Aschau/Traunstein – War er einfach nur eiskalt, oder hatte Sebastian T. schon im Moment der Festnahme resigniert? „Er ist einfach dagestanden“, erzählte der Polizeibeamte, der T. festnahm. Als der Kollege ihn mit dem Tatvorwurf konfrontiert habe, habe T. „überhaupt keine Reaktion“ gezeigt. „Es war, als wenn man es einer Wand erzählt hätte.“ Zu hören war die Schilderung des Polizeibeamten an Tag 27 des Mordprozesses um den gewaltsamen Tod von Hanna W. aus Aschau.
Mutter meldet
„ihren Basti“
Es war Freitag, der 18. November 2022, als die Polizei den Verdächtigen gegen 13.30 Uhr festsetzte. Vorausgegangen waren der Festnahme Wochen intensivster Ermittlungen. Am Nachmittag des 3. Oktober 2022 hatte ein Spaziergänger Hanna W. leblos in der Prien treibend entdeckt. Bis zu 60 Polizeibeamte suchten in den Tagen und Wochen danach in der Soko „Club“ nach dem Unbekannten, der – so die Überzeugung der Polizei – Hanna W. am frühen Morgen des 3. Oktober gegen 2.30 Uhr tödlich verletzt hatte.
Hobbysportler Sebastian T. war zunächst als Zeuge vernommen worden, nachdem Zeugen von einem auffälligen Jogger in der Tatnacht berichtet hatten. Die Polizei hatte dann einen Zeugenaufruf unter anderem über das OVB verbreitet. Es meldete sich nicht Sebastian T., sondern seine Mutter. Sie rief bei der Polizei an und sagte, der Jogger, das könne ihr Basti gewesen sein. Bereits bei seinen Vernehmungen äußerte sich T. – im Nachhinein betrachtet – verdächtig.
So gab er bei einem dieser Besuche auf dem Polizeirevier eine angebliche erfundene eigene Rekonstruktion des fatalen Abends zum Besten. Hanna und ein Unbekannter hätten sich vielleicht gestritten, erzählte er damals der Vernehmungsbeamtin, und dann habe der Unbekannte Hanna auf den Kopf geschlagen – möglicherweise mit einem Stein.
Auch die Ermittler hatten, als sie das Gelände um den mutmaßlichen Tatort abkämmten, Steine sichergestellt. Davon war am Tag 27 die Rede. An einem dieser Steine waren rote Spuren festgestellt worden – allerdings ohne, dass jemals Blut hätte nachgewiesen werden können. Das Tatwerkzeug wird wohl, wie auch Nebenklägeranwalt Walter Holderle dem OVB schon mitteilte, ungewiss bleiben.
Endgültig ins Visier der Fahnder geriet Sebastian T., als die Ermittler routinemäßig seinen Bekanntenkreis scannten. Eine seiner Bekannten verriet den Ermittlern, dass ihr Sebastian T. bereits am Abend des 3. Oktober von einem Mord in Aschau berichtet hatte. Es war dieses mögliche Täterwissen, dass bei der Polizei Alarm auslöste. Ab da ging es um Formalien wie den Haftbefehl. Den hatten die Polizeibeamten noch nicht, als sie am 18. November 2022 zur Arbeitsstätte von Sebastian T. in Rosenheim kamen. Sie beschlossen, ihn vorerst zu beschatten.
T. stieg an der Arbeitsstätte in der Kastenau in sein Auto, fuhr über Happing auf die B15 und schließlich auf die A93 Richtung Kiefersfelden. Der Aschauer sei schnell gefahren, sagte einer der beiden Beamten, er und sein Kollege hätten „leichte Probleme“ gehabt, an dem Verdächtigen dranzubleiben. „Es war auffällig.“ Schließlich beschlossen die Polizeibeamten, der Fahrt ein Ende zu setzen. Bei der Ausfahrt Oberaudorf stoppten sie T., konfrontierten ihn mit dem Tatvorwurf. Herbeigerufene Kollegen führten T. ab, während die beiden Beamten sein Auto sicherstellten. Auch der zweite Beamte registrierte Ungewöhnliches: „Es ist schon auffällig, wenn einer gar nichts sagt.“ Darüber hinaus habe T. lediglich ein wenig verblüfft gewirkt.
Was wollte T. auf der Inntalautobahn? Das wird wohl ungeklärt bleiben. Eine Möglichkeit wäre, dass er einen Spezl besuchen wollte. Es könnte auch sein, dass T. wieder mal aus dem Geschehen ausgestiegen war. Zeugen unter anderem aus dem Ausbildungsbetrieb und der Bergwacht hatten vor der Zweiten Jugendkammer des Landgerichts bereits ausgesagt, dass T. in Augenblicken der Überforderung dazu neige, sich auszuklinken und irgendwo abseits vor sich hinzubrüten. Auch das Verhalten von Sebastian T. bei der Festnahme scheint in ein Verhaltensmuster zu passen, das bereits an einigen Verhandlungstagen zuvor deutlich geworden war. Freunde hatten berichtet, wie sich T. in den Wochen vor der Verhaftung volllaufen ließ. Bei einem geselligen Zusammensein am Abend vor der Verhaftung soll Sebastian T. unvermittelt gesagt haben: „Ja gut, dann werd‘ ich‘s halt gewesen sein.“ Es klingt, als habe sich der damals 20-Jährige bereits damit abgefunden gehabt, dass ihm die Ermittler sechs Wochen nach Hannas Tod im Nacken saßen.
Drängen der
Verteidigung
Wie geht es nun weiter im Marathon-Prozess um den Tod der Medizinstudentin Hanna W.? Immer wieder drängt Regina Rick darauf, Sachverhalte abzuklären. Einerseits das gute Recht der Verteidigung; andererseits: absehbar ermüdend. So auch an Tag 27. Es waren Zeugen geladen, die sich ungefähr um den mutmaßlichen Tatzeitpunkt herum im Auto auf Kampenwand- und Schlossbergstraße aufgehalten hatten. Ihre Aussage brachte, man hatte es sich vorher denken können: nichts. „Etwas Auffälliges ist mir nicht aufgefallen“, sagte einer der Zeugen und brachte damit die Essenz von einer halben Stunde der Aussagen zum Ausdruck. War‘s das? Regina Rick lässt immer mal wieder wissen, sie habe noch eine Reihe von Beweisanträgen „in der Pipeline“.