Traunstein/Rosenheim – Eine riskante Flucht mit sechs illegalen Flüchtlingen in einem Audi Q7 vom Grenzübergang Kiefersfelden bis nach Hohenaschau (wir berichteten) und weitere 20 Schleusungen im Auftrag einer kriminellen Organisation in seinem Heimatland Aserbeidschan brachten einem 33 Jahre alten Schleuser gestern eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und drei Monaten ein.
Außerdem zog die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler das Fahrzeug als Tatmittel im gestrigen Urteil ein.
Die Kammer sprach den Angeklagten zahlreicher Straftaten schuldig: Banden- und gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern in 21 Fällen mit über 400 geschleusten Personen, in einem Fall verknüpft mit einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen, mit Widerstand gegen und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie mit „Bedrohung mit einem Verbrechen“ durch die Worte „I will kill you“ auf der Wache mit entsprechender Geste quer vor der Kehle.
Das Gericht blieb mit der Höhe der Strafe in der bei einem Rechtsgespräch zu Beginn der viertägigen Verhandlung im Falle eines Geständnisses vereinbarten Strafspanne zwischen neun und neuneinhalb Jahren. Staatsanwalt Florian Krug war im Plädoyer am Dienstag an den oberen, Verteidiger Harald Baumgärtl aus Rosenheim an den unteren Rand gegangen.
Das Gericht blieb genau auf der Mitte. Der Angeklagte gehörte der Bande vier Monate bis Mitte November 2022 an.
Er war nicht nur als Fahrer tätig, sondern kümmerte sich in der hierarchischen Struktur auch um wichtige organisatorische Aufgaben beim Schmuggel von türkischen Staatsangehörigen über Ungarn beziehungsweise Österreich nach Deutschland. Bei der Fluchtfahrt vor der Polizei bei einer Grenzkontrolle in Kiefersfelden in der Nacht des 15. November 2022 raste der 33-Jährige mit hohem Tempo über die Autobahnen A 93 und A8 sowie ab Frasdorf über die Staatsstraße 2093 nach Aschau.
Dass trotz hochgefährlicher Situationen und Missachtung aller Verkehrsregeln unterwegs kein Unfall passierte, war großes Glück – für den Angeklagten, die Pkw-Insassen und die den Wagen mit tschechischem Kennzeichen verfolgenden Polizeibeamten.
Um 2.10 Uhr landete der Audi Q7 in einer Sackgasse in Hohenaschau. Bei der Festnahme war der 33-Jährige äußerst aggressiv. Erst mittels Reizgases konnte er fixiert werden.
Seinen Führerschein verlor der Mann aus Aserbeidschan damals. Die Zweite Strafkammer verfügte im Urteil, die Verwaltungsbehörde dürfe vor Ablauf von zwei Jahren und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen. Außerdem ordnete das Gericht die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 35700 Euro nach dem Grundsatz „Straftaten dürfen sich nicht lohnen“ an.
Und: Der Angeklagte muss – wie vom Gesetz her vorgeschrieben – die Kosten des Verfahrens tragen. Monika Kretzmer-Diepold