Rosenheim – „Seid frei und traut euch!“ sagt die erfolgreiche Pferdetrainerin Julia Steinbrecher aus dem Landkreis Rosenheim. Sie kann bereits viele Erfolge im Westernreiten vorweisen. Seit einiger Zeit hat sie sich aber ganz der Liberty Work, der Freiheitsdressur mit Pferden verschrieben – und auch das sehr erfolgreich. Sie trainiert ihre Pferde für Filme wie „Bibi & Tina“, „Immenhof“ oder „Reiterhof Wildenstein“. Zudem hat die 26-Jährige im Herbst ihr erstes Buch „Körpersprache bei der Arbeit mit Pferden“ veröffentlicht. Nachdem sie im Dezember mit ihren Pferden auf der Messe „Pferd & Jagd“ in Norddeutschland aufgetreten war, gab sie den OVB-Heimatzeitungen ein Exklusiv-Interview.
Sie waren als Turnierreiterin bereits sehr erfolgreich. Mit Ihrem Pferd, dem Quarter Horse Wally, waren Sie deutsche Vizemeisterin (FN) in der Reining, der bekanntesten Disziplin im Westernreiten. Und Sie konnten sich auch bei der Europameisterschaft der Quarter Horses den Vizeeuropameistertitel in der Reining sichern. Im Buch schreiben Sie, Sie hätten irgendwann begonnen, nach einer Alternative zu suchen. Warum haben Sie als Sportreiterin nach einer Alternative für Ihre Pferde gesucht?
Ich muss sagen, mir ist das Turnierreiten auf Dauer zu einseitig geworden und ich wollte einfach noch etwas anderes mit meinen Pferden machen. Wally war schon immer ein Energiesparer, den ich immer sehr motivieren musste, und ich suchte nach einem Weg, wie ich ihm helfen konnte, wieder mehr Spaß und Freude an der Arbeit zu haben. Dann habe ich die Freiarbeit entdeckt. Ich war begeistert und wusste, genau das wollte ich auch mit meinen Pferden machen. Dann habe ich es einfach ausprobiert und sofort festgestellt, dass Wally so viel Spaß dabei hatte. Es ist so eine tolle Möglichkeit, mit den Pferden Zeit zu verbringen und sie noch mal anders zu motivieren. Und so habe ich mit der Freiarbeit eine tolle Alternative für meine Pferde gefunden.
Sie haben bereits sehr früh das Reiten angefangen, nämlich mit drei Jahren. Muss man bereits als so junges Kind Reiten lernen, um so erfolgreich werden zu können?
Mir wurde die Liebe zu den Pferden damals in die Wiege gelegt, denn ich komme aus einer kompletten Reiterfamilie und so kam es dazu, dass ich schon mit drei Jahren mein erstes Pony bekam. Natürlich ist es von Vorteil, wenn man schon als Kind anfängt zu reiten. Wir hatten schon immer die Minipferdezucht, so bin ich mit Pferden aufgewachsen. Bereits als ich klein war, habe ich die Pferde genau beobachtet: Wie kommunizieren sie, wie verhalten sie sich, wie reagieren sie auf mich – aber man kann natürlich auch später anfangen zu reiten.
Ihre Mutter züchtet sehr lange und äußerst erfolgreich Minipferde (American Miniatur Horses). Und auch als Kind hatten Sie natürlich deshalb immer viel Kontakt zu ihnen. Wie kam es dann, dass Sie letztlich im Westernreitsport gelandet sind?
(lacht) Das war damals total lustig, ich hatte ja mein Pony Mogli und irgendwann wurde ich dann zu groß (ich war damals elf) und wir haben ein größeres Pferd gesucht. Ich durfte zwar schon die Dressurpferde meiner Mama reiten, doch die waren natürlich unfassbar riesig für mich, die konnte ich alleine gar nicht satteln. Eine Freundin von mir, die Westernreiterin war, hat mich dann zu ihr an den Stall mitgenommen und da habe ich zum ersten Mal gesehen, was Westernreiten überhaupt war. Zutiefst beeindruckt von dieser Leichtigkeit und von der Coolness dieser Pferde, probierte ich es aus und stellte fest: Das will ich auch können! So ungezwungen und freier zu reiten als vorher.
