„Donnern und grollen“

von Redaktion

Erdbeben im Dreiländereck

Waidring/Chiemgau – In der Nacht auf Freitag erreichte ein neues Beben im Dreiländereck Bayern-Tirol-Salzburg bei Waidring (Tirol) sogar eine Stärke von 3,4. Es war bis zum Chiemsee zu spüren. Einige Personen beschrieben laut Medienberichten die Erdstöße wieder als „Donnern oder Grollen“ des Untergrunds. Am Vormittag gab es noch ein weiteres Beben der Stärke 2,5. Schon in der Nacht zuvor hatte es dort zwei Beben der Stärke von 2,2 und 3,3 gegeben.

Störungen in
der Erdkruste

Dr. Joachim Wassermann, Leiter der Abteilung Seismologie des Geophysikalischen Observatoriums in Fürstenfeldbruck, überrascht die Bebenserie in den Alpen nicht: „Das ist typisch für die Region rund um Inntal und Salzach. Da gibt es Störungen in der Erdkruste die dort schon vor Millionen von Jahren angelegt wurden.“ Hintergrund ist die Plattentektonik, die die Auffaltung der Alpen verursacht hat. Wassermann sagt: „Man muss sich das wie einen riesigen Verkehrsunfall vorstellen: Zwischen den großen Kontinentalplatten von Europa und Afrika liegen mehrere kleinere Platten, eine davon ist die adriatische Platte, die am südlichen Alpenrand unter die europäische Platte geschoben wird.“ Er erklärt: „Man muss sich das so vorstellen, als würden mehrere Kleinwagen zwischen zwei Sattelschleppern eingeklemmt, die Kleinwagen stellen sich dabei kreuz und quer und werden zerquetscht.“ Die Kräfte sorgen nicht nur für die Hebung der Alpen, sondern auch der Gebirgsketten des Apennin in Italien und auf der Balkanhalbinsel. „Die adriatische Platte schiebt sich ein paar Millimeter im Jahr nach Norden“, sagt der Experte. „Das sorgt dafür, dass die Alpen nach wie vor weiter zusammengeschoben werden.“ Die Hebung wird an der Oberfläche zwar von der Erosion geschluckt, aber im Untergrund bewegen sich die Gesteinspakete weiter. „Darum kommt es vor allem im Süden der Alpen immer wieder zu schweren Erdbeben, an Inn und Salzach fallen sie bei Weitem nicht so heftig aus.“

Ein zweiter Faktor sind laut Wassermann die Nachwehen der Eiszeit: „Damals lagen bis zu zwei Kilometer dicke Gletscher auf den Alpen.“ Die Eismassen drückten erst den Boden regelrecht ein.

„Nach dem Abschmelzen wurde die Region vom Gewicht entlastet und hob sich wieder, das ist noch nicht abgeschlossen.“ Wie schwer die Beben in den nördlichen Alpen ausfallen können? „Man kann eine Magnitude von fünf nicht ausschließen“, so der Experte. Zur Erklärung: Ab 3,5 gibt es die ersten Schäden, Putz fällt von der Wand, ab 4,5 kann es Risse in den Wänden geben. Ab Stufe 5 sind Schäden an der Bausubstanz möglich. „Da können schon mal Schornsteinspitzen herunterfallen“, sagt Wassermann. Neben dem Raum Kufstein/Chiemgau/Wilder Kaiser ist ein Schwerpunkt für solche tektonischen Beben der Raum Mittenwald, da er nahe an der Innfurche liegt. Auch der Raum Bad Reichenhall ist ein Schwerpunkt.

Die Intensität eines Erdbebens ist ein Maß für die örtliche Schadenswirkung auf Bauwerke oder für die Wahrnehmung durch Menschen. Zur Bestimmung der Intensität braucht man keine Messgeräte. Die Intensität II wird gerade verspürt, ab Intensität VI treten erste Gebäudeschäden auf. Verbindet man auf einer Karte Punkte gleicher Intensität, ergeben sich Isoseisten.

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