Es geht um die Glaubwürdigkeit

von Redaktion

Hat der wichtige Belastungszeuge aus dem Knast in einem früheren Fall gelogen? Wie glaubwürdig ist er überhaupt? Diese Fragen stehen nun im Mittelpunkt im Mordprozess um Hannas Tod am Landgericht Traunstein. Und noch ein weiterer Zeuge steht am Donnerstag (11. Januar) auf dem Prüfstand.

Aschau/Traunstein – Steht der Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. (23) aus Aschau vor dem Scheideweg? Ein wichtiger Zeuge steht auf dem Prüfstand. Es geht am Donnerstag, 11. Januar, ab 9 Uhr am Landgericht Traunstein um nichts Geringeres als die Glaubwürdigkeit des so genannten „Knastzeugen“. Ihm gegenüber soll der Angeklagte Sebastian T. den Mord an Hanna eingeräumt haben. Zumindest behauptete das der „Knastzeuge“, ein Mitinsasse Sebastian T.s aus der Untersuchungshaft in Traunstein.

Ein Richter
kommt zu Wort

Ein Richter aus einem früheren Prozess in Laufen, bei dem der „Knastzeuge“ ausgesagt hatte, kommt in Traunstein zu Wort. Die Mutter des Zeugen hatte sich verantworten müssen, wegen angeblicher Übergriffe. Am Ende wurde sie jedoch „in dubio pro reo“ freigesprochen, also wegen des Grundsatzes, im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden.

Was löste die Zweifel des Richters an der Schuld der Mutter aus? Der heutige Donnerstag könnte der Vorsitzenden und den Schöffen der Zweiten Jugendkammer des Landgerichts Klarheit bringen, ob auch bei der Aussage des Untersuchungshäftlings im Mordprozess um Hanna Zweifel angebracht sind.

Klarheit soll ein weiterer Programmpunkt in anderer Hinsicht bringen. Es werden Sprachnachrichten zu hören sein, die sich der Angeklagte und dessen Bekannte kurz nach der mutmaßlichen Gewalttat am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 in Aschau geschickt haben.

Besonders die Sprachnachrichten einer Zeugin dürften mit großem Interesse gehört werden: Es ist die Schulfreundin Sebastian T.s, die junge Frau, die bei der Vernehmung durch die Polizei den jungen Aschauer schwer belastet hatte.

Die Schulfreundin hatte mehrfach ausgesagt, dass Sebastian T. sie etwas Beunruhigendes gefragt habe. Ob sie gehört habe, dass in Aschau eine junge Frau umgebracht worden sei, wollte T. wissen. Mehrfach behauptete die Schulfreundin, dass das Gespräch am Abend nach der Tat, bei einem Spaziergang nahe dem Club „Eiskeller“, stattgefunden habe. Dann hätte Sebastian T. mit seiner Frage Wissen preisgegeben, das nur der Täter hätte besitzen können.

Allerdings widersprach sich die junge Frau auch mehrfach, als Zeitpunkt für das Gespräch kommt eben auch der 4. Oktober in Betracht. Die Freundin belastete T. auch noch in einem weiteren Punkt. Er soll ihr ein Messer an den Hals gehalten haben. Mit folgenden Worten: „Haha, jetzt bring ich dich um.“

Die junge Frau hatte bei ihrer Aussage nach Einschätzung von Vernehmungsbeamtinnen keinerlei „Belastungswillen“ gezeigt. Tatsächlich scheint ihr Verhältnis zu Sebastian T. gut gewesen zu sein, trotz seiner ein, zwei Grabschereien, die sie entschieden abgelehnt zu haben scheint.

Auf der Videoaufzeichnung plaudert die junge Frau unbefangen. Offensichtlich ahnte sie nicht, was sie der Polizei da erzählte und dass sie mit ihrer Aussage Sebastian T. überhaupt erst zum dringend Tatverdächtigen machte.