Und nun haben Sie sich die letzten Jahre ganz auf die Freiarbeit mit dem Pferd (die Arbeit mit dem freien Pferd, ohne Seil und Zügel) spezialisiert. Wie hat sich das zugetragen? Und warum gerade Freiarbeit?
Das Tolle an der Freiarbeit ist einfach, ganz egal, welches Pferd man hat, ob Shetty oder schweres Kaltblut, man kann diese Art des Trainings wirklich mit jedem Pferd machen. Man bekommt eine ganz andere Beziehung zu seinem Pferd, man lernt es anders kennen. Was mag das Pferd, wie motiviere ich dieses Pferd und natürlich hilft das auch später im Sattel. Das ist das, was mich daran so fasziniert. Und auch, dass die Pferde wirklich frei sind, nicht mit Seil bei einem gehalten werden, so bekommen die Pferde auch eine Stimme. Die Freiarbeit ist einfach für mich deshalb die Königsdisziplin in der Pferdearbeit.
Mittlerweile sind Sie hauptberuflich selbstständige Pferdetrainerin. Wie wird man das? Und haben Sie auch einen „normalen“, herkömmlichen Beruf gelernt?
Tatsächlich hat meine Karriere ganz anders gestartet. Ich habe ganz klassisch meinen Schulabschluss gemacht, danach eine Bankausbildung absolviert und anschließend Marketing und Kommunikationsmanagement studiert, war aber eben schon immer begeisterte Reiterin und habe meine Pferde nebenbei trainiert. Da blieb mir jedoch immer sehr wenig Zeit mit meinen Pferden, und ich wusste, ich muss da irgendetwas ändern. Und so hat sich dann alles entwickelt. Ich habe wirklich sehr hart gearbeitet, dass das alles so geklappt hat, denn es ist nicht leicht, nur mit Pferdetraining Geld zu verdienen. Ein großes Standbein von mir ist auch Social Media. Und 2017 bin ich dann mit meinen Pferden zum Film gekommen und das hat mir so viel Spaß gemacht mit meinen Pferden, dass ich das immer weiter ausgebaut habe. Dann gibt es noch meine Onlineseminare, die ich verkaufe. Und seit mittlerweile drei Jahren kann ich komplett von der Kombi Social Media, Filmtiere und Pferdetraining leben.
Von ihrer Mutter haben Sie die Zucht der Minipferde übernommen und züchten zusätzlich noch Mini-Appaloosas. Was ist das Besondere an diesen Rassen? Und wer kauft diese Pferdchen und zu welchem Zweck? Reiten kann man als Erwachsener diese hübschen, kleinen Pferde ja nicht.
Mit diesen kleinen Pferden kann man wirklich alles machen, was man mit einem großen Pferd auch tun kann – nur eben nicht Reiten. Aber es gibt ja so viele tolle Sachen, die man mit den Pferden generell machen kann, zum Beispiel Freiarbeit oder Tricktraining. Hierfür sind die Ponys ganz besonders gut geeignet. Und natürlich das Fahren, die Kleinen laufen ganz hervorragend vor der Kutsche. Mich fasziniert einfach die feine Art, der tolle Charakter. Sie sind wahnsinnig intelligent, aufgeschlossen und sie sehen aus wie ein Großpferd – nur in klein. Sie sind auch sehr robust, wir haben wirklich sehr gute Zuchtlinien und achten darauf, nur mit den gesündesten, besten Pferden züchten, die absolut korrekt sind. Wir machen sogar Gentests bei unseren Pferden, um auszuschließen, dass nicht eine Erbkrankheit vorliegt. Ja, und vor allem Familien kaufen unsere Pferde, denn die Kinder können so gut alleine mit den Pferden arbeiten.
Als Selbstständige ist sicher kein Tag wie der andere. Können Sie trotzdem einen „normalen“ Tag von Ihnen beschreiben? Versorgen Sie Ihre Tiere auch selbst?
