Vogtareuth/Übersee – Kopfschmerzen kannte Kathrin, die nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt werden will, schon aus ihrer Jugend und Kindheit. Im Frühjahr 2023 aber wurde es schlimmer, intensiver und regelmäßiger. „Ich schob die Ursache häufig auf das Wetter, Föhnlagen kennen wir ja in Bayern“, schildert Kathrin im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Nebenher lief der Alltag ganz normal weiter. Für Kathrin war es stressig, Familie mit zwei Kindern und ihren Beruf als Kindergärtnerin, in dem sie zu der Zeit wegen Personalausfalls viele Aufgaben übernommen hatte, unter einen Hut zu bringen. Neben Medikamenten versuchte sie mit aktivem Sport, Bewegung, Gymnastik, Pilates oder Physio den Schmerz zu besiegen: „Ich habe viel probiert, damit es aufhört, dachte, es sei vielleicht psychisch bedingt.“
Schlafstörungen bis
zum Erbrechen
Doch nichts half. Als der Leidensdruck zu hoch wurde und zu den täglichen Kopfschmerzen nächtliche Schlafstörungen bis zum Erbrechen hinzukamen, entschied sich Kathrin, ihre Hausärztin aufzusuchen, um sich durchchecken zu lassen. „Ich habe keinen Ausweg mehr gesehen“, erinnert sich die 43-Jährige.
Zunächst schien alles unauffällig, ein MRT brachte schließlich Licht ins Dunkel: Es wurde ein bereits sehr großes Meningeom an der rechten vorderen Gehirnhälfte festgestellt: Diagnose Hirntumor. „Bei diesem Wort zieht es dir den Boden unter den Füßen weg. Der Schock saß tief“, erinnert sich Kathrin zurück.
„Dann dachte ich an meine Familie, die zu jeder Zeit hinter mir stand – und betrachtete das Krankheitsbild, so dramatisch es sich anfühlte, ruhig und rational. Ich wollte wissen, wie es weitergehen würde und was nun zu tun war.“ Wie in 50 Prozent der Fälle war dieser langsam wachsende Tumor, der von den Hirnhäuten ausging, auch bei Kathrin gutartig, eine operative Entfernung möglich.
Über ihre Hausärztin bekam Kathrin den Kontakt zur Schön Klinik Vogtareuth vermittelt und stellte sich dort bei Neurochirurgin Dr. Mirjam Fuchs vor. „Uns lag ein klassischer Befund vor. Die Symptomatik des Hirndrucks war bereits vorhanden, der Tumor hatte eine Größe von viereinhalb bis fünf Zentimeter erreicht. Das Meningeom wies einen typischen Wachstumsverlauf auf.“
„Ich war einfach nur froh, dass es eine Lösung gab und ein Ausweg in Sicht war“, schildert Kathrin und ihr Blick wandert zu Dr. Fuchs. Erleichterung und Dankbarkeit liegen in ihren Augen.
Plötzlich ging alles ganz schnell: Innerhalb weniger Tage wurde die Operation geplant und verlief in dreieinhalb Stunden erfolgreich. Der Tumor konnte vollständig entfernt werden. Das war Ende September vergangenen Jahres.
Vier Monate später ist Kathrin der große Eingriff nicht mehr anzusehen. Sie steht in der Blüte ihres Lebens. Am ersten Tag nach der OP, so räumt die Überseerin ein, sei es ihr nicht gut gegangen, sie habe mit Übelkeit gekämpft – was jedoch ein Stück weit normal sei. Freilich habe sie sich geschont, die Zeit von sechs bis acht Wochen samt Reha habe sie wirklich gebraucht.
Autofahren, Sport, den Alltag meistern – all das war danach aber auf einmal wieder komplikationslos möglich. „Mir geht es besser als davor. Die Kopfschmerzen sind verschwunden, ich fühle mich so gut wie nie. Ich bin so dankbar, dass das, was mich jahrelang gequält hat, endlich weg ist und die Schmerzen Tag und Nacht der Vergangenheit angehören.“
Narbe am Kopf
erinnert an OP
Natürlich erinnert die Narbe am Kopf an die OP. „Doch dafür gibt es Haare“, sagt die 43-Jährige lächelnd. Sie gilt als geheilt. Ihr stehen nur jährliche Nachuntersuchungen in der Schön Klinik Vogtareuth bevor.
