmarathon hinter sich und dabei zielstrebig auf das große Ziel hintrainiert: die Prüfung bestehen und als zertifizierter Rettungshund nach Vermissten suchen. Charlie hat es schon geschafft, bei Balu soll es 2024 klappen.

„Wir trainieren schon seit Jahren, im Schnitt zweimal wöchentlich – und das bei jedem Wetter: im Regen, im Schnee, im Dunkeln sowieso“, beschreibt Hanna Krichbaumer (29) aus Feldkirchen-Westerham den im wahrsten Wortsinn steinigen Weg, den Hund und Mensch auf sich nehmen müssen. Krichbaumer ist das Frauchen von Balu und gleichzeitig die Leiterin der Rettungshundestaffel des Johanniter-Ortsverbandes Oberbayern Südost, die über 36 – ausschließlich ehrenamtliche – Mitglieder und knapp ein Dutzend Suchhunde verfügt.

Das große Abc des
Retter-Lateins

Charlie heißt der neueste geprüfte Rettungshund der Johanniter-Staffel Oberbayern Südost. Der dreijährige Vizsla-Ridgeback-Rüde verstärkt das Team gemeinsam mit seinem Hundeführer Fred Kersten aus Vogtareuth. Ende 2023 haben sie die anspruchsvolle Ausbildung mit Bravour abgeschlossen. 2024 können Charlie und Kersten nun als geprüftes Rettungshundeteam in den Einsatz gehen.

Die Spürnasen von Charlie und Balu sind bei der Vermisstensuche eine gute Basis, aber mehr auch nicht. Die Hunde müssen mit Kersten und Krichbaumer auch unter Druck ein perfekt funktionierendes Team bilden, klar und zuverlässig miteinander kommunizieren und sich blind verstehen. Hinzu kommt, dass Frauchen und Herrchen das große Abc des Retter-Lateins zu beherrschen haben.

Der Sanitätskurs ist bloß der Anfang. Katastrophenschutz, Einsatztaktik, Erste Hilfe am Hund, Navigation, Funk, Straßenverkehrsordnung, Unfallverhütungsvorschriften, kurz UVV, und so fort – die Themenfelder, die sie kompetent und souverän beackern müssen, sind so vielfältig und breit wie die künftigen Suchgebiete: Wiesen, Unterholz, Bachläufe, Wälder, Uferstücke, Straßen, Wege, Plätze, Hänge, Schluchten. Deshalb zieht sich die Ausbildung in der Regel über drei Jahre hin.

Dabei gibt es zwei Kategorien. Charlie ist ein Personenspürhund und Balu – sobald er die Prüfung bestanden hat – ein Flächensuchhund. „Personenspürhunde sind auch unter dem Begriff Mantrailer bekannt und folgen dem spezifischen Geruchsmuster einer bestimmten Person“, erklärt Fred Kersten. „Wenn der letzte Aufenthaltsort einer Person bekannt ist und es ein Geruchsmuster gibt, kann Charlie dieser Geruchsspur auch noch nach vielen Stunden folgen.“ Mit dieser Fähigkeit ergänzt Charlie die Rettungshundestaffel der Johanniter mit derzeit acht geprüften Teams für die Flächensuche optimal. Im Gegensatz zu Personenspürhund Charlie sind Flächensuchhunde darauf trainiert, den Geruch aller lebenden Menschen in einem Gebiet zu wittern, sie zu finden und den Fund anzuzeigen. Bei der Prüfung wird einem nichts geschenkt. Charlie und Kersten haben es nach dem Theorietest für den Hundeführer mit zwei Praxis-Aufgaben zu tun. Erst bekommt Charlie die Geruchsprobe eines Unbekannten, von dem es weit und breit keine Spur gibt – ein sogenannter Start-Negativ-Test. Dass es hier nichts zu schnuppern gibt, muss er seinem Hundeführer klar kommunizieren. Und das tut er. Bei der zweiten Prüfung gilt es, in einer Ortschaft einer zwölf bis 30 Stunden alten Geruchsspur mit mehreren Richtungsänderungen und Kreuzungen über eineinhalb Kilometer zu folgen und nach spätestens 70 Minuten die gesuchte Person zu finden. Auch das gelingt.

Balu und Hanna Krichbaumer haben das noch vor sich. Die Ärztin, die ihr Geld als Anästhesistin im Romed- Klinikum Rosenheim verdient, hat eine einjährige Tochter – da fällt der Spagat zwischen Beruf, Familie und Ehrenamt nicht immer leicht. Trotzdem trainiert die Johanniterin seit Jahren eisern mit Balu, der im Januar sechs wird, auf die Prüfung hin – und nimmt hierfür weitere Anfahrtswege in Kauf, nach Marquartstein und Maitenbeth, Kolbermoor und Kiefersfelden.

Warum sie sich die Strapazen antut? „Weil ich mich von Herzen gerne ehrenamtlich engagiere – speziell in der heutigen Gesellschaft, in der zuerst aufs eigene Wohlergehen geschaut wird“, sagt Krichbaumer. Idealismus statt Individualismus also – eine Einstellung, die auch 150 weitere Ehrenamtliche im Johanniter-Ortsverband Oberbayern Südost antreibt.

Wiener Würstl ja,
Silvesterkracher nein

Für Balu gilt das ebenso. Wenn Frauchen die Johanniter-Klamotten aus dem Keller holt, dann weiß er sofort, was die Stunde geschlagen hat. Dann ist nicht Ruhe und Gemütlichkeit angesagt, sondern tierisch-aufgeregte und schwanzwedelnde Vorfreude aufs Training und Wiener Würstl – seine Lieblingsbelohnung.

Nur an Silvester würden sich Balu und Charlie mehr Ruhe und Gemütlichkeit wünschen. Dann müssten sie sich nicht verängstigt unterm Tisch verkriechen – so wie immer am Jahreswechsel. Die Namen der
Spender, Seite 38

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