Rosenheim – Kampenwandbahn, Beschneiung der Pisten, Comeback der Kur, Wirtshaussterben, Brenner-Nordzulauf – die Themen in der Region, die das Ressort von Landwirtschafts- und Tourismusministerin Michaela Kaniber betreffen, sind vielfältig. Beim Neujahrsempfang des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes beim Hirzinger sprach sie nicht nur darüber. Das OVB fragte nach.
Der Ausbau der Kampenwandbahn in Aschau ist in der Region durchaus umstritten. Während die einen vor Schäden an Flora und Fauna warnen, wollen die anderen mehr Menschen das Erlebnis Berggipfel ermöglichen. Wie stehen Sie zu dem Thema?
Die Seilbahn auf die Kampenwand wurde 1957 gebaut und ist eine der ältesten in Bayern. Die Modernisierung ist also eine wichtige Investition in die touristische Infrastruktur, die einen wertvollen Impuls für die ganze Region auslösen wird. Wir rechnen daher mit weiteren Investitionen bei den Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben in der Region. Die Seilbahn ist mit 304 Betriebstagen auf Sommer- und Wintertouristen ausgelegt. Diese ganzjährige Nutzung soll erhalten bleiben. Die Seilbahnförderung ist tourismuspolitisch sehr wichtig. Denn unsere Seilbahnen sind entscheidende Infrastruktureinrichtungen: Sie erhalten regionale Wertschöpfungsketten, sichern so Arbeitsplätze im ländlichen Raum und prägen den Tourismus in zahlreichen bayerischen Bergregionen. Moderne Anlagen bieten auch Menschen mit Beeinträchtigungen, Familien und Kleinkindern das Erlebnis Bergwelt. Und sie sind ein wichtiges Instrument zur Besucherstromlenkung in den Bergen.
Nur wenn das Seilbahnvorhaben mit den Belangen des Naturschutzes, der Raumordnung und auch dem Alpenplan im Einklang steht, kommt eine staatliche Förderung in Betracht. Ersatzneubau und Förderung sind deshalb auch nur dann möglich, wenn keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen und alle nötigen Genehmigungen erteilt wurden. Im Fall der Kampenwandbahn sind die notwendigen Voraussetzungen nach dem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts derzeit nicht erfüllt. Man muss daher die weitere Entwicklung abwarten.
Schneekanonen am Sudelfeld und am Hocheck – Skifahrer und Betreiber halten das für zwingend notwendig, Nicht-Skifahrer und Umweltschützer sagen: „Lasst euch für den Wintertourismus etwas anderes einfallen.“ Was sagt die Tourismusministerin?
Zum Wintertourismus gehört heute und auf absehbare Zeit auch das Ski-Erlebnis im Schnee. Natürlich wissen wir, dass der Klimawandel auch unsere Wintersportorte vor Herausforderungen stellt. Umso wichtiger ist es, die Angebote für den Winter breit zu fächern und weiter an der Etablierung schneeunabhängiger Angebote zu arbeiten. Aber es wird auch noch viele Jahre geben, in denen wir den Wintersport in vollen Zügen genießen können! Und wenn wir dafür mit etwas Kunstschnee nachhelfen, dann ist das in Ordnung! Beschneiung ist wichtig für die Wirtschaftlichkeit und Attraktivität unserer Wintersportorte. Und allen Kritikern kann ich nur sagen, dabei wird auch kein Wasser verbraucht und dem Wasserkreislauf entzogen. Das Wasser wird nur gebraucht! Auch der Energieverbrauch für den Betrieb der Seilbahnen und Beschneiungsanlagen ist vergleichsweise gering: Der jährliche Standby-Verlust unserer Elektro-Geräte beträgt das 200-fache! Und man muss sich vor Augen führen: Was würde passieren, wenn wir in Bayern nicht mehr beschneien? Wir stehen in einem harten Wettbewerb zu unseren Nachbarn. Dort wird viel mehr beschneit. Die Schweiz macht dies bei 54 Prozent aller Pisten, Österreich bei 70 Prozent und Italien sogar bei 90 Prozent. Bei uns in Bayern sind es gerade einmal 25 Prozent. Würden wir den Schneekanonen trotzdem den Stecker ziehen, fahren die Menschen zum Skifahren eben zu unseren Nachbarn, und zwar überwiegend mit dem Pkw. Das würde unter dem Strich eine massive Verschlechterung der Klimabilanz bedeuten. Und unsere Betriebe sind am Ende die Dummen und zahlen die Zeche. Deshalb gibt es für mich zu einer verantwortungsbewussten Nutzung von Schneekanonen aktuell keine Alternative.
