„Respektlos-Stil muss beendet werden“

von Redaktion

Interview Alexander Dobrindt über die Ampel, die K-Frage und den Nordzulauf

Rosenheim – Die Einsparpläne der Ampel-Regierung beim Haushalt 2024 sorgen für viel Kritik – vor allem aus den Reihen der Landwirte, E-Autofahrer, Berufspendler und der Opposition im Bundestag. Im Gespräch mit dem OVB erklärt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, warum sich die ländliche Bevölkerung in Bayern Sorgen machen muss, welche Entscheidungen es mit der Union nicht gäbe und wann es zu Neuwahlen kommen könnte.

Viele Menschen haben nach Bekanntwerden der Sparmaßnahmen der Bundesregierung Angst, sich das Leben nicht mehr leisten zu können.

Ich verstehe die Sorgen, weil sie absolut real sind. Es gibt gerade viele Menschen, die sich in ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bedroht sehen. Unter anderem, weil sie wissen, dass sie es sich nicht leisten können, ihre Heizung auszutauschen, weil sie erleben, dass die Energie deutlich teurer ist und sie jetzt auch noch mit Steuererhöhungen rechnen müssen.

Vor allem Landwirte fürchten nach dem geplanten Wegfall der Subventionen für Agrardiesel und der Abschaffung der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge um ihre Existenz. Berechtigt?

All diese Maßnahmen wären gar nicht notwendig, wenn die Ampel bereit wäre, auf ihre ideologischen Projekte zu verzichten. Allein das unsinnige Heizgesetz kostet Staat und Bürger nächstes Jahr Milliarden. Da gibt es sofort Einsparpotenzial. Genauso wie bei den 5000 neuen Sachbearbeiterstellen für die Kindergrundsicherung. Auch beim Bürgergeld wären Einsparungen umsetzbar. All das würde ausreichen, das selbst verschuldete Haushaltsloch der Ampel zu stopfen – und niemand müsste die Landwirte oder die Energiekunden belasten. Es ist die ideologisch verkorkste Politik der Ampel, gepaart mit ihrem Tricksen und Täuschen, was die Bürger emotional belastet. Deswegen lautet meine Botschaft fürs nächste Jahr, dass wir eine andere Politik brauchen. Der Respektlos-Stil der Ampel muss beendet werden.

Mit der Union in der Regierung hätten die Landwirte die Sorgen nicht?

Wir würden diese Einschnitte bei den Landwirten nicht machen, weil sie vollkommen unnötig sind und negative Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, die Verbraucherpreise und die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln haben. Diese Entscheidung wird für viele Landwirte die Fortführungsfrage ihrer Betriebe mit sich bringen. In der Folge wird es zu mehr Importen von landwirtschaftlichen Produkten kommen und weniger Produktion im Inland. Das ist der grundfalsche Weg.

Was sind weitere Folgen der Haushaltsentscheidung für Bayern?

Das ganze Ausmaß dieses Hütchenspieler-Kompromisses der Ampel ist noch nicht absehbar. Jeden Tag kommen neue Einschnitte ans Licht. Beispielsweise, dass fünf Milliarden Euro aus der Arbeitslosenversicherung in den Bundeshaushalt und weitere Gelder aus der Renten- und Pflegeversicherung abgezogen werden sollen. Das ist ein direkter Eingriff in die Tasche der Beitragszahler der Sozialversicherungen. Klar ist, dass das Leben für die Menschen durch die Ampel teurer wird.

Ist die Ampel-Regierung noch tragbar?

Olaf Scholz hat die Führung verloren. Die Streit-Ampel hatte nie ein gemeinsames Projekt. Sie ist offensichtlich nicht in der Lage, eine Politik zu gestalten, die das Land voranbringt. Deswegen wäre es ehrlich, wenn die Ampel eingesteht, dass sie keine Idee mehr hat, wie man das Land für die Zukunft fit machen kann. Es ist Zeit, den Weg freizumachen für Neuwahlen.

Wie realistisch sind baldige Neuwahlen?

Für Neuwahlen ist es zwingend, dass davor die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt wird. Ich habe schon lange das Gefühl, dass der Bundeskanzler das Vertrauen seiner eigenen Regierung nicht mehr genießt. Die FDP macht zum Beispiel gerade jetzt eine Mitgliederbefragung über den Verbleib in der Ampel. Daran zeigt sich, wie zerrüttet das Verhältnis der drei Parteien ist.

Wenn es zu Neuwahlen kommt, wer ist der Kanzlerkandidat der Union?

Wir haben das immer gleich beantwortet: Friedrich Merz ist der Favorit für die Frage der Kanzlerkandidatur.

Damit ist Markus Söder aber noch nicht aus dem Rennen.

Markus Söder hat auf diese Frage mehrfach selbst gesagt, dass sein Platz in Bayern ist.

Nach einem klaren Favoriten hört sich das nicht an. Fehlt der Union die große Persönlichkeit, die eine solche politische Lage jetzt nutzen könnte?

Wir sind sofort in der Lage, Neuwahlen zu bestreiten und auch ein Bundeskabinett zu stellen, das in der Lage ist, die Fehlentscheidungen der Ampel rückabzuwickeln und eine zukunftsorientierte Politik zu gestalten.

Sie in der Regierung – was passiert bei der Migrations-Politik?

Wir würden Deutschlands Magnetwirkung reduzieren: Sozialleistungen für Asylbewerber deutlich senken, den Familiennachzug einschränken und die freiwilligen Aufnahmeprogramme beenden. Auch das Ampel-Vorhaben einer Express-Einbürgerung nach drei Jahren würden wir stoppen. Darüber hinaus muss Schutz durch Europa nicht Schutz in Europa heißen. Schutzzonen außerhalb Europas zerstören die Logik des Schleusergeschäfts, weil es damit keinen Sinn mehr macht, für eine Schleusung Tausende Euro zu bezahlen. So kann man den illegalen Zustrom nach Deutschland stoppen.

Eine Soforthilfe für Grenzregionen wie Rosenheim gibt es nicht?

Doch. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen darf nur erfolgen für Menschen, die eine positive Bleibeperspektive haben. Ansonsten müssen Ankommende in Asylzentren untergebracht werden und von dort entsprechend in Drittländer oder ihre Heimatländer rückgeführt werden, um Druck von den Kommunen zu nehmen.

Ein anderes heißes Thema in der Region: Der Brenner-Nordzulauf. Ihre Einschätzung als ehemaliger Verkehrsminister.

Der Brenner-Nordzulauf hat eine lange Geschichte. Ich habe selbst in der Region vor Tausenden Demonstranten Rede und Antwort gestanden und dafür gesorgt, dass wir einen breiten Bürgerbeteiligungsprozess haben. Ziel war es, dass die Anliegen und Sorgen aus der Region wahrgenommen werden und im Planungsprozess eine starke Rolle spielen. Dieser Prozess muss nun konsequent zu Ende geführt werden. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass der Brenner-Nordzulauf notwendig ist.

Setzt sich die Union bei dem Thema auch für die Menschen im Inntal ein und stellt sich, wenn es sein muss, gegen die Deutsche Bahn?

Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir die Interessen der Menschen vor Ort und eine starke Nord-Süd-Verbindung der Eisenbahn in Einklang bringen wollen. Daran hat sich nichts geändert. Ob sich der aktuelle Verkehrsminister schon mit der Situation und den akuten Sorgen von Ort beschäftigt hat, ist mir nicht bekannt.

Interview: Julian Baumeister

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