Altötting – Mit ihrem „Nein“ beim Bürgerentscheid zum Windpark im Altöttinger Forst haben die Mehringer für ein kleines Erdbeben in Bayerns Energieplänen gesorgt. Dort soll ein großer Windpark entstehen, der das Chemiedreieck und Privathaushalte mit Strom versorgt.
Wie tief die Gräben sind, zeigte die Diskussion von „Jetzt red i“ des Bayerischen Fernsehens. Dabei trafen Bürger mit Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der Parteivorsitzenden der bayerischen Grünen, Eva Lettenbauer, und dem Betreiber in Altötting aufeinander.
„Es geht um
Vertrauensmangel“
„Es geht um die Lebensqualität in unserem Ort, es geht um Vertrauensmangel, Herr Aiwanger“, eine Mehringerin wandte sich direkt an den Wirtschaftsminister. „Wir Bürger haben Ängste und Sorgen.“ Es gehe um die Auswirkungen eines Windparks auf den Ort, die Immobilienpreise, den Schattenwurf, Infraschall, die Anzahl der Windräder und deren Höhe. „Ich lade Sie ein, kommen Sie zu uns Bürgern, kein Bürgermeister, kein Landrat“, forderte sie, die sich wie viele andere nicht von der Politik abgeholt und informiert fühlte.
Andere kritisierten, dass der Landkreis zu windarm sei, die Windräder zu 80 Prozent stillstehen würden. „Ist die Zerstörung der Natur besser zu ertragen, wenn ich die Bürger mit einer Beteiligung mundtot mache?“, fragte eine Burgkirchnerin. Ein Waldbesitzer aus Alzgern führte Berichte an, dass der Waldboden rund um Windräder austrocknen würde: „Ich habe zehn Hektar Wald, ich habe Angst!“
„Die Industrie sorgt für unseren Wohlstand, und dafür sollten wir auch mal was zurückgeben“, zitierte ein Emmertinger aus einer Informationsveranstaltung zum Windpark. „Die Chemie produziert hier aber nicht nur Wohlstand, sondern auch PFOAs, die bei uns in der Luft, im Boden und im Wasser sind.
Warum Wald roden, wenn er unsere grüne Lunge ist, die die Chemie herausfiltert? Wenn ein Windpark gebaut werden muss, dann nicht hier im Chemiedreieck, wo sowieso schon Belastung vorhanden ist.“ Die Redner zeigten, der Widerstand hält an: „Wir sammeln weiter Unterschriften und es werden auch weitere Bürgerbegehren folgen“, stellte Wolfgang Peiskar, Sprecher der Bürgerinitiative Gegenwind, in Aussicht. Die Bürgerbegehren seien Ausdruck des Bürgerwillens und den müsse man hinnehmen.
„Ich schreibe den Windpark Altötting nicht ab“, sagte dagegen Altöttings Landrat Erwin Schneider. „Er wird kommen, es ist nur eine Frage der Zeit, weil es gar nicht anders geht.“ Er sei enttäuscht über seine Generation, die bald in Rente gehe.
Anblick beim
Joggen wichtiger?
„Wir sind gerade dabei, unseren Kindern die Arbeitsplätze zu stehlen, weil uns der Anblick beim Joggen wichtiger ist.“
Auch andere Diskussionsteilnehmer brachen eine Lanze für den Windpark Altötting. Um den Klimawandel zu schultern, Arbeitsplätze zu sichern und den Wohlstand in der Region zu erhalten. Ein Naturschutz-Vertreter machte deutlich, dass die Aufstellung von Windrädern den Umbau einer Fichtenmonokultur in einen Zukunftswald möglich mache. Ein Burghauser meinte: „Der Windpark steht für die Zukunft. Tun Sie alles, damit er gebaut wird.“
Peter Zumbusch, Werkleiter der Wacker Chemie, betonte, dass die Chemie erneuerbare Energie brauche, um mit weiter wettbewerbsfähigen Strompreisen produzieren zu können. Selbst wenn der Windpark nur zehn Prozent des Strombedarfs des Chemiedreiecks decke, „ist das für uns schon eine Menge“.
Den Sorgen und Ängsten der Bürger begegnete Wirtschaftsminister Aiwanger mit Einladungen zu Exkursionen in Landstriche Bayerns, die bereits Windräder haben: „Wo ein Windrad steht, ist keiner mehr dagegen.“ Er gehe weiter davon aus, dass ein Windpark im Altöttinger Forst kommen wird, schon allein weil es das Bundesgesetz verlangt. Die Idee, Anliegern einen verbilligten Stromtarif anzubieten oder über Bürgerenergiegenossenschaften zu beteiligen, findet er sinnvoll.
Mit Verstand und
Fingerspitzengefühl
Die Einladung nach Mehring werde er annehmen, auch um die Ortsnähe der geplanten Windräder in Mehring-Öd selbst in Augenschein zu nehmen. „Ich verstehe, wenn die Leute hier sagen, wir haben Chemie genug, wir wollen unsere Ruhe haben.“ Er versicherte: „Wir werden mit Verstand und Fingerspitzengefühl vorgehen, minimalinvasiv. Wir werden die Menschen mit den Windrädern versöhnen können.“
„Wir sind Windland“, stellte Eva Lettenbauer (Grüne) fest und sprach sich für den Windpark Altötting aus. Sie plädierte für die Planung in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen. Sie habe bei Gesprächen vor Ort den Eindruck gewonnen: „Die Menschen sind grundsätzlich aufgeschlossen.“
Dass der Windpark mangels Wind zu zwei Dritteln stillstehen würde, verneinte Heike von der Heyden, Geschäftsführerin der Firma Qair, die den Windpark bauen und betreiben soll: „Unser Ziel ist ein rentabler und wirtschaftlich erfolgreicher Windpark, dass sich der Park nicht rechnet, ist eine Falschinformation.“ Die Nabenhöhe der Windräder gab sie mit bis zu 199 Metern an, 140 Meter würden bei den Windverhältnissen vor Ort nicht für Wirtschaftlichkeit ausreichen.
Von Anfang an
allein gelassen
„Herr Aiwanger, wenn Sie sich früher beteiligt hätten, hätte das einen Unterschied beim Bürgerentscheid gemacht“, mit seiner Einlassung hatte Peter Biela vom Grünen-Kreisverband Altötting und Windpark-Befürworter das Schlusswort. „Wir wurden seit Ankündigung des Windparks von Anfang an alleine gelassen. Auch die Kommunen. Wir haben gekämpft und wurden überrannt von einer massiven Invasion an Fehlinformationen.“