Im Mordprozess von Aschau sind die Plädoyers in Sicht

von Redaktion

Kurzer Verhandlungstag am Landgericht Traunstein – Auf Sebastian T.s Handy befinden sich auch Zugangsdaten der Mutter

Aschau/Traunstein – Es war ein kurzer, ein sehr kurzer 31. Verhandlungstag sogar. Am gestrigen Donnerstag nahm die Zweite Jugendkammer des Landgerichts Traunstein einen – vorerst – letzten Beweisantrag der Verteidigung an. Dann folgte eine Pause. Kurz danach erklärte die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler die Verhandlung für geschlossen. Nur gut eine halbe Stunde hatte das Ganze gedauert, dann gingen Richter, Schöffen, Prozessbeteiligte und Beobachter wieder auseinander.

Nicht viel passiert, könnte man meinen. Doch seit Donnerstag zeichnet sich ab, wie lange der Prozess im kürzesten Fall dauern könnte. Nächsten Dienstag, 20. Februar, wird das Gericht sich die Reihe der Beweisanträge – immerhin neun sind noch nicht bearbeitet – vornehmen, sie abweisen oder ihnen stattgeben und die Entscheidung erläutern. Danach könnte der Prozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. am 3. Oktober 2022 in seine finale Phase gehen.

Schon am Donnerstag, 22. Februar, könnten dann Staatsanwalt Wolfgang Fiedler und Walter Holderle als Anwalt von Hannas Eltern ihre Plädoyers halten. In der Woche darauf würde die Verteidigung folgen. Und dann dürfte sich das Gericht zur Beratung zurückziehen. Theoretisch könnte am letzten angesetzten Verhandlungstag, am 5. März also, das Urteil gesprochen werden. Allerdings unterscheidet sich am Gericht die Theorie des Öfteren von der Praxis. Und eben die Verhandlung um die Tragödie von Aschau erlebte schon davor immer wieder mal Wendungen.

Steht nochmals eine Überraschung im Raum? Etwa durch Beweisantrag 21, den Regina Rick, die Wahlverteidigerin des Angeklagten Sebastian T., an Verhandlungstag 31 stellte? Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich – wenn denn das Gericht dem Antrag überhaupt stattgibt. Antrag Nummer 21 ähnelt stark Antrag Nummer 12, wieder geht es um eines der Mobiltelefone des Angeklagten.

Am Morgen, als Hanna W. im Alter von 23 Jahren starb, ertrunken in der Prien, soll der Angeklagte auf dem Handy „Clash of Clans“ gespielt haben. Allerdings erst eine Reihe von Minuten nach dem mutmaßlichen Tatzeitpunkt kurz nach halb drei Uhr morgens. Um ein Alibi zu belegen, hatte sich die Verteidigung zuletzt darauf verlegt, nach weiteren Aktivitäten auf dem Smartphone zu fahnden, bevorzugt um den Tatzeitpunkt herum. Diese Hoffnungen hatte zuletzt ein Sachverständiger der Polizei LKA zunichte gemacht.

Allerdings wies sein Vortrag vor Gericht nach Ansicht der Verteidigung Lücken auf. „Der Sachverständige, der uns die Verläufe in diesem Handy erklärt hat, hat einige Dinge zwar angesprochen, aber nicht im Detail“, sagte Rechtsanwalt Harald Baumgärtl vorm Großen Saal des Landgerichts Traunstein. „Wir haben in diesem Handy unter dem Vermerk ,Foreground‘ doch noch einige Aktivitäten, die zu überprüfen sind.“

Mit „Foreground“ vermerkt sind Daten, die im Vordergrund des Handys, mit Bedienung des Displays, generiert wurden. Sie gelten, mit Zeitangabe versehen, als Nachweis aktiver Nutzung eines Smartphones. Allerdings sagen sie nichts darüber, wer das Handy bedient hat.

Auf dem betreffenden Gerät von Sebastian T. fanden sich Zugangsdaten unter anderem der Mutter. „Jetzt versucht die Verteidigung verzweifelt, das Handy wieder als Entlastungswerkzeug zu instrumentalisieren“, kommentierte Nebenklägeranwalt Walter Holderle auf Anfragen des OVB.

Über die Beweisanträge der vergangenen Woche hätte das Gericht eigentlich am Donnerstag informieren wollen. So war es jedenfalls geplant gewesen. Doch stellen die vielen anstehenden und laufenden Prozesse die Justiz in Traunstein nicht nur vor personelle Probleme, sondern bringen sie auch in Raum-Not.

Weil im Großen Saal für den späteren Vormittag ein Missbrauchsprozess und für den Nachmittag eine langwierige Verhandlung wegen Diebstahls angesetzt waren, schloss Jacqueline Aßbichler die Verhandlung, um auf Dienstag, 20. Februar, hinzuweisen. „Die Entscheidung über die ganzen Beweisanträge hätte natürlich einiger Zeit bedurft“, sagte Nebenklägeranwalt Walter Holderle, „und dem Gericht steht bedauerlicherweise der Sitzungssaal in diesem Umfang nicht zur Verfügung.“

Derweil arbeiten Verteidigung und Nebenklage – und wohl auch die Staatsanwaltschaft – an den Plädoyers. Harald Baumgärtl, der Sebastian T. zusammen mit Dr. Markus Frank und Regina Rick verteidigt, kündigte Arbeitsteilung an. „Wir haben uns entschlossen, dass dieses Plädoyer aufgeteilt wird unter allen drei, weil es keinen Sinn hat, wenn jeder ein einzelnes Plädoyer hält und es damit zu unendlichen Wiederholungen käme“, sagte Baumgärtl.

Auch sein Vortrag stehe im Gerüst schon, wie der Anwalt von Hannas Eltern dem OVB mitteilte. „Mein Part ist ein spezieller“, sagte Walter Holderle, „weil ich die Nebenklage und die Interessen der Eltern vertrete und das Plädoyer ganz bewusst aus der Sicht und Erwartungshaltung der Eltern heraus halten werde.“

Michael Weiser

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