Der Brenner-Nordzulauf hat massive Auswirkungen auf einen großen Teil des Landkreises Rosenheim. Niederaudorf wird, aus Sicht der Einheimischen, „platt gemacht“, auch im weiteren Verlauf der Trasse bis hinter Tuntenhausen verlieren Landwirte ihre Existenzgrundlage. Zehn Jahre Großbaustelle werden tiefe Spuren hinterlassen. Es herrscht vielerorts nackte Angst. Die Phrase „mehr Güter auf die Schiene“ reicht den Betroffenen nicht. Was kann und wird die Landwirtschafts- und Tourismusministerin für „ihre Leute“ tun?
Ohne Zweifel belastet eine Großbaustelle wie der Bau einer Eisenbahnstrecke die Umgebung massiv. Das gilt ganz besonders in engen Tallagen, in denen Fläche knapp, wichtig und teuer ist. Andererseits ist speziell das Inntal seit Jahrhunderten Durchzugsbereich von Nord nach Süd und umgekehrt. Daher führen hier neben dem Inn, der die Übergangsmöglichkeit über die Alpen ja erst geschaffen hat, im Vergleich zu anderen Tälern schon besonders viele Verkehrswege durch das Tal. Jede weitere Baumaßnahme verstärkt die Belastung überproportional. Als Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten liegt mir die Reduzierung des Flächenverbrauchs beziehungsweise eine zurückhaltende Inanspruchnahme land- und forstwirtschaftlicher Flächen ganz besonders am Herzen.
Aufgrund der engen räumlichen Verhältnisse und der bereits hohen Verkehrsbelastung ist im Inntal und den anschließenden nördlichen Bereichen ein besonders sensibles Vorgehen notwendig. Freiflächen sind dort wegen der beengten Lage zwischen Inn, Autobahn, Bahntrasse und den bayerischen Voralpen besonders knapp.
Eine flächensparende und landschaftsschonende Planung und ein höchst sparsamer Umgang mit den Freiflächen sind daher absolut unerlässlich. Daher habe ich mich schon früh aktiv an die Deutsche Bahn und Bundesverkehrsminister Volker Wissing gewandt, um ein äußerst flächensparendes Gesamtprojekt anzumahnen. Mittel der Wahl sind dabei aus landwirtschaftlicher Sicht produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen. Sie reduzieren die Notwendigkeit von externen Ausgleichsflächen auf ein absolutes Mindestmaß und halten die größtmögliche Fläche in der landwirtschaftlichen Produktion. Und es ist im Kern schon ein großer Erfolg, dass große Teile der neuen Bahntrasse untertunnelt werden sollen. Die Bahn und der von ihr beauftragte Dienstleister müssen sich daher verpflichten, die Flächenakquise im Einvernehmen mit den Grundstückseigentümern durchzuführen.
In den Landkreisen Rosenheim, Traunstein und auch Mühldorf grassiert das Wirtshaussterben. Kann die Tourismusministerin dagegen etwas tun? Zum Beispiel mit einem speziellen Programm der wieder erhöhten Mehrwertsteuer entgegenwirken?
Wir alle können etwas tun zum Erhalt unserer unverwechselbaren Wirtshauskultur: indem wir auch weiterhin ins Wirtshaus zum Essen gehen! Doch das Einkehren in die Wirtsstube darf nicht zum Luxus werden. Das Familienfest, der Stammtisch, der gemeinsame Abend mit Freunden – all das muss bezahlbar bleiben. Daher muss ein Kardinalfehler der Ampelkoalition schnellstens korrigiert werden: das Auslaufenlassen des reduzierten Umsatzsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie zu Beginn des Jahres. Die Bayerische Staatsregierung wird an dem Thema weiter dranbleiben, den Druck weiter hochhalten und jede Gelegenheit nutzen, diese zwingend notwendige Steuerreduzierung einzufordern. Der Bund darf hier nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Und beim besten Willen: Die Kosten einer komplett verfehlten Bundespolitik kann auch ein starkes Land wie Bayern nicht ausgleichen.
Wir werden uns weiter dagegenstemmen, dass die Lebensmittel auch außerhalb der Gastro immer teurer werden. Die ständigen erhöhten Auflagen für unsere Produzenten, die Landwirte, müssen unbedingt reduziert werden.
Wenn die Steuern für die Landwirte immer höher werden, wird auch die Produktion heimischer Lebensmittel immer teurer oder unrentabel. Und dann besteht die Gefahr, dass die Lebensmittel irgendwann nur noch aus dem Ausland kommen. Das müssen wir unbedingt verhindern.
Der Südosten Oberbayerns ist ein sehr ländlich strukturierter Raum. Abseits des Chiemsees dominiert der Tagestourismus. In den Dörfern am Fuße der Berge sind sämtliche Parkplätze und Straßen dicht, in Wasserburg stapeln sich die Autos. Sollten touristisch geprägte Regionen beim Ausbau des ÖPNV bevorzugt behandelt werden?
