„Wir sind Wasserburg sehr dankbar“

von Redaktion

Ex-Krankenhaus wird Flüchtlingsunterkunft: Realität in Wasserburg, ohne dass es viel Kritik aus der Bevölkerung gibt. Warum das so ist, wie es in der Einrichtung ausschaut und warum der Standort so aus dem Rahmen fällt. Ein Ortstermin.

Wasserburg – Auf dem Boden erinnern aufgeklebte farbige Streifen noch an die frühere Funktion des Gebäudes: Sie führten zum Röntgen, in den Kreißsaal, zur Chirurgie. Auch an den Eingang der ehemaligen Notaufnahme verirren sich manchmal noch Leute, die medizinische Hilfe benötigen, berichtet Wolfgang Rupp, Pressesprecher der Regierung von Oberbayern, bei der Besichtigung des ehemaligen Wasserburger Krankenhauses.

Seit Dezember vergangenen Jahres ist das Gebäude eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Die Regierung von Oberbayern hat die Immobilie, aus der Romed im Dezember 2022 Richtung gemeinsamem Neubau mit dem Inn-Salzach-Klinikum ausgezogen war, vom Landkreis Rosenheim angemietet.

Bis zu 220 Geflüchtete
können kommen

Hier leben bereits 91 Geflüchtete, bis zu 220 können aufgenommen werden, so Rupp. Die größte Gruppe bilden Menschen aus der Türkei (26), außerdem kommen die Bewohnerinnen und Bewohner aus Syrien, Jordanien, Afghanistan und aus afrikanischen Ländern, berichtet er.

Im Innern des Gebäudes ist es an diesem Montagmorgen noch sehr still. Hin und wieder klingen Schritte über die leeren Flure über dem Erdgeschoss, das noch nicht bewohnt ist. Im Eingangsbereich sind von Weitem Kinderstimmen zu hören. Auch in den für die Aufnahme weiterer Geflüchteter nun komplett fertiggestellten Räumen ist noch etwas Krankenhausatmosphäre spürbar, denn an den Wänden sind die Verkleidungen zu erkennen, in denen früher die Anschlüsse für medizinische Geräte waren. Die Möblierung passt jetzt jedoch eher zum Wohnen. Ein noch leeres Familienzimmer beispielsweise ist mit vier Betten möbliert, auf dem Tisch steht schon das Geschirr parat: Teller, Gläser, Tassen, Besteck, ein Topf zum Kochen. Außerdem: ein Kühlschrank, in dem die Vorräte aufbewahrt werden können. Auf den Betten liegen Erstausstattungen für Laken, Decke und Kissen sowie Handtücher parat.

Komplett barrierefreie
Räumlichkeiten

Doch eins fällt auf, was das Ex-Krankenhaus zu einer Flüchtlingsunterkunft macht, die es in dieser Form in Oberbayern noch nicht gibt: Die Räumlichkeiten sind im Erdgeschoss komplett barrierefrei. Hier können auch Geflüchtete unterkommen, die an Krücken gehen oder im Rollstuhl sitzen. Für diese Personengruppe („im zweistelligen Bereich“) hat die Regierung von Oberbayern, die etwa 100 ähnliche Objekte betreut, nach Informationen von Dr. Simon Untergruber, Sachgebietsleiter Flüchtlingsunterbringung, „händeringend nach passenden Immobilien gesucht“. Das frühere Krankenhaus biete dafür die besten Voraussetzungen, vor allem im Erdgeschoss. Hier konnten die Zimmer ohne großen baulichen Aufwand für Menschen mit Beeinträchtigungen gestaltet werden. Sie entsprechen deshalb laut Untergruber nicht den Standards, sondern sind mit mehr Platz etwa auf den Gängen und in den Sanitärbereichen versehen.

Auf den Fluren gibt es jeweils eine Küche, denn die Bewohnerinnen und Bewohner kochen selbst, und einen Raum mit Waschmaschine. Außerdem einen Gemeinschaftsbereich, im noch nicht bezogenen Erdgeschoss steht hier ein Kickertisch bereit. Das Spielzimmer wartet auf Kinder, die hier in der Puppenküche „kochen“, an einer großen Tafel malen oder auf dem Spielteppich Burgen aus Holzklötzen bauen können.