Nicht immer verläuft die Diagnose Hirntumor so positiv wie bei der zweifachen Mama. In der Bandbreite des Krankheitsbildes gibt es auch inoperable und bösartige Tumore. Die sehr komplexen Fälle werden zum Teil an Uni-Kliniken weitergeleitet. „Mit den umliegenden Kliniken, insbesondere mit Onkologen und Strahlentherapeuten, sind wir eng vernetzt. Dies ist insbesondere wichtig für Patienten mit bösartigen Tumoren, die einer Nachbehandlung bedürfen“, erklärt Dr. Mirjam Fuchs.
„Es ist eine problematische Situation, wenn wir keine befriedigende Therapie anbieten können, für den Patienten und für uns“, räumt Fuchs ein. Allerdings gebe es alternative Möglichkeiten wie Bestrahlung oder Chemotherapie. Die Techniken der Medizin entwickeln sich stets weiter.
„Unbehandelt können Hirntumore mit dem Tod enden“, sagt Fuchs auf die Frage, wie sich die Krankheit weiterentwickelt, wenn nicht operativ eingegriffen wird. „Der Hirndruck wird größer, verlagert sich auf das Bewegungsbild. Es folgen neurologische Ausfallerscheinungen, Sprachstörungen, epileptische Anfälle bis zum Verfall des Körpers.“ Dies gelte jedoch nur für wachsende Tumore: „Kleinere Meningeome beobachten wir und lassen sie oft einfach in Ruhe. Ist aber eine Wachstumstendenz erkennbar, gehören sie raus.“
Ursache vieler
Tumore ungeklärt
Wieso Tumore auftreten, können die Mediziner in den seltensten Fällen erklären. Häufig handle es sich um Zufallsbefunde: „Wenn keine genetischen Ursachen erkennbar sind oder frühkindliche Bestrahlungen den Auslöser darstellen, können wir nicht sagen, weshalb sich ein Tumor bildet.“ Bei den ersten Anzeichen Kopfschmerz, Migräne, Übelkeit, Seh- oder Sprachstörungen sollte man hellhörig werden, empfiehlt Fuchs. Natürlich dürfe man nicht sofort an das Schlimmste denken und jeden Kopfschmerz auf die Goldwaage legen. Es gebe Unterschiede in der Schmerzbehandlung.
Spannungs- und Migränekopfschmerzen verschwinden in der Regel von selbst. „Doch im Zweifel, und sollte eine Verschlimmerung eintreten, gilt: lieber abklären lassen“, rät die Oberärztin. „Wir versuchen, bewusst zu kommunizieren und im Aufklärungsgespräch den Patienten die Angst zu nehmen“, erklärt sie. „Es handelt sich um eine Ausnahmesituation, die man verarbeiten muss. Es ist wichtig, sich Zeit für Körper und Geist zu nehmen – gerade bei diesem Krankheitsbild.“
Die Hoffnung
nie aufgegeben
„Die Diagnose Hirntumor zu erhalten, das macht was mit einem“, betont Kathrin B. „Ich bin ein Mensch, der alles gerne selbst in der Hand nimmt, bin aktiv und gebe ungern etwas ab. Wichtig ist, die Ängste und schlimmen Gedanken, die in so einer Situation automatisch kommen, zuzulassen und sich bewusst zu machen, dass die OP den einzigen Ausweg darstellt. Ich habe mich darauf eingelassen und den Ärzten vertraut. Ich konnte es eh nicht ändern.“
Kathrin hat die Hoffnung nie aufgegeben, gelernt, mit dem Schicksalsschlag umzugehen und die Lage so anzunehmen, wie sie ist. „Es war ein Glücksfall, die Unterstützung meiner Familie zu jeder Zeit hinter mir zu wissen. Manchmal muss man sich trauen, Hilfe anzunehmen, und sich eingestehen, dass es einem nicht gut geht. Dafür gibt es Fachleute, die einen auffangen – Pfleger, Schwestern und Ärzte. Es muss nicht immer der ‚Worst Case‘ sein – und irgendwie geht es immer weiter.“