Rosenheim – Was als sogenannte „Bauernproteste“ begonnen hat, gewinnt zunehmend an Breite. Der Grund dafür ist recht simpel: Die Arbeit der Bauern ist essenziell für fast alle Teile der Gesellschaft. Geht es also der Landwirtschaft schlecht, leiden viele mit. Auch Jutta Blumhagen aus Traunstein, Coach und Inhaberin der „Happy Rider Academy“, unterstützt die Landwirte.
Das Pferd als Vorbild:
Herdengemeinschaft schlägt Egotrips
Auf die Frage, warum sie in die Öffentlichkeit geht, antwortet sie: „Es gab in der Bevölkerung eine beunruhigende Entwicklung in den letzten Jahren, von der Gemeinschaft hin zu Isolation, dem Alleinsein, zum Einzelkämpfer. Doch die Pferde zeigen uns ganz deutlich, wie wichtig die Herdengemeinschaft ist.“ Die Herde würde unter anderem Sicherheit und gegenseitige Achtung bedeuten. „Es wird Zeit, dass wir uns wieder gegenseitig stärken – branchenübergreifend. Miteinander anstatt gegeneinander.“
Die Forderung nach einer Führung in eine sichere Zukunft mit gemeinsamem, partnerschaftlichem Austausch sei Blumhagen zufolge gerechtfertigt. „Die geplanten Änderungen der Regierung haben auch auf mein Unternehmen massive Auswirkungen. Meine Kunden besitzen entweder eigene Höfe oder haben ihre Pferde in Pensionsbetrieben eingestellt. Werden die geplanten Änderungen so umgesetzt, werden Stallplatzmiete, Futtermittel und Pacht erhöht werden.
Die betreffenden Unternehmen können in letzter Konsequenz dann nicht mehr von ihrer Arbeit leben.“ Von der Politik fordert sie einen ehrlichen Dialog, aufrichtiges Interesse an den Ängsten und Sorgen der Bevölkerung.
In Deutschlands Ställen drohen massive Änderungen
Auch Andrea Richter vom „Blankhof“ in Bad Endorf wäre von den Plänen der Politik massiv betroffen. Ihr zufolge werden die Änderungen sich unter anderem auf Unterrichtsstunden und die Genesung von Rehabilitationspferden auswirken. „Es werden sich immer mehr Menschen ihr Pferd nicht mehr leisten können, da die Stallbetreiber wiederum aufgrund gestiegener eigener Kosten von Heu, Stroh, Einstreu, Mistentsorgung, Strom, Versicherungen, Instandhaltung und Reparaturen ihre Preise erhöhen müssen.“
Als Beispiel: 20 Kilogramm Kraftfutter kosten jetzt etwa 36 Euro, mit den Änderungen wahrscheinlich das Doppelte. Und der Kreislauf geht weiter. Am Reitsport hängen mittlerweile zahlreiche Arbeitsplätze. Mehr als 10000 Firmen, Handwerksbetriebe und Dienstleistungsunternehmen in Deutschland haben direkt oder indirekt das Pferd als Haupt- und Geschäftsgegenstand. Der Umsatz der deutschen Pferdewirtschaft liegt bei geschätzten 6,7 Milliarden Euro.
„Die Ampel-Regierung hat einfach den Bogen überspannt“
Cornelia Abfalter, Gestütsleiterin und Züchterin der regionalen Pferderasse Leonharder aus Grabenstätt am Chiemsee, sagte dem OVB: „Die Ampel-Regierung hat einfach den Bogen überspannt. Jeder sollte nun an die Öffentlichkeit gehen und seinen Unmut sichtbar machen.“ Direkt betroffen wäre sie zwar nicht von den gestrichenen Subventionen, allerdings könnte sich die Änderung auf ihre Zucht auswirken. „Die Kaufinteressenten werden abnehmen, da einfach der Unterhalt des Pferdes dann zu teuer wird.“
Doris Kramer, Pferdebesitzerin aus Bad Endorf, sorgt sich, dass sie sich den Unterhalt schon bald nicht mehr leisten kann: „Ich habe mein Pferd mittlerweile seit 13 Jahren. In den letzten Jahren schon wurde alles teurer: Schmied, Tierarzt, Stallmiete, Futter. Soll ich nach so langer Zeit mein Tier verkaufen, weil ich es mir einfach nicht mehr leisten kann?“ Für sie ist das keine Option. „Allerdings haben viele Pferdebesitzer vielleicht bald keine andere Möglichkeit mehr.“ Kramer findet es toll, was die Landwirte begonnen haben. „Sie waren die Einzigen, die den Mut dazu hatten, aber es betrifft uns alle. Wir müssen alle wieder mehr zusammenhalten.“
Pferdetrainer Bernd Hackl versteht die Ignoranz nicht
Auch ein bekanntes Gesicht aus der Pferdebranche äußerte sich auf OVB-Anfrage zu den Protesten. Der Pferdetrainer Bernd Hackl, der unter anderem aus der TV-Serie „Pferdeprofis“ bekannt ist, sagt: „Viel mehr meiner Kollegen sollten sich zu Wort melden. Wenn unsere Pferde nichts mehr zum Fressen haben oder es keinen Stall mehr gibt, wo die Pferde leben können, gibt es auch keine Arbeit für uns Trainer, Futtermittelhersteller und Tierärzte mehr.“
Er verstehe die Ignoranz der Bürger nicht. Viele würden ihm schreiben, warum er denn die Landwirte unterstützt. „Wie kann man nicht sehen, was in diesem Land schiefläuft? Wenn wir nicht wirklich alle an einem Strang ziehen, dann leidet der Mittelstand weiter und weiß irgendwann nicht mehr, wie all das finanziert werden soll“, warnt Hackl.