Traunstein – Es ist eine Horrorvorstellung: Man ist gerade mit dem Auto unterwegs, auf der Rückbank sitzen die Kinder. Plötzlich zieht ein Auto aus dem Gegenverkehr auf die eigene Spur und rast einem entgegen. Diese Szenen spielten sich, wie berichtet, am vergangenen Samstag in der Traunsteiner Innenstadt ab.
Eine 41-jährige Frau aus dem südlichen Landkreis Traunstein ist ungewollt in ein illegales Autorennen geraten – und nur knapp einer Katastrophe entkommen.
Junge Männer rasten durch die Innenstadt
Wie die Polizeiinspektion Traunstein auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen mitteilt, handelt es sich bei den Rasern um zwei Männer: Ein 21-Jähriger aus dem Landkreis Traunstein jagte mit seinem roten Mercedes einem 29-jährigen Traunsteiner und seinem schwarzen BMW hinterher. Sie seien der Mutter bereits mehrfach aufgefallen, wie sie durch die Innenstadt rasten und sich dabei überholten. Der rote Mercedes sei ihr an einer anderen Stelle beinahe aufgefahren, erklärt der Polizeisprecher.
Auf der Crailsheimstraße dann der Schock: Bei einem waghalsigen Überholmanöver seien beide Fahrzeuge plötzlich nebeneinander gefahren. „Die Geschädigte musste eine Gefahrenbremsung vornehmen, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden.“
Die 41-Jährige meldete den Vorfall der Polizei. Wenig später konnte eine Streife die beiden Raser stoppen und das Rennen beenden. Wie schnell die beiden gefahren sind, könne die Polizei nicht genau sagen. Die Mutter und ihre Kinder blieben unverletzt und kamen mit einem Schock davon. Die Fahrer waren nicht alkoholisiert. Laut Traunsteiner Polizei hätten die beiden auch nicht der Tuner-Szene zugeordnet werden können, die zuletzt am 16. Dezember mit einem großen Polizeieinsatz in Rosenheim für Wirbel gesorgt hatte.
Vorfälle dieser Art seien eher selten und treten laut dem Polizeisprecher nicht gehäuft auf. Sollte jemand aber doch unbeabsichtigt in ein solches Autorennen verwickelt werden, rät der Beamte dazu, so schnell wie möglich den Polizeinotruf 110 zu wählen.
„Wenn es möglich ist, sollten Betroffene sich das Kennzeichen merken oder die Raser im Blick behalten, damit die Beamten den Weg nachvollziehen und sie stoppen können.“ Keinesfalls sollte man sich involvieren lassen oder die Temposünder verfolgen. „Besser ist es, man bringt sich in Sicherheit und ruft die Polizei.“
Aber ab wann spricht man von einem Rennen? „Der Begriff ‚Rennen‘ ist bislang gesetzlich nicht definiert, sondern lässt sich nur durch die bisher ergangenen gerichtlichen Entscheidungen in Verbindung mit zusätzlichen Indizien ausfüllen“, erklärt Lisa Maier, Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. So habe das Oberlandesgericht Berlin im Jahr 2017 geurteilt, dass es bei Rennen nicht nur um das Erzielen von Höchstgeschwindigkeiten ginge. Es reiche aus, dass die Autofahrer auf kurzer Strecke das Beschleunigungspotenzial ihrer Gefährte vergleichen. Wie Maier weiter erläutert, wurde 2017 der Straftatbestand zu Kraftfahrzeugrennen (Paragraf 315 d im Strafgesetzbuch) eingeführt.
Polizei leitet Verfahren ein
Wie Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze von der Staatsanwaltschaft Traunstein mitteilt, drohen allein für die Teilnahme an einem illegalen Autorennen bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Bei Gefährdung eines anderen Menschen seien sogar bis zu fünf Jahre Haft möglich. Die Problematik läge jedoch darin, „ob im konkreten Einzelfall ein Wettbewerbscharakter nachgewiesen werden kann“, so Vietze. „Außerdem ist es im Einzelfall schwierig zu klären, ob eine konkrete Gefährdung im Sinne eines ‚Beinahe-Unfalls‘ eingetreten war.“
Laut Polizeiinspektion Traunstein seien die Fahrzeuge beider Raser nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft sichergestellt worden, die dauerhafte Einziehung werde geprüft. Ein Verfahren wurde eingeleitet. Weiterhin seien die Mobiltelefone aller Fahrzeuginsassen zur Auswertung sichergestellt worden.
Der Vorfall weckt Erinnerungen an einen tragischen Unfall an der Panorama-Schwaig-Umgehung in Rosenheim. Die Samerbergerinnen Melanie Rüth (21) und Ramona Daxlberger (15) verloren bei einem Frontalzusammenstoß mit einem damals 24-Jährigen aus Ulm ihr Leben. Der Unfallfahrer beschuldigte zwei Autofahrer aus dem Landkreis, sie hätten ihn beim Überholen nicht einscheren lassen. Während des sogenannten Samerberger-Prozesses wurde ebenfalls der Vorwurf eines illegalen Rennens verhandelt.