Feldkirchen-Westerham – Die Landwirtschaft prägte ihr ganzes Leben – angefangen von Kindheitserlebnissen auf dem elterlichen Hof in Gundelsberg bei Bad Feilnbach bis hin zu ihrer Funktion als Landesbäuerin und Abgeordnete im Bayerischen Landtag. Am heutigen Dienstag wird Annemarie Biechl 75 Jahre alt.
Das „Sandwich-Kind“ nennt sich die Jubilarin selbst, weil sie als Zweitälteste zusammen mit einer Schwester und einem Bruder im Elternhaus aufwuchs. Zielstrebigkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Empathie, mit Lernbereitschaft kombinierter Wissensdurst und das Bestreben, immer das Beste zu geben – Eigenschaften, die Biechls Lebensweg prägten. Nach dem Schulabschluss und einer Lehre im Bereich der ländlichen Hauswirtschaft folgte schon bald die Meisterprüfung. Unter anderem war das Geburtstagskind im Hotel Lindner in Bad Aibling tätig und arbeitete als junge Frau zunächst auch noch auf dem Bauernhof ihrer Eltern mit.
Elf Enkel sind
ihr großer Stolz
1973 heiratete sie ihren Ehemann Balthasar und bewirtschaftete ab sofort zusammen mit ihm den idyllisch oberhalb des Lauser Weihers gelegenen landwirtschaftlichen Betrieb in Hofberg in der Gemeinde Feldkirchen-Westerham. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, zwei Töchter und ein Sohn. Der Sohn hat längst den Bauernhof übernommen, elf Enkelkinder sind mittlerweile ihr großer Stolz.
Wissen weiterzugeben, Unterstützung zu gewähren und sich mit ihrer praktischen Erfahrung einzubringen, war von jeher ein Bestreben von Annemarie Biechl. So hat sie nicht nur jahrzehntelang als Bäuerin gearbeitet, sondern auch circa 20 Lehrlinge ausgebildet. Als ihr Engagement immer mehr Aufmerksamkeit erweckte, folgten öffentliche Ämter fast zwangsläufig. „Ich habe nie danach gedrängt“, sagt sie rückblickend.
Los ging es 1987 mit einer lockeren Mitarbeit bei der CSU-Frauen-Union in Feldkirchen-Westerham, 1991 folgte der Eintritt in die CSU. Für ihre Partei saß sie von 1996 bis 2020 im Rosenheimer Kreistag, von 2003 bis 2013 war sie Landtagsabgeordnete. Ihren Berufsstand vertrat sie zunächst als stellvertretende Ortsbäuerin von Höhenrain, als stellvertretende Kreisbäuerin und von 1997 bis 2007 als Spitzenfrau des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) im Landkreis Rosenheim. Fünf Jahre übte sie das Amt der Kreisbäuerin in Kombination mit ihrer Funktion als Landesbäuerin aus, die sie von 2002 bis 2012 war. Als ihre Tätigkeit endete, folgte die Ernennung zur Ehrenlandesbäuerin.
Beim Start ihrer parlamentarischen Tätigkeit im Maximilianeum sei ihr Sepp Ranner eine große Hilfe gewesen, räumt Biechl freimütig ein. Der war lange Jahre BBV-Kreisobmann im Landkreis Rosenheim und gehörte dem Landtag bereits an, als Biechl dort als Neuling einzog. „Das Abgeordnetenmandat war in meiner Lebensplanung nicht vorgesehen. Dass ich für meinen Berufsstand im Parlament eintreten kann, das war letztlich der entscheidende Punkt für meine Zusage, als ich wegen der Kandidatur gefragt wurde“, sagt Biechl. Einmal zog sie als Zweitstimmen-Kandidatin über die Liste in den Landtag ein, beim zweiten Mal holte sie als Ranners Nachfolgerin für die CSU das Direktmandat im Stimmkreis Rosenheim-West.
Als Abgeordnete gehörte sie dem Landwirtschafts- und Sozialausschuss an. „Der Sozialbereich hat mir auch sehr gut gefallen“, sagt sie. Man habe viele Dinge lösen oder verbessern können, freilich musste sie auch immer wieder harsche Kritik einstecken. Beispielsweise nach der Umstellung der staatlichen Kindergartenförderung von der Gruppenfinanzierung hin zu einem an der Kinderzahl orientierten Zuschuss. „Da waren vor allem die Pfarrkindergärten auf dem Land negativ betroffen. Dafür bin ich in vielen Versammlungen geschimpft worden. Den Grund für die Änderung den Pfarrern zu vermitteln, nämlich mehr Gerechtigkeit insgesamt bei der Förderung, war nicht immer ganz einfach“, erinnert sich die 75-Jährige.
Sie musste manche
Kröte schlucken
Eine einfache Zeit war die parlamentarische Arbeit für Biechl in der Tat nicht, fiel sie doch mit der Verwaltungsreform und dem strikten Sparkurs zusammen, den die damalige Regierung unter der Führung von Ministerpräsident Edmund Stoiber dem Land verordnet hatte. Da musste auch sie manche Kröte schlucken. Etwa den Wegfall der Ernährungsberatung an den Landwirtschaftsämtern oder die Tatsache, dass der Bereich Landwirtschaft im Zuge der Verschlankung nicht mehr auf Ebene der Bezirksregierungen angesiedelt war. „Das hat schon wehgetan“, verhehlt sie nicht.