Aufgrund von Unstimmigkeiten in ihren Aussagen rückte der „Knastzeuge“ in den Fokus. Er hatte sich nach Beginn des Mordprozesses am 12. Oktober über seinen Anwalt Michael Vogel aus Traunstein bei der Staatsanwaltschaft mit der Mitteilung gemeldet, dass er eine wichtige Aussage zu machen habe. Inhalt: Sebastian T. habe sich ihm kurz vor Weihnachten 2022 anvertraut und etwas Schockierendes gestanden: Er habe Hanna missbrauchen wollen. Bewusstlos geschlagen habe er sie, damit sie sich nicht wehren könne. Hat sich Sebastian T. damit um Kopf und Kragen geredet? Eine Stunde pro Tag werden die Zellentüren geöffnet, und die Häftlinge können einander etwa zum Kartenspielen besuchen. Das Gespräch soll nach Aussage des „Knastzeugen“ während dieses „Aufschlusses“ stattgefunden haben.

Allerdings sät die Verteidigung Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Unter anderem wollen Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank sowie Wahlverteidigerin Regina Rick durch eine Zusammenstellung verschiedenster Medienberichte – unter anderem auch vom Oberbayerischen Volksblatt und Rosenheim 24 – belegen, dass sich der Mithäftling durch Zeitungslektüre über Einzelheiten des fatalen Morgens informiert haben könnte. Einzelheiten, mit denen er seine Aussage vor Polizei und vor dem Landgericht angereichert haben soll. Der Zeuge wolle sich mit seiner Aussage lediglich in ein besseres Licht stellen, behauptet das Trio der Verteidiger. Schließlich ist Jacqueline Aßbichler nicht nur die Vorsitzende im Prozess gegen Sebastian T. Sie ist als Richterin auch für den Fall des „Knastzeugen“ eingeteilt. Rick hatte den Zeugen als „notorischen Lügner“ bezeichnet.

Allerdings berichtete der Zeuge auch davon, dass ihm Sebastian T. von Problemen mit Frauen berichtet habe. Sebastian T. habe unter den dauernden Zurückweisungen schwer gelitten und sich gedemütigt gefühlt. T.s niederschmetternde Misserfolge waren am Landgericht erst später ausführlich besprochen worden.

Einen „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft gibt es jedenfalls nicht, da herrscht bereits Klarheit. Da erscheint es fraglich, ob der Zeuge in der vagen Hoffnung auf gut Wetter das große Risiko einer Falschaussage auf sich nimmt. Auf derlei Vergehen setzt es eine Freiheitsstrafe. Ein Ende des Mordprozesses um den gewaltsamen Tod von Hanna ist noch nicht absehbar. Doch die Behauptung der Verteidigung, es könne sich bei Hannas Tod auch um einen Unfall gehandelt haben, steht seit dem Beleg, dass Hanna noch versucht hat, einen Notruf abzusetzen, auf schwachen Füßen.

Reißendes
Hochwasser

Rechtsmediziner Jiri Adamek hatte bei seiner Aussage ausgeführt, dass sich bei dem Hochwasser am Tattag nicht einmal Olympia-Legende Michael Phelbs hätte helfen können. Da erscheint es als schwer vorstellbar, dass die im Wasser mitgerissene Hanna W. noch versucht haben soll, auf ihrem Handy herum zu tippen. Dennoch könnte es Frühling werden, bis das Gericht zu einem Urteil gelangt. Es gab von Richterin Aßbichler am Tag 23 immerhin einen Fingerzeig, um was es mittlerweile vor der Zweiten Jugendkammer in Traunstein geht. Das Gericht gab einen sogenannten rechtlichen Hinweis. Demnach komme im Falle einer Verurteilung gefährliche Körperverletzung mit Mord in Betracht, und zwar entweder in Tateinheit oder in Tatmehrheit. Aber auch Totschlag sei denkbar. 

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