Einen zufriedenstellenden öffentlichen Verkehr im ländlichen Raum zu organisieren und zu finanzieren, ist eine große Herausforderung, an der viele Akteure beteiligt sind. Es ist ein komplexes System, das von meinem Kabinettskollegen Christian Bernreiter und seinen Spezialisten betreut wird. Die Organisation des Verkehrs vor Ort liegt in der Verantwortung der Landkreise. Sie kennen die Situation vor Ort am besten und können angemessene Lösungen finden. Selbstverständlich muss der Tourismus bei den Planungen des Gesamtverkehrs mitbedacht werden.
Aber Lösungen für langfristig schwer absehbare Spitzenbelastungen zu finden, ist immer schwierig. Umso entscheidender ist daher das Thema intelligente Besucherlenkung. Denn wenn Besucher über die Auslastungen am Zielort informiert sind und zugleich Vorschläge für attraktive, aber vielleicht weniger bekannte Alternativen bekommen, hilft uns das enorm, Spitzen abzufedern. Dafür braucht es Echtzeitdaten. Mit dem Ausflugsticker Bayern haben wir deshalb ein wertvolles Werkzeug für digitale Besucherlenkung geschaffen. Er wird sehr gut angenommen – seit dem Start im März 2021 gab es schon über 4,5 Millionen Aufrufe bei über einer Million Besuchern. Inzwischen stehen von rund 175 touristisch besonders relevanten Parkplätzen Echtzeitdaten zur Auslastung zur Verfügung, auch dank der Förderung der Staatsregierung. In Oberbayern haben sich zum Beispiel Taching am See, Trostberg und viele Orte im Berchtesgadener Land beteiligt. Unser Tourismusministerium kann auch künftig über die RÖFE-Förderung (Richtlinien zur Förderung von öffentlichen touristischen Infrastruktureinrichtungen) die betroffenen Kommunen dabei unterstützen.
Ein besonders wegweisendes Projekt fördern wir in der Alpenregion Tegernsee-Schliersee. Dort sollen künftig mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Prognosen zur Auslastung von Hotspots sowie zum Verkehrsaufkommen erstellt werden. Das ist ein innovativer Ansatz, den ich noch stärker in unsere Tourismusregionen bringen möchte.
Die Kur kommt zurück. Gibt es in Ihrem Haus konkrete Pläne, Kurorte wie Bad Endorf, Bad Aibling, Bad Feilnbach oder Bad Reichenhall beim Auf- und Ausbau der notwendigen Infrastruktur zu unterstützen?
Zur Belebung der Nachfrage nach Kuren unterstützt unser Tourismusministerium die Kurorte und Heilbäder mit verschiedenen Maßnahmen. Beim Auf- und Ausbau der öffentlichen kurörtlichen Infrastruktur – also von Kureinrichtungen, Kurparks, Kurmittelhäusern oder Thermen – stehen den Kurorten und Heilbädern die Fördermöglichkeiten im Rahmen des vorhin erwähnten RÖFE-Förderprogramms zur Verfügung.
Beispiele zeigen, wie der Tourismus auch attraktive Möglichkeiten für die lokale Bevölkerung schafft, vor allem auch für Junge. Schlüsselbereiche wie die Erhaltung der kulturellen und natürlichen Ressourcen, Bildungsangebote und Infrastruktur sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit von ländlichen Kurorten.
Mit den Möglichkeiten der ländlichen Entwicklung, mit der Dorferneuerung und der Integrierten Ländlichen Entwicklung und mit LEADER unterstützen wir die Kommunen gezielt bei diesen Herausforderungen. Beim LEADER-Programm ist beispielsweise der Bereich Erholung/Tourismus ein wichtiger Schwerpunkt. Für einen Aufschwung bei den Kuren ist neben der Attraktivität und Qualität der Kurinfrastruktur auch der Wissensstand bei Ärzten und Patienten über Inhalt, Wirkungsweise und medizinischen Nutzen der Kur als gesundheitsfördernde Maßnahme von entscheidender Bedeutung. Deswegen setzen wir hier besonders an. Mit unserer Förderung führt der Bayerische Heilbäderverband Marketing- und Informationskampagnen für Ärzte und Patienten durch. Diese Kampagnen kommen allen bayerischen und insbesondere auch den oberbayerischen Kurorten und Heilbädern zugute. Denn der Bedeutungsverlust nach den Gesundheitsreformen der 1990er-Jahre hatte dazu geführt, dass jüngere Generationen von Ärzten und Patienten mit dem Wesen einer Kur vielfach nicht mehr vertraut sind. Hier braucht es Information, Bewusstseinsbildung und Unterstützung bei der Beantragung einer Kur.
Interview: Sylvia Hampel