Die Abschaffung des Büchergeldes für Schüler, die Kürzung des Blindengeldes und das Aus für die Befreiung von Studiengebühren zählen zu den einschneidenden Sparmaßnahmen, die Biechl nur schweren Herzens mitgetragen hat. „Da hatte ich bei manchen Abstimmungen schon die Faust in der Tasche“, erinnert sie sich.
Umso erfreulicher war es für die Abgeordnete, wenn ihr Einsatz Früchte trug und Projekte in der Region vorangetrieben werden konnten. Als Beispiele nennt sie ihren langen Kampf für die Sanierung der Staatsstraße zwischen Beyharting und Tuntenhausen, die Beschaffung von Fördergeldern zum Erhalt und für ein neues Nutzungskonzept der Burgruine Falkenstein oder den Bau der Ortsumgehung in Wasserburg. Wenn sich Biechl im Finanzbereich auch die Mentalität einer „schwäbischen Hausfrau“ attestiert, die Sparsamkeit als eine wichtige Tugend beinhaltet, so befürwortet sie im Gegensatz zu Markus Söder doch eine moderate Anhebung der Rundfunkgebühren. Ihr früheres Amt als Mitglied im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) lässt sie zu dieser Einschätzung gelangen. „Da habe ich mitbekommen, wie Journalismus eigentlich funktioniert und dass für gute Arbeit Geld erforderlich ist.“ Die vermisst sie heute allerdings in Teilen nicht nur bei ARD und ZDF – ihnen wirft sie unter anderem eine „gewisse Linkslastigkeit“ vor – , sondern auch beim BR. „Der sendet mittlerweile sehr viele Wiederholungen“, kritisiert sie.
Die „Landfrauenküche“, eine Sendung des BR mit fast schon ein wenig Kultstatus, schaut sie eigentlich kaum noch an – auch wenn sie diese nach wie vor als Werbung für ihren Berufsstand sieht. Bei der ersten Staffel habe der Bauernverband noch geeignete Kandidatinnen aus jedem Bezirksverband benennen dürfen. „Jetzt wird die Auswahl sehr stark nach den Kriterien der Quoten-Orientierung getroffen“, bedauert sie.
Noch immer
ehrenamtlich engagiert
Wenn sich Annemarie Biechl auch längst weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, zwei Ehrenämter übt sie noch heute mit großem Engagement aus. Seit 14 Jahren steht sie an der Spitze des Vereins „Freunde der Abtei der Benediktinerinnen Frauenwörth im Chiemsee“. Der Verein kümmert sich überwiegend um Zuschüsse und die Sammlung von Spendengeldern für notwendige Erhaltungsmaßnahmen an dem Gebäude.
Außerdem bringt sie sich seit 2019 aktiv im vierköpfigen Leitungsteam des Pfarrverbandes Feldkirchen-Höhenrain-Laus ein. Er startete als Modellversuch in der Erzdiözese München und Freising und ist als Maßnahme gedacht, um in Zeiten des Priestermangels kirchliches Leben vor Ort lebendig zu erhalten. „Wir ringen auf Augenhöhe um Lösungen, das tut uns gut“, beschreibt sie diese Tätigkeit in einem Team, das aus ihrer Sicht „menschlich gut zusammenpasst“. Da der Verband keinen Pfarrer habe, sei das Team zusammen mit einem Kaplan und einem Verwaltungsleiter für dessen Leitung verantwortlich.
Die Landwirtschaft ist weiterhin ein großes Steckenpferd der ehemaligen Landesbäuerin. Zusammen mit ihrem Mann geht sie noch heute jeden Tag in den Stall des rund 80 Milchkühe umfassenden Betriebes, den der Sohn führt. Biechl ist aber genauso gerne Oma, bei deren Betreuung sie ihre Kinder unterstützt. „Ich genieße den Ruhestand in dieser Form jeden Tag und bin dankbar für ein abwechslungsreiches und inhaltlich interessantes Leben“, bekennt sie.
Vollstes Verständnis
für Protestaktionen
Und natürlich gilt ihre Aufmerksamkeit weiterhin der Agrarpolitik, obwohl sie sich mit öffentlichen Äußerungen mittlerweile weitgehend zurückhält. Für die aktuellen Proteste der Bauern und vieler Mittelständler hat sie vollstes Verständnis. Auch wenn die Zeiten hart seien, zweifelt sie keine Sekunde daran, „dass die Landwirtschaft eine Zukunft hat“. So sehr sie den Unmut der Landwirte versteht, so sehr zeigt sie sich auch besorgt. „Bauern, die jetzt aus Protest die AfD wählen wollen, sollen sich deren Programm und deren Haltung zu Grundsatzfragen vorher genau anschauen.“
Auf die Frage nach ihrem größten Wunsch für die Zukunft antwortet sie: „Dass die Welt insgesamt wieder etwas friedlicher wird.“ Auch aus ihrer persönlichen Hoffnung für die ihr verbleibende Zeit macht sie kein Geheimnis. „Es wäre wunderbar, wenn der Herrgott meinem Mann und mir noch ein paar schöne Jahre in unserem harmonischen Familienverbund schenkt und wir die Enkelkinder weiter heranwachsen sehen können.“