Wenn ich zu Hause bin, helfe ich morgens bei der Stallarbeit, dem Füttern und der Versorgung der Pferde. Meine Mitarbeiter unterstützen mich da super gut, da bin ich sehr dankbar. Dann starte ich mit dem Training meiner Tiere, wie Reiten, spazieren gehen, Freiarbeit, Tricktraining. Natürlich habe ich für jedes meiner Pferde auch einen Trainingsplan. Wenn zum Beispiel ein Filmdreh ansteht, dann trainiere ich natürlich speziell auch dafür. Dann am Abend geht es weiter mit der Versorgung der Tiere, das machen dann meine Mama und ich zusammen. Wenn ich natürlich unterwegs auf Shows bin, sieht es wieder anders aus, das ist klar.
Ende Oktober erschien Ihr erstes Buch „Kommunikation und Körpersprache bei der Arbeit mit Pferden“. Darin schreiben Sie auch über Dinge wie Medical Training, Fütterung, die verschiedenen Haltungsformen. Warum ist das für Pferdebesitzer so wichtig?
In meinen Augen wird das alles viel zu wenig beachtet, die Leute machen sich darüber viel zu wenig Gedanken. Ein Pferd ist ein Herdentier, deshalb empfinde ich es auch als nicht artgerecht, wenn man ein Pferd alleine hält und es nur in Boxen einsperrt. Leider sieht man das heutzutage immer noch viel zu oft.
Wir haben unsere Minipferde auch nachts einzeln in Boxen, ganz einfach, damit wir sicherstellen können, dass sie in Ruhe das richtige und ausreichend Futter fressen. Das wäre nicht möglich, wenn sie alle zusammen immer in einer großen Gruppe wären. Tagsüber sind sie aber alle gemeinsam draußen und können toben, spielen und Sozialkontakte pflegen.
Meine großen Pferde halte ich mittlerweile komplett im Offenstall mit 24 Stunden am Tag Zugang zu Heu und Wasser. Bei vier Pferden ist die individuelle Fütterung leichter als bei den vielen Minipferden. Ja, das Thema Haltung ist mir einfach unfassbar wichtig und deshalb habe ich es in meinem Buch auch mit aufgenommen.
Spätestens seitdem Sie Ihre Pferde zu Filmstars trainieren und in Shows oder auf Messen auftreten, stehen Sie in der Öffentlichkeit. Sie sind auch auf Social Media sehr aktiv. Andere Influencer leiden oft unter Hasskommentaren. Haben Sie ähnliche Erfahrungen?
Nein, tatsächlich überhaupt gar nicht! Ich habe glücklicherweise eine überaus positive Community und nehme die Leute ja täglich in meinen Storys mit durch meinen Alltag. Und dort kann man gut sehen, wie ich die Pferde trainiere und wie die Pferde bei uns gehalten werden und die Leute haben so immer einen Einblick.
In Ihrem Buch erklären Sie unter anderem, wie man sich an das Thema Freiarbeit herantastet und sowohl das Pferd als auch sich selbst darauf vorbereitet. Was nutzt die Freiarbeit dem Menschen und dem Pferd?
Ich kann hier gut von mir selber reden, wenn ich sage, ich bin durch die Freiarbeit ein viel gelassener und geduldiger Mensch geworden und habe auch an mir selber gearbeitet. An meiner positiven Einstellung zum Beispiel, denn nur, wenn man selbst eine positive Einstellung hat, wird das Pferd auch bei einem bleiben wollen. Man muss selber ein guter Coach für sein Pferd werden und ich muss meinem Pferd natürlich auch immer die Sicherheit geben können. Und man lernt unglaublich viel über sich selbst. Die Pferde lernen, dem Menschen mehr zu vertrauen und haben dadurch viel mehr Spaß und Freude bei dem gemeinsamen Training.
Unsere Leser interessieren sich sicher auch ganz brennend dafür, in welchem Film man Ihre Pferde (und Sie) denn zuletzt sehen konnte?
Zuletzt hatten wir den Kinofilm „Geschichten vom Franz“ mit meinem Hund Luni oder „Franky Five Star“ mit meinem Huhn Rosi fürFilmtiertraining Eve Schwender. Und mit meinen Pferden war es zuletzt „Bibi & Tina“ oder der Mehrteiler „Reiterhof Wildenstein“ für www.filmpferde.com.
Interview:Susanne Grun