Traunstein – Das wegen des unerwartet langwierigen Verlaufs des Prozesses im Mordfall „Hanna W.“ in Aschau verschobene Landgerichtsverfahren gegen drei syrische Staatsangehörige wegen Diebstählen in Kirchen und Friedhöfen im Raum Traunstein startet jetzt am heutigen Donnerstag um 16.30 Uhr. Dabei wird allerdings zunächst lediglich die 16-seitige Anklageschrift verlesen.
Für die eigentlich zuständige Zweite Jugendkammer mit der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler springt die neu ins Leben gerufene „Hilfsjugendkammer“ mit Vorsitzendem Richter Dr. Ralf Burkhard ein (wir berichteten). Der siebentägige Prozess wird bis Ende März dauern. Die zuletzt in Traunstein lebenden Angeklagten waren am 17. Februar 2023 gemeinsam festgenommen worden. Letzter fristgerechter Termin laut Gesetz war ein Verhandlungsbeginn an diesem Donnerstag. Ansonsten hätten die Tatverdächtigen wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Durch die mit Wirkung zum 12. Februar tätige Hilfsjugendkammer konnte dies – wenn auch äußerst knapp – verhindert werden.
Die mutmaßliche Diebesgruppe im Alter zwischen 20 und 29 Jahren hatte sich auf sakrale Gegenstände im Raum Traunstein spezialisiert. Bei Beutezügen in den vier Friedhöfen Traunstein-Haslach, Kammer, Siegsdorf und Vachendorf sollen die Tatverdächtigen von mehr als 30 Grabstätten Grabkreuze, Grablaternen und Weihwasserbehälter entwendet haben. Künstlerisch bedeutsamen Grabschmuck wie eine Löwenskulptur und eine wertvolle Grabplastik, geschaffen von dem renommierten Künstler Heinrich Kirchner, eine große Christus-Figur und einen Lebensbaum sollen die Täter ebenfalls teils mit Brachialgewalt aus den Verankerungen gerissen haben.
In der Kirche St. Oswald in Traunstein beschädigten sie auf diese Weise angeblich einen über 500 Jahre alten Opferstock. Auch in Teisendorf sollen sie in der Pfarrkirche St. Georg den Opferstock aufgebrochen, den Inhalt und zusätzlich sechs Kerzenleuchter aus Bronze mitgenommen haben. Um an die Beute zu gelangen, sollen die Diebe Brecheisen und Bolzenschneider eingesetzt haben. Nicht die sakralen Gegenstände hatten es ihnen angetan, sondern deren wertvolles Metall.
Ohne Rücksicht auf künstlerische Belange sollen die Angeklagten alles zerlegt – und teils an eine Recyclingfirma in Traunstein verscherbelt haben. Der Betrieb schöpfte Verdacht und überwies einen Teil der Erlöse für Kupfer und Messing nicht mehr. Zu dem materiellen und dem immensen immateriellen Schaden kam bei den Diebeszügen jeweils ein hoher Sachschaden, in Siegsdorf summierte sich dieser beispielsweise auf fast 37000 Euro. Insgesamt enthält die Anklage 32 Fälle des schweren Bandendiebstahls, dazu die Vorwürfe „Störung der Totenruhe“ und „gemeinschädliche Sachbeschädigung“.
Dem 29-Jährigen liegt zusätzlich der Besitz von kinderpornografischen Dateien auf dem Handy zur Last. Der 20-jährige Heranwachsende soll ohne Fahrerlaubnis in Traunstein mit einem Pkw gefahren sein, an einem anderen Tag eine Schreckschusswaffe auf der Straße dabeigehabt haben. In der Berufsschule II Traunstein soll er eine Lehrerin trotz eines Annäherungsverbots heftig geschubst haben. Weiter soll der jüngste Angeklagte in Traunstein das Fenster einer Wohnung eingeschlagen, 7000 Euro in bar, eine Rolex, eine billigere Uhr und ein Smartphone geklaut haben.
Einem 25 Jahre alten Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft zusätzlich Beleidigung und Körperverletzung eines Busfahrers sowie von zwei Passagieren am Bahnhofsplatz in Traunstein vor, dazu mehrere aggressive Vorfälle in den Justizvollzugsanstalten Bad Reichenhall und Traunstein. Unter anderem soll der Syrer mehrere Personen bespuckt haben. Der einzuziehende Wertersatz, quasi der Beutewert, ist in der Anklage mit über 300000 Euro beziffert.
Die Fortsetzungstermine finden am 22. Februar um 14 Uhr, am 29. Februar um 9 Uhr, am 5. und 7. März jeweils um 14 Uhr, am 21. und am 28. März jeweils um 9 Uhr statt.kd