Landkreis Rosenheim – Bei klirrender Kälte und im Stockdunkeln trafen sie sich. In Eggstätt, in Bruckmühl, in Kirchdorf. Traktoren in allen Größenordnungen, dazwischen immer wieder Lkws. Die meisten wollten nach München, zur zentralen Kundgebung am Odeonsplatz. Nicht alle kamen dort an.
Sie haben die Nase gestrichen voll, die Landwirte. Erst Ställe für viel Geld aufrüsten, um dem Tierwohl zu entsprechen, nun die Streichung der Agrardieselsubvention und der Kfz-Steuerbefreiung. Es waren auffallend viele jungen Frauen und Männer, die auf den Traktoren saßen. Aber auch Opa und Enkel. „Zu viel ist zu viel“.
Bauern bleiben mit
Protest nicht allein
Die Bauern blieben mit ihrem Protest nicht allein. In Siegsdorf, so berichtet die Ortsbäuerin Katja Kittl, sind auch mittelständische Betriebe, Stromlieferanten und Gastronomen an Bord. „Wir blockieren nicht die Straßen und sind auch zu Fuß unterwegs, um Verbrauchergespräche zu führen“, sagt Katja Kittl. Denn: „Es geht uns alle an“.
Von „jeglichem Missbrauch unseres Protestes, ob durch Linke oder Rechte, nehmen wir großen Abstand“, macht die Ortsbäuerin klar. „Wir möchten mit dem Bürger, mit allen zusammen etwas verändern.“
Das zu transportieren, scheint gelungen zu sein. Denn die Störungen im morgendlichen Berufsverkehr führten nicht zu massivem, lautem Unmut. Besonders heftig waren die Staus rund um Rosenheim. Zum Beispiel ab dem Ortsschild Westerndorf-St.Peter.
Rosenheim aus allen
Richtungen dicht
Da hatte alles, was aus dem Norden und dem Nordwesten des Landkreises nach Rosenheim hinein wollte, die Wahl zwischen Pest und Cholera, sprich: über Westerndorfer/Prinzregentenstraße oder Ebersberger Straße in die Rosenheimer Innenstadt. Verstopft waren beide Wege. Ein schleichender Traktor reichte, und via Ebersberger Straße wurden aus den üblichen maximal zehn Minuten knappe 50. Wer aus Richtung Prutting/Bad Endorf in die Stadt wollte, stand in Kragling. Die Miesbacher Straße war von dort bis zur Panorama-Kreuzung mit der B15 dicht. Von der Panorama-Kreuzung in die Innenstadt ging es im Schritttempo, ebenso aus dem Aicherpark und aus Richtung Großkarolinenfeld. Positiv: Krankenwagen mit Blaulicht kamen durch – und wenn es auf der Gegenfahrbahn war. Negativ: Es gibt unter den Autofahrern echte Rüpel. Ein solcher aus dem Landkreis Erding fuhr erst auf der Gegenfahrbahn an den Schrittgeschwindigkeit fahrenden Einpendlern vorbei und dann über eine rote Ampel. Die Fahrer links und rechts hatten aufgepasst, der Erdinger kam unfallfrei durch.
Geduld brauchten die Autofahrer am Montagmorgen auch in Bad Aibling und Kolbermoor. Der Pullacher Kreisel in Kolbermoor wurde ab 6.30 Uhr immer wieder von Traktoren blockiert. Die Landwirte drehten demonstrativ ihre Runden. Der Kreisel verbindet Kolbermoor, Bad Aibling, die Umgehung sowie die A8 miteinander. Der Verkehr staute sich deswegen teilweise bis ins Zentrum von Bad Aibling zurück. „Wir fahren so lange spazieren, bis auch die Regierung in Berlin begriffen hat, dass die Teller leer bleiben, wenn es keine Bauern mehr gibt“, betonte ein Landwirt.
Betroffen vom Verkehrschaos waren auch Schulkinder. Sie warteten am Morgen oft lange oder gar vergeblich auf den Bus – in der Wasserburger Burgau genau wie am Stephanskirchener Schloßberg oder in Staudach, Grassau und Übersee, wo die Kreisel an der Staatsstraße von Traktoren lahmgelegt waren. Viele Familien entschlossen sich daraufhin, sich mit ihren privaten Elterntaxis in die Staus einzureihen.
Inntal-Bauern sehen
sich doppelt bedroht
Auch im Inntal waren viele Landwirte mit ihren Traktoren unterwegs. „Die Beteiligung ist hoch“, bestätigt Oberaudorfer Bürgermeister Dr. Matthias Bernhardt. Er hat „absolutes Verständnis“ für die Bauern, die im Inntal nicht nur die drohende Streichung der Subventionen, sondern auch den Verlust der Flächen durch den Brenner-Nordzulauf fürchten müssen. „Ich hoffe deshalb, dass es sich die Politik nicht zu leicht macht“, meint Bernhardt. Ein paar Subventionen seien zu wenig. Vielmehr müsste man die grundlegende Problematik der Landwirte analysieren und die gesamte Preisgestaltung anpassen.
Unterstützung gab es von Lkw-Fahrern und Handwerkern. Und von einem Staatsminister a.D.: Dr. Marcel Huber, im Zivilberuf Tierarzt, mischte sich unter die Teilnehmer der Demo in Kirchdorf. Weil er findet, die jetzige Bundesregierung sei schlecht für den ländlichen Raum. Mindestens eine halbe Stunde dauerte es, bis alle Fahrzeuge aus Kirchdorf unterwegs waren und selbst dann ging es wegen der hohen Teilnehmerzahl nur schleppend voran. Die Spielregeln waren für alle Teilnehmer der Sternfahrt die gleichen: „Wir fahren im Konvoi, überholen nicht, beachten die Verkehrsregeln, halten die Rettungswege frei und es herrscht absolutes Alkoholverbot“, so hatte es Versammlungsleiter Max Schnitzenbaumer in Bruckmühl erklärt. Daran hielten sich auch die Landwirte, die sich im Eggstätter Gewerbegebiet Natzing zur Fahrt nach München versammelt hatten. Als sie sich auf den Weg machten, reichte der Rückstau dennoch bis hinein nach Bad Endorf. Nicht alle Traktoren kamen bis zum Odeonsplatz. Denn als sich dort gut 1000 landwirtschaftliche Fahrzeuge und etwa 10000 Teilnehmer versammelt hatten, war kein Durchkommen mehr, leitete die Polizei die Traktoren um zur Theresienwiese.
Gerüchte über
Schlachthofschließung
Im Laufe des Montagvormittags tauchte plötzlich das Gerücht auf, die Schlachthöfe streikten mit, blieben die nächsten zwei Wochen geschlossen. Dazu Franz Eder, Vorsitzender und Geschäftsführer der „Regionalrind Traunstein-Miesbach GmbH: „Montag haben wir zu. Ab Dienstag machen wir auf, wenn Tiere kommen. Wenn keine kommen, machen wir wieder zu.“ In Waldkraiburg blieb Europas größter Rinderschlachthof am Montag ebenfalls geschlossen, laut Homepage ist aber ab Dienstag wieder geöffnet. 14 Tage Streik seien illusorisch, so Eder, „wir können doch die Landwirte, die Bedarf an Schlachtungen haben, nicht sitzen lassen.“