Auffällig: Graffiti an den Wänden, knallbunte Schriftzüge, die ersten Werke, die deutlich auch Kinderhand zeigen. Die Wasserburger Künstlergemeinschaft AK 68 bringt sich hier kreativ ein. Außerdem gibt es ein Lernzimmer für die Hausaufgabenbetreuung.

„Es funktioniert alles sehr gut in Wasserburg“, sagt Untergruber, „dafür sind wir sehr dankbar“, ergänzt er. Gruppen wie der AK 68 würden sich einbringen, ein sehr aktiver Helferkreis unterstützen. Auch die Stadt engagiere sich sehr. „Das Klima ist erstaunlich gut“, so der Sachgebietsleiter. Zweiter Bürgermeister Werner Gartner spricht von einer Grundstimmung in der Kommune, die von viel Verständnis für die Flüchtlingsaufnahme geprägt sei. Die Wasserburger, in deren Stadt Vertreter von 99 Nationen zusammenleben würden, seien tolerant und offen. „Ich bedanke mich ausdrücklich beim Helferkreis und bei den Bürgern unserer Stadt für ihre menschliche Art“, sagt Gartner und fügt hinzu: „Ich bin richtig stolz auf Wasserburg.“ Die Stadt hätte, wenn alle 220 Personen in die Ex-Romed-Klinik eingezogen sind, 700 Geflüchtete aufgenommen, „eine stolze Zahl für eine Kommune mit 13000 Einwohnern“, so Gartner. „Wasserburg ist bereit, seinen Beitrag zu leisten“, ergänzt er. Ziel sei es außerdem, zu verhindern, dass Turnhallen in Wasserburg aus der Schul- und Vereinsnutzung genommen werden müssten.

Zum friedlichen Zusammenleben in der Unterkunft tragen neben ehrenamtlichen Helfern auch die Integrationsberatung der Caritas bei, die mit einem eigenen Büro vor Ort ist und Sprechstunden anbietet, ein Hausmeister und ein Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr anwesend ist. Einfach eintreten, das geht nicht, freundlich werden Besucher in Empfang genommen und registriert. Denn hier werden einmal bis zu 220 Menschen aus unterschiedlichen Nationalitäten und Religionen zusammenleben – in 85 Zimmern mit zwei bis sechs Betten, auf 2500 Quadratmetern Wohnfläche. Die Regierung von Oberbayern hat insgesamt 4500 Quadratmeter Nutzfläche angemietet, teilt sie mit.

Bei den bereits eingezogenen 91 Asylbewerbern funktioniert das Zusammenleben gut, berichtet die Hausverwaltung. Bisher habe es keine Auffälligkeiten gegeben, kaum Streit oder Auseinandersetzungen. Es herrscht ein wenig WG-Atmosphäre: mit Putzplan und gemeinsamer Küchennutzung. Wer neu einzieht, bekommt einen Plan zur Orientierung. Die Kommunikation verlaufe in der Regel über die englische Sprache, „auch mal mit Händen und Füßen“ sowie mit Unterstützung von Dolmetschern.

Untergruber stellt außerdem fest: „Wir als Regierung von Oberbayern sind nur für die Unterbringung zuständig. Es ist nicht unsere Aufgabe, ein Asylbegehren zu bewerten oder einzuordnen.“ Diese Prüfung übernehme das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Verfahren dauern, auch viele Geflüchtete müssen sich in einer Unterkunft wie jener in Wasserburg für längere Zeit einrichten. Etwa ein Drittel findet selbst nach der Anerkennung des Asylantrags keine Wohnung auf dem freien Markt, bleibt als sogenannter „Fehlbeleger“ erst einmal weiter in der Gemeinschaftsunterkunft, bedauert die Regierung von Oberbayern.

Nach Anerkennung
fehlt oft die Wohnung

In einer ähnlichen Einrichtung in Dachau gibt es laut Untergruber sogar den ersten Deutschen, der 2015 aus Syrien geflüchtet war, Arbeit gefunden hat, integriert ist und die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat. Nur keine Wohnung für die Familie. Unter bestimmten Bedingungen dürfen Bewohnerinnen und Bewohner arbeiten, dank einer Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde – eine Chance, die laut Regierung von Oberbayern intensiv genutzt werde.

Weitere Bilder und ein Video finden Sie auf www.ovb